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Frühchen am Dresdner Uniklinikum brauchen Muttermilchspenden

Seit Corona gehen die Spenden von Muttermilch drastisch zurück. Dabei brauchen die Frühgeborenen dringend Unterstützung in den ersten schwierigen Lebenswochen.

Von Julia Vollmer
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Anne Schlüter mit Tochter Marte Bonny. Die Kleine bekam Muttermilchspenden am Uniklinikum.
Anne Schlüter mit Tochter Marte Bonny. Die Kleine bekam Muttermilchspenden am Uniklinikum. © Marion Doering

Dresden. Plötzlich ging alles ganz schnell. Seit dem 13. April hat sich das Leben von Anne Schlüter komplett verändert. Ganz viel Glück und Liebe, aber auch Sorgen kamen in das Leben der 31-Jährigen. Um 20.46 Uhr erblickte ihre Tochter Marte Bonny das Licht der Welt im Dresdner Uniklinikum. Viel zu früh, in der 31. Schwangerschaftswoche mit nur knapp 2.000 Gramm Gewicht. Regulär dauert eine Schwangerschaft rund 40 Wochen.

Muttermilchspenden helfen, wenn Frühchen nicht gleich an der Brust trinken

48 Stunden wurde sie auf der Neugeborenen-Intensivstation versorgt, seitdem verbringt sie die Tage mit ihrer Mutter Anne Schlüter auf der Neugeborenen-Station. Die 31-Jährige lebt eigentlich in Bautzen, übernachtet derzeit aber im Elternhaus der Dresdner Kinderhilfe. Das liegt nur wenige Minuten entfernt in der Schuberstraße. Es bietet Eltern wie Anne Schlüter einen kostenlosen Schlafplatz, während ihre Kinder im Klinikum versorgt werden.

Marte Bonny war, wie viele Frühchen, zunächst zu schwach, um selbst an der Brust Muttermilch zu trinken. Sie bekam Muttermilchspenden von anderen Frauen, mit denen sie in den ersten vier Lebenstagen versorgt wurde. "Dann setzte bei mir die Milchproduktion ein, und ich konnte mein Baby selbst stillen", erzählt Anne Schlüter. Die junge Frau ist glücklich darüber und will die Hilfe nun zurückgeben. Seitdem gibt sie täglich rund 200 Milliliter in der Milchküche des Uniklinikums ab, um anderen Müttern und ihren Kindern zu helfen.

Weniger Muttermilchspenden im Dresdner Uniklinikum

Doch die Menge der gespendeten Milch geht zurück. Dabei ist der Bedarf gerade bei Müttern mit Frühgeborenen groß. Ein reif geborenes Baby kann auch mit Alternativen zum Anrühren gut groß werden, für Frühchen ist aber gerade die Muttermilch wichtig, sagen Mediziner. Sie enthält viele wichtige Stoffe, die das Kind schützen.

Die Frauenmilchsammelstelle am Universitätsklinikum gehört zu den ältesten in Deutschland. Schon seit 1942 werden in der Kinder- und Frauenklinik Muttermilchspenden entgegengenommen. Doch die Menge der Milch werde geringer, sagt Sabine Männchen, Leiterin der Perinatologischen Station. Wurden in der Zeit von 2013 bis 2021 zwischen 600 und fast 1.000 Liter Muttermilch jährlich gespendet, waren es im vergangenen Jahr nur knapp 300 Liter.

Potenzielle Spenderin sind unsicher, ob sie infrage kommen

Doch warum gehen die Spenden zurück? "Ein Grund könnte sein, dass viele Mütter unsicher sind, ob sie nach einer Corona-Erkrankung überhaupt als Spenderin infrage kommen", sagt Sabine Männchen. Doch darüber müssen sich die Frauen keine Sorgen machen. Die Milch wird im Labor auf Bakterien und Viren untersucht.

Die Milchküche des Uniklinikums befindet sich im Kinder- und Frauenzentrum im Haus 21. Dreimal wöchentlich werden dort Milchlieferungen entgegengenommen. Dafür müssen die Spenderinnen nicht selbst in die Milchküche kommen. Innerhalb der Dresdner Stadtgrenzen übernimmt ein Fahrdienst den Service und holt die Milch bei den Familien zu Hause ab.

Mindestens einmal müssen die Frauen allerdings persönlich in der Klinik vorbeischauen. "Vor der ersten Spende werden die Frauen untersucht und es wird Blut abgenommen", erklärt Sabine Männchen. Nur wer gesund ist und keine Medikamente nimmt, kommt als Spenderin infrage. Im Labor wird zudem die Qualität der gespendeten Milch getestet. "Dann entscheiden wir, ob wir die Milch pasteurisieren oder womöglich aussortieren müssen", sagt Männchen.

Uniklinikum Dresden versorgt 400 bis 500 Frühgeborene im Jahr

"In Sachsen gibt es nur vier Kliniken, die sich um extrem unreife Kinder kümmern können", erklärt Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereichs Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin. Am Uniklinikum Dresden werden pro Jahr 400 bis 500 Frühgeborene versorgt, mehr als 100 von ihnen sind zum Zeitpunkt ihrer Geburt leichter als 1.500 Gramm. Rüdiger betont: "Die mit Muttermilch versorgten Säuglinge haben zum Beispiel im ersten Lebensjahr weniger mit Durchfall- und Atemwegserkrankungen zu kämpfen."

Weil eine Frühgeburt für Frauen oft eine traumatische Erfahrung sei, reagiere ihr Körper zunächst anders als bei einer normalen Geburt. Um die Zeit zwischen Geburt und Milchproduktion zu überbrücken, ist die gespendete Muttermilch besser als alle Alternativen. Bekommt das Uniklinikum mehr Spenden, als für die eigenen Säuglinge benötigt, werden auch andere Krankenhäuser damit versorgt.