Corona verschärft Lehrermangel in Dresden

Dresden. Jeden Tag werden es mehr Schulen in Dresden, die aufgrund von mehreren Corona-Fällen ganz oder teilweise geschlossen werden müssen. Am Freitag sind es bereits über 60. Die Zahlen der Neuinfektionen in der Stadt explodieren regelrecht. Auch viele Lehrer werden positiv getestet oder sind mit ihren eigenen Kindern in Quarantäne. Noch mehr Unterricht als ohnehin schon fällt deshalb aus. Jetzt wird der Lehrermangel zunehmend ein Problem.
Es gibt Dutzende unbesetzte Lehrerstellen in der Stadt. "An den Grundschulen sind 19 Vollzeitstellen nicht besetzt, an den Oberschulen 26, an den Gymnasien zehn", sagt Clemens Arndt, Sprecher im Landesamt für Schule und Bildung (Lasub). Am größten ist der Mangel an Förderschulen, dort sind 38 Stellen unbesetzt.
Auch Gymnasien zunehmend betroffen
Doch auch Dresdner Gymnasien leiden unter Lehrermangel. So ist das Gymnasium Klotzsche bereits mit zwei fehlenden Lehrern ins aktuelle Schuljahr gestartet. Dazu kommen drei Langzeiterkrankte und drei schwangere Kolleginnen. Über 200 Stunden fallen pro Woche aus. "Viele Lehrer, die bisher in Teilzeit arbeiten, haben deshalb ihre Stunden aufgestockt. Aber das reicht nicht aus, um den massiven Ausfall zu kompensieren", sagt Manja Schefczyk vom Elternrat des Gymnasiums.
"Wir müssen im kommenden Sommer den Einstellungskorridor bedeutend aufstocken", sagt der Klotzscher Schulleiter Frank Haubitz. Es sei völlig normal und voraussehbar, dass junge Lehrerinnen Kinder bekommen. Dafür müssten zusätzliche Kollegen bereitstehen. Doch diesen Lehrer-Pool für "Unterrichtsausfall" gebe es bereits und dieser komme auch zum Einsatz, sagt Referentin Susann Meerheim vom Kultusministerium.
Darüber kann Frank Haubitz nur lachen. "Den gibt es, aber der ist leer", sagt er. So sieht das auch sein Kollege Jürgen Karras vom Gymnasium Cotta. "Außerdem gibt es dafür ein aufwendiges Antragsverfahren. Kurzfristige Hilfe, wie wir sie gerade jetzt benötigen, kann damit nicht abgesichert werden", sagt Karras.
Um den Stundenausfall wenigstens etwas abzufedern, unterrichtet Frank Haubitz jetzt häufig selbst. "Es gibt allerdings schon Rückstände in einigen Klassen und Fächern, die kaum noch aufholbar sind. Wir brauchen unbedingt weitere Kollegen. Das erwarte ich vom Ministerium, dass jetzt deutlich mehr Lehrer eingestellt werden."
Unterrichtsausfall soll nicht mehr erfasst werden
Irritiert war der Klotzscher Schulleiter auch, als er zu Wochenbeginn ein Schreiben vom Kultusministerium erhielt, worin er informiert wurde, dass der Unterrichtsausfall bis zum Schuljahresende nicht mehr erfasst werden soll. Die aktuelle Situation ließe eine effektive und nachvollziehbare Erfassung des Unterrichtsausfalls und dessen Auswertung nicht zu, heißt es im Brief an die Schulleiter.
Das Kultusministerium verteidigt diese Anordnung. "Aktuell sind 20 Prozent der Schulen teilweise oder komplett geschlossen. Eine seriöse und valide Erfassung vom Unterrichtsausfall ist daher nicht gegeben", sagt Referentin Meerheim. Zudem seien die Schulen aktuell durch Corona-Tests, deren schriftliche Nachweise sowie die Kontrolle der Corona-Regeln und die Elterninformation sehr eingespannt. Deshalb sollte der Wegfall der Ausfallstundenerfassung zu einer Entlastung führen. Es ergebe keinen Sinn, eine Statistik zu führen, die nur begrenzt aussagefähig ist, so Meerheim.
Doch wie sollen Schulleiter und Lehrer nun den Überblick behalten, in welchen Klassen welches Thema nicht behandelt werden konnte? "Die Fachlehrer müssen nicht in die Statistik des Unterrichtsausfalls gucken, um daraus ablesen zu können, welches Thema dran war und welches nicht", erklärt Meerheim. So seien auch die Lehrpläne nicht aufgebaut. Der Lehrplan sei der Gradmesser für die Lehrer und nicht die Statistik des Unterrichtsausfalls.
Beim letztgenannten kann Haubitz zwar mitgehen. "Aber die Erfassung der Ausfallstunden dauert bei mir drei Minuten, das hält nicht auf." Wohl aber die zahlreichen Tests und damit verbundenen Formalitäten, sagt Jürgen Karras. "Wir erledigen hier Aufgaben, für die wir eigentlich nicht zuständig sind." Auch er fordert dringend, dass es an den Schulen direkt Reserven für ausfallende Lehrer geben muss.
Was beobachtet der Kreiselternrat?
"Unserer Erfahrung nach", so Marco Bergmann vom Arbeitskreis Oberschulen des Kreiselternrats, "trifft es aber vor allem die Ober- und Förderschulen in Dresden, die in Größenordnungen ihre Stundentafeln ausdünnen, Nebenfächer nur noch einstündig unterrichten und wichtigen Förderunterricht, der gerade in Coronazeiten dringend gebraucht wird, ausfallen lassen." Bildungsgerechtigkeit sei so nicht mehr gewährleistet - gerade die Schulformen, deren Schüler von mehr Unterstützung massiv in ihrer Bildungskarriere profitieren würden, hätten die größten Probleme, das Schulangebot aufrechtzuerhalten.