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Neue Ideen für Dresdner DDR-Plattenbauschulen

Plattenbauschulen vom Typ "Dresden Atrium" galten lange als Auslaufmodell. Doch nun wird in deren Modernisierung investiert. In einem Piltprojekt geht es ums Energiesparen.

Von Dirk Hein
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Die Johanna-Grundschule an der Pfotenhauerstraße war vier Jahre lang Pilotprojekt zum Energiesparen.
Die Johanna-Grundschule an der Pfotenhauerstraße war vier Jahre lang Pilotprojekt zum Energiesparen. © Christian Juppe

Dresden. Im Ranking der "smartesten" Städte Deutschlands liegt Dresden mittlerweile hinter München und Hamburg auf Platz drei. "Das ist ein echter Ritterschlag für die Landeshauptstadt", sagt Robert Franke, Chef im Amt für Wirtschaftsförderung. Ein Grund dafür, warum sich Dresden im Wettbewerb der digitalen Vorzeigestädte immer besser behauptet, liegt in der jahrelangen Tüftelarbeit in der 102. Grundschule Johanna in der Johannstadt. Jetzt sollen die dort gefundenen Erkenntnisse zum Energiesparen in sämtlichen weiteren DDR-Schulen vom Typ "Dresden Atrium" umgesetzt werden.

Warum wurden die alten DDR-Schulen ausgewählt?

Das Gebäude an der Pfotenhauerstraße 40 ist ein sogenannter Typenschulbau "Dresden Atrium", von dem in der DDR zwischen 1963 und 1981 rund 180 errichtet wurden. 38 davon existieren heute noch in Dresden.

Robert Franke: "Die hohe Verbreitung des Schultyps sprach dafür, hier Energiesparmaßnahmen zu erproben. Durch die gleiche Gebäudekubatur sowie ähnliche Modernisierungs- und Dämmstandards lassen sich die Erkenntnisse einfacher auf weitere Schulen übertragen und echte Effekte erzielen." Die Schule in der Johannstadt bot sich an, weil Dresden in diesem Stadtteil mehrere Modellprojekte gestartet hat.

Woran wurde in den letzten vier Jahren geforscht?

Gearbeitet wurde auf zwei Ebenen. Zum einen hat Lehrer Stefan Lux interessierte Grundschüler um sich versammelt. Diese "Klimakids" haben sich in der Schule auf die Suche nach Energiefressern gemacht. Je nach Wetter wurde nach offenen Fenstern oder nach Heizungen geschaut, die auch am Abend noch auf volle Leistung gedreht waren.

Weil die Grundschüler selbst nicht an den Heizungen drehen durften, wurden die Energiefresser mit weithin sichtbaren Anhängern markiert. Lehrer drehten die Heizung dann zurück.

Gleichzeitig machte sich Tom Eckhardt, Leiter im Bereich Forschung bei EA Systems Dresden, im Auftrag der Stadt an die Arbeit. "Im ersten Schritt haben wir geschaut, welche Heizung verbaut ist, wie die Schule gedämmt wurde, und wie sie gelüftet wird."

Zudem wurden in der Schule in drei Räumen Sensoren angebracht, die Temperatur, Luftfeuchte und CO2-Gehalt messen. Diese Daten und der Energieverbrauch der Schule sind online einsehbar.

Tom Eckhardt baute dann ein Computermodell der Schule: "Mit dem digitalen Zwilling der Johanna konnten wir umfangreiche Szenarien wie Vorlauftemperaturabsenkung, Nachtabschaltung, Aufheizverhalten oder Einfluss der Lüftung auf die Raumtemperatur simulieren, ohne den Schulalltag zu beeinträchtigen."

Auch die Simulation von Grenzfällen oder gewagten Regelungen war am Modell risikolos möglich. Auf diese Weise wurde eine neue sparsamere Heizungsregelung entwickelt, die schließlich getestet und verfeinert wurde.

Tom Eckhardt, Leiter im Bereich Forschung beim Technikpartner EA Systems Dresden zeigt im Heizungsraum eine Übersicht der eingesparten Energie.
Tom Eckhardt, Leiter im Bereich Forschung beim Technikpartner EA Systems Dresden zeigt im Heizungsraum eine Übersicht der eingesparten Energie. © Christian Juppe

Welche Schwierigkeiten gab es?

"Insgesamt war es ein Lernprozess", sagt Lehrer Stefan Lux. Teilweise seien seine Schüler am Anfang übermotiviert gewesen. Voll aufgedrehte Heizungen wurden gefunden und am Anfang immer auf 0 gedreht. "Es gab Zeiten, da war die Schule nach einer kalten Nacht am Morgen sehr kalt. Wir mussten vor allem die Kolleginnen von unserem Plan überzeugen." Gelöst wurde dieses Problem, indem Heizungen nun immer auf 2 bis 3 geregelt werden. Den Rest übernimmt jetzt die automatische Steuerung, die bereits vor Unterrichtsbeginn die Heizung startet.

Eine weitere Herausforderung stellte Corona dar. Weil plötzlich viel gelüftet werden musste, waren die auf 22 Grad geheizten Klassenräume plötzlich wieder kalt.

Welche Ergebnisse wurden erzielt?

Durch die Umstellung der Heizung konnten in den letzten drei Jahren durchschnittlich 100 Megawattstunden pro Jahr eingespart werden. Als wegen Corona extrem viel gelüftet werden musste, wurden immerhin noch etwa 60 Megawattstunden eingespart. Jährlich spart die Schule und somit die Stadt Dresden etwa 9.000 Euro an Energiekosten. Durch die extrem hohen Preise für Fernwärme würde sich dieser Wert aktuell sogar verdreifachen.

Wie geht es jetzt weiter?

Kristian Meier-Hedrich, kommissarischer Amtsleiter im Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung: "Bereits vor der Energiekrise haben wir uns intensiv damit befasst, wie wir die Energieverbräuche kommunaler Gebäude reduzieren können." Die Ergebnisse aus der Johanna hätten nun gezeigt, "dass wir die Möglichkeiten moderner Regeltechnik noch weiter ausschöpfen können – ohne Komforteinbußen".

Konkret will die Stadt noch in diesem Schuljahr 13 weitere Schulen vom Typ "Dresden Atrium" mit der neuen Technik ausrüsten. Die restlichen DDR-Schulen folgen. "Zusammen mit dem Hochbauamt haben wir ein Programm aufgelegt, um perspektivisch alle 38 Schulen umzurüsten und die Erkenntnisse auch auf andere Schultypen und Bestandsgebäude zu übertragen", sagt Katrin Düring, Leiterin des Amtes für Schulen.

Für das Pilotprojekt an der Johanna-Grundschule wurden, auch gefördert über das EU-Projekt Matchup, etwa 50.000 ausgegeben. Weil die Vorarbeit damit erledigt ist, soll die Umstellung an den anderen DDR-Schulen nur einen Bruchteil davon kosten.