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Tote Pillnitzer Blutbuche lebt als Klimawandel-Mahnmal weiter

Die über 125 Jahre alte Blutbuche aus dem Pillnitzer Schlosspark ist durch die Folgen des Klimawandels abgestorben. Die Überreste sind aber nicht abgesägt, sondern künstlerisch gestaltet worden - mit einem ernsten Hintergrund.

Von Kay Haufe
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Die abgestorbene Pillnitzer Blutbuche wird zur Skulptur. Die beiden Bildhauer Hans-Georg Wagner (re.) und Paul Jacob arbeiten an ihr im Schlosspark.
Die abgestorbene Pillnitzer Blutbuche wird zur Skulptur. Die beiden Bildhauer Hans-Georg Wagner (re.) und Paul Jacob arbeiten an ihr im Schlosspark. © Marion Doering

Dresden. Geradezu majestätisch bildeten sie den Eingang zum Lustgarten im Pillnitzer Schlosspark: zwei Blutbuchen, die 1895 von den königlichen Hofgärtnern gepflanzt wurden. Heute ist von den Schwesterbäumen nur noch einer lebendig, der andere ist im Vorjahr abgestorben. Schuld daran waren die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre, die Wassermangel, extrem heiße Sommer und letztlich einen Pilzbefall im Wurzelbereich mit sich brachten. Ihnen hatte der beeindruckende Baum nichts mehr entgegenzusetzen. Verschwinden wird er aus dem Schlosspark jedoch nicht.

Stamm wird Kunstwerk

Bis vor wenigen Tagen stand noch ein rund drei Meter hoher Teil des Buchenstammes im Lustgarten, der Rest lag auf dem Boden daneben. Seit dem 10. Oktober aber arbeiten die beiden Bildhauer Hans-Georg Wagner aus Cottbus und Paul Jacob am Torso.

"Es wird etwas Figürliches daraus entstehen. Wahrscheinlich läuft es auf ein Paar hinaus", sagt Hans-Georg Wagner. Beide Künstler lassen sich dabei von der Umgebung des Parks inspirieren und arbeiten noch bis zu diesem Freitagabend konzentriert mit Kettensäge, Meißel, Axt und Spaltkeil am Holz. "Danach wird die Natur an der Skulptur weiterarbeiten, die in zwei Jahren anders aussehen wird als heute", so Wagner. Immer aber soll es ein sichtbares Zeugnis des Klimawandels sein.

Reststamm untersucht und getrocknet

Auch der restliche Teil des Stammes wird nicht geschreddert, er soll ebenfalls einem Transformationsprozess unterzogen werden, wie Dirk Wehlich erklärt, der bis August dieses Jahres Schlossleiter von Park und Schloss Pillnitz war und jetzt die Museen der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsens (SBG) leitet. So wird der Stamm an der Fachhochschule Schneeberg fotogrammetrisch vermessen, in Scheiben zerteilt und untersucht.

Der Riesenporling hat eine der beiden großen Blutbuchen im Wurzelbereich geschädigt.
Der Riesenporling hat eine der beiden großen Blutbuchen im Wurzelbereich geschädigt. © Marion Doering

"Immerhin konnte er über 125 Jahre im Park wachsen, wie er wollte, diese Energie wollen wir sichtbar machen", so Wehlich. Dafür sollen die Scheiben in einem Trocknungsschrank neben dem Torso aufbereitet werden, um sie im kommenden Jahr auszustellen. "Vielleicht kann man einen technologischen Prozess entwickeln, wie man kulturlandschaftliches Material künftig sinnvoll verwenden kann."

Erinnerungsobjekt nur auf Zeit

"Mit der künstlerischen Gestaltung wollen wir unsere Gäste auf die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gartendenkmale aufmerksam machen", sagt Claudius Wecke, der Leiter des Bereichs Gärten bei SBG. Doch die aus dem Torso entstehende Skulptur soll nur ein vorübergehendes Erinnerungsobjekt sein.

Bereits seit einigen Monaten wächst in der "Baumuniversität" des Branitzer Parks ein genetisch identischer Nachkomme der abgestorbenen Blutbuche heran. Sieben bis zehn Jahre wird es dauern, bis das momentan rund 25 Zentimeter hohe Bäumchen an die Stelle seines Vorgängers gepflanzt wird. Das sehen die gartendenkmalpflegerischen Vorgaben vor, dass es eine artgenaue Nachpflanzung sein muss, so Wecke. "Es gibt nie eine hundertprozentige Sicherheit beim Gärtnern. Man muss auch Rückschläge einstecken", sagt er im Hinblick darauf, wie gut sich der Jungbaum dann entwickeln wird.

Klimawandel-Projekt soll in Parks helfen

Damit die neue Blutbuche später bessere Bedingungen vorfindet, wird im Pillnitzer Schlosspark sowie im Großen Garten in Dresden an zahlreichen Maßnahmen zur Klimaanpassung und stärkerer Widerstandsfähigkeit der Bäume gearbeitet. Im Projekt "Klimawandel in historischen Gärten", das mit 3,3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert wird, werden zum Beispiel in Kooperation mit der TU Dresden und der BTU Cottbus-Senftenberg Blatt- und Bodenproben sowie die Bodenfeuchte untersucht, um Verbesserungen vorschlagen zu können.

Im Großen Garten soll eine Holzkohleanlage zur Herstellung wertvoller Bodenzuschlagsstoffe entstehen, im Pillnitzer Park eine eigene Baumschulfläche entstehen, in der Material aus eigenen Beständen vermehrt wird. Auch an einem Gießroboter wird gearbeitet. Das Projekt lauft bis Ende 2024.

Angesichts der vielen Fällungen, die seit 2018 extrem zugenommen haben, und sehr viel Totholz im Großen Garten und im Pillnitzer Park, sei das Projekt sehr wichtig, um die historischen Gärten auch weiterhin erhalten zu können, sagt Claudius Wecke.