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Partylärm in Dresden: "So schlimm war es noch nie"

In der Dresdner Neustadt prallen seit Jahren die Interessen von Feiernden und Anwohnern aufeinander. Wie oft die Polizei eingreifen musste und mögliche Lösungen.

Von Julia Vollmer
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Am "Assi-Eck" gibt es seit ein paar Wochen neue Konfliktmanager.
Am "Assi-Eck" gibt es seit ein paar Wochen neue Konfliktmanager. © SZ/Ronald Bonß

Dresden. An Schlaf ist nicht zu denken. Laut wummern die Bässe aus dem Alaunpark bis ins Schlafzimmer von Familie Muhrau auf den Bischofsweg. "Richtig laut ist es vor allem in den Nächten am Wochenende", erzählt Stefanie Muhrau, Mutter von zwei Kindern. Ihren richtigen Namen möchte sie lieber für sich behalten. "Wir wohnen schon seit 15 Jahren in dieser Wohnung und haben überhaupt nichts gegen ein wenig Partylärm, das gehört dazu. Aber so schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie", sagt sie. Diesen Sommer hätten sie zum ersten Mal überhaupt überlegt, die Polizei zu rufen. Die Familie ist nicht die einzige. Der Konflikt zwischen den Anwohnern und den Feiernden schwelt seit Jahren in der Neustadt. Doch den Feiernden fehlt oft ein Platz, wo sie sich treffen können.

Wie viele Beschwerden über nächtliche Ruhestörung gab es 2021 bisher?

Polizeisprecher Stefan Grohme zählt für 2021 bislang 327 Meldungen über nächtliche Ruhestörung aus der Inneren und Äußeren Neustadt. 2020 waren es im ganzen Jahr 563. Im Alaunpark gab es in diesem Jahr schon 61 Einsätze, im ganzen vergangenen Jahr waren es 44.

Die Stadt gibt eine deutlich kleinere Zahl an: "Im Stadtbezirksamt Neustadt beispielsweise gingen im vergangenen Jahr sechs Beschwerden zu Ruhestörungen ein, im Jahr 2021 waren es bis jetzt 15 Beschwerden." Dazu kämen noch viele mündliche Beschwerden, die in Gesprächen vor Ort oder bei Bürgerversammlungen im Stadtbezirksamt rüberkommen. "Die Beschwerden beziehen sich oft auf eine Vielzahl von Problemen, zu denen neben Lärm und Müll auch das 'Wildpinkeln' gehört", sagt die Stadt. Im Stadtbezirksamt Neustadt war der Schwerpunkt der Beschwerden 2020 das sogenannte "Assi-Eck", in diesem Jahr sei die Kreuzung von Görlitzer, Rothenburger und Louisenstraße wieder mit dabei und auch zunehmend der Martin-Luther-Platz.

Wie viele Polizeieinsätze gab es 2021 bisher in der Neustadt?

Die Dresdner Polizei zählt bis Mitte Juli schon rund 3.200 Einsätze in den Stadtteilen Äußere und Innere Neustadt. Darunter fallen auch Verkehrsunfälle. Aber eben auch sogenannte Ordnungsstörungen und Straftaten wie Körperverletzungsdelikte, Diebstähle und Sachbeschädigungen. Die Polizisten sind vor allem jetzt im Sommer sehr präsent in der Neustadt, vor allem im Alaunpark und am "Assi-Eck". "Der Alaunpark wird ebenso bestreift wie die Äußere Neustadt. Einen festen Streifenplan gibt es hierfür nicht. Am Wochenende wird der Alaunpark verstärkt bestreift", so Grohme.

Wie groß ist das "Müllproblem"?

Regelmäßig beschweren sich die Anwohner über den Müll, der im Alaunpark oder am "Assi-Eck" liegen gelassen wird. Die Stadt zählt aber für 2021 nur fünf Beschwerden. "Schwerpunkte sind der Alaunplatz, Alaunstraße/Böhmische Straße und der Albertplatz", so die Stadt.

An fehlenden Mülltonnen liegt es nicht, beteuert die Verwaltung. Im Alaunpark gebe es 21 Papierkörbe, die 50 Liter fassen. Bis Ende des Jahres sollen sie gegen 70-Liter-Behälter eingetauscht werden. Außerdem gebe es seit 2017 elf Metallmülltonnen mit 120 Litern auf der großen Wiese. "Da diese häufig durch Vandalismus aus ihrer Verankerung gerissen werden, erhalten die Mülltonnen bis zum Frühjahr 2022 ein neues Verankerungssystem", so die Stadt. Zusätzlich seien seit April noch fünf weitere Mülltonnen aufgestellt worden.

Wie oft konnte die Straßenbahn nicht fahren?

Gerade Freitag- und Samstagnacht kommt es immer mal wieder vor, dass die Straßenbahn nicht durch den Kiez fahren kann, da viele Menschen am "Assi-Eck" sitzen und die Gleise blockieren. "In diesem Jahr mussten wir die Linie 13 schon zwölfmal wegen nächtlicher Behinderungen am Wochenende in der Neustadt umleiten. Die Störungen dauern zwischen 5 und 12 Stunden", sagt DVB-Sprecherin Anja Ehrhardt.

Die Störzeiten durch Glasscherben, die nach den Abenden liegen bleiben, hätten sich merklich ausgeweitet. Das liege, so die DVB, daran, dass nun immer in den Morgenstunden eine komplette Gleisreinigung notwendig ist. "Die Müllproblematik hat sich aus unserer Sicht verschärft und zieht längere Verkehrseinschränkungen und höhere Kosten nach sich", sagt Ehrhardt.

Wie sollen die Probleme gelöst werden?

Am Eck kommen seit ein paar Wochen die neuen "Nachtschlichter" mit den Feiernden ins Gespräch. Sie sollen deeskalieren, Probleme von Partygängern und Anwohnern aufnehmen und versuchen, zu vermitteln. Ortsamtsleiter Andre Barth hofft, dass so ein wenig Ruhe reinkommt. Ein großes Problem: Es gibt zu wenige Orte, an denen sich die Jugendlichen aufhalten können. Überall haben sie das Gefühl, zu stören.

Jugendamtsleiterin Sylvia Lemm sprach im SZ-Interview davon, es sei vielleicht eine Möglichkeit, die Jugendclubs abends länger und auch am Wochenende zu öffnen. Der Neustädter SPD-Stadtrat Vincent Drews kennt das Thema der fehlenden Freiräume auch und schlägt vor, die Hallen an der Westerweiterung am Alaunpark, das Areal am Alten Leipziger Bahnhof oder den ehemaligen Lokschuppen hinter dem Bahnhof Neustadt als Orte für Jugendliche zu etablieren.