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Nach Großbrand im Dresdner Club Sektor: "Finanzielle Rücklagen sind nicht da"

Seit dem Großbrand im Industriegebiet sind der Club Sektor und Probenräume nicht nutzbar. Die Künstler sind nach der Pandemie mittellos.

Von Julia Vollmer
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Bei einem Feuer im Dresdner Industriegelände ist eine Gewerbehalle vollständig zerstört worden.
Bei einem Feuer im Dresdner Industriegelände ist eine Gewerbehalle vollständig zerstört worden. © Archiv/dpa/Christian Essler

Dresden. Schon wieder hat es gebrannt im Industriegelände. Nach dem Großbrand an der Königsbrücker Straße vor zwei Wochen ist dort in der Nacht zum Donnerstag um 4.41 Uhr erneut ein Feuer ausgebrochen. An der Straße „An der Eisenbahn“ stieg Qualm auf, rund 250 Kubikmeter Papier lagen dort und waren aus noch unbekannter Ursache in Brand geraten. Die Feuerwehr löschte den Brand, es gab keine Verletzten. Der Großbrand Ende Juni kommt indes einer Katastrophe gleich – für die Betreiber des Techno-Clubs „Sektor Evolution“ und für die vielen Bands, die dort ihre Proberäume haben.

Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Tagelang hatte die Feuerwehr gegen die Flammen im Industriegelände gekämpft. Nun ermittelt die Polizei zur Brandursache. "Wir können vorsätzlichen Brandstiftung inzwischen ausschließen", sagt Polizei-Sprecher Lukas Reumund. Die Beamten ermitteln aber weiter, suchen Spuren und werten diese aus.

Auch die Firma Nestler ist weiter in ihren Räumen aktiv. "Gegenwärtig finden in den Mietobjekten der Musiker weiterhin Sicherungs- und Beräumungsmaßnahmen statt", sagt Sprecher Jan Lotze.

Wie geht es weiter mit dem betroffenen Club?

Stephan Philipp vom Technoclub "Sektor Evolution" geht davon aus, dass der Club noch "Wochen oder mindestens zwei oder drei Monate" nicht nutzbar ist. Die Suche nach Ausweichflächen wie dem Theater Junge Generation (TJG) oder dem Gelände der Alten Operette in Leuben sei zwar gut, aber so richtig hilft seinem Team und ihm das nicht. "Es ist völlig unrealistisch, diese schnell zu ertüchtigen und wir brauchen dringend einen Ort für den Sommer, um ausweichen zu können", so Philipp. Niemand wisse, wie sich die Pandemie entwickele und ob die Clubs im Herbst wieder schließen müssen. "Es zeichnet sich ab, dass es keine schnelle finanzielle Unterstützung geben wird. Und Rücklagen bei uns sind nicht wirklich da seit der Pandemie", sagt er traurig. Ist sei noch offen, was am Gebäude gemacht werden muss. Aktuell wird es vom Statiker und den Behörden untersucht.

Nestler-Sprecher Jan Lotze sagt auf SZ-Anfrage, in Abstimmung mit der Stadt arbeite der Vermieter daran, "eine Nutzung der Räume in rund zwei bis drei Monaten wieder zu ermöglichen." Bis dahin müssten unter anderem noch der Strom wieder angeschlossen und die Räume getrocknet werden.

Was hat die Stadt bislang getan, um zu helfen?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne), die OB bleiben und werden wollen, waren sofort am Wochenende vor Ort, so richtig zufrieden mit dem bislang Erreichten ist allerdings kaum jemand.

„Die Arbeitsgruppe erfasst und prüft derzeit verschiedene Objekte – kommunale und private“, heißt es aus dem Rathaus auf die SZ-Anfrage, welche Ausweichflächen die Stadt für den „Sektor“ und die Probenräume zu Verfügung stellen kann. Der gleiche Stand wird nun seit über einer Woche kommuniziert. „Es müssen mehrere verschiedene Parameter und Bedingungen stimmen und die Objekte müssen besichtigt werden“, verteidigt sich das Rathaus. Die „brisante Lage“ sei bekannt, dennoch müsse hier „sorgfältig und professionell gearbeitet werden. Sobald eine Option besteht, informieren wir.“

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) hatte das Messegelände ins Gespräch als Ausweichstätte gebracht. Dazu äußerte sich das Rathaus am Donnerstag nicht mehr.

CDU-Stadträtin Heike Ahnert betonte: „Wir brauchen kein öffentliches Wettrennen möglicher Standorte, sondern erstmal eine Schadensanalyse und ein Anforderungsprofil. Dann können Varianten mit den Betreibern und Kulturschaffenden abgewogen werden.“

Auch Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher macht Druck. „Oberbürgermeister Hilbert hat unmittelbar nach dem Brand ´schnelle und pragmatische Lösungen´ angekündigt. Bisher sind von ihm keine alternativen Standorte für Proberäume und die Clubszene veröffentlicht worden. Herr Hilbert sollte über den aktuellen Stand der einberufenen Arbeitsgruppe informieren. Wir Grüne sind bereit, zügig Freiräume für junge Menschen und Kreative zu schaffen.“

Der Gescholtene sieht das etwas anders. Man habe sich am Mittwoch zusammengesetzt und insgesamt 50 mögliche Ersatzorte präsentiert. Zudem seien die Schäden, die bei Club- und Proberäumen entstanden sind, offenbar nicht so groß wie befürchtet. Die meisten Räume könnten später weiter genutzt werden.

Linken-Stadtrat Christopher Colditz findet es dagegen „deprimierend, wie schleppend es vorangeht. Gerade der „Sektor“ brauche den Sommer, um die verpassten letzten Jahre ein wenig kompensieren zu können und die Feierkultur brauche den Club, bevor man zum Jahresende „wieder in irgendwelche Lockdowns schlittert“.

Welche Ideen gibt es?

Der Stadtbezirksbeirat Neustadt stimmte am Dienstabend einstimmig dem SPD-Antrag "Clubkultur retten" zu. Dieser fordert unter anderem, eine Liste mit Flächen und Gebäuden zu erstellen, die für Bands, Musik, Clubs und Ateliers genutzt werden könnten und zu gucken, wie aufwändig das Fit-machen der Orte ist. Außerdem soll von der Stadt geprüft werden, ob man auch in Dresden ähnlich wie in Bremen ein Ortsgesetz über nicht kommerzielle spontane Freiluftpartys einführen könnte. Dort können nicht-kommerzielle Open Air-Events stattfinden, wenn sie spätestens 24 Stunden zuvor angemeldet wurden - auf grundsätzlich allen Flächen, die vorher nicht explizit von der Stadt dafür gesperrt worden sind.

"Wir müssen in Dresden die weitaus größere Diskussion führen: Wie viele Freiräume und soziale Orte wollen wir uns in Dresden leisten? Es geht um die Frage, wie langweilig oder wie attraktiv Dresden sein will", sagt SPD-Stadtbezirksbeirat Christian Demuth. Er wünscht sich mehr Mut, konkrete Flächen durch die Stadt zur Verfügung zu stellen oder zu kaufen, wie das Industriegebiet Nord in der Albertstadt oder am Alten Leipziger Bahnhof.