Schwanenfang im Großen Garten

Dresden. Das wird wohl heute nichts. Thomas Eißer ist skeptisch, immerhin hat er es mit Tieren und nicht mit Maschinen zu tun: Der 55-jährige ehrenamtliche "Schwanenpapa" will die fünf Jungschwäne, die seit diesem Mai mit ihren Eltern auf dem Carolasee im Großen Garten leben, beringen. Seit Jahren kümmert sich Eißer um diese Aufgabe, nicht nur im Großen Garten, sondern im gesamten Stadtgebiet.
An diesem Dienstagmorgen war er zunächst bei Jungtieren am Kiessee in Leuben, mittags ist nun der Schwanennachwuchs auf dem Carolasee an der Reihe. Gerade eben hat sich dieser allerdings wieder ins Wasser begeben, wohl in der Vorahnung, was gleich auf ihn zukommen könnte. In der Nähe des Bootsverleihs drängeln sich etliche Zuschauer am Geländer zum See hin, Eißer hat zudem drei Helferinnen mitgebracht, um gemeinsam mit ihnen die heranwachsende Schwanenmeute anzulocken und einzufangen.
Das soll mit frischem Kopfsalat gelingen - bei der Schwanenmama ist das durchaus von Erfolg gekrönt. Während sie gierig die grünen Blätter verschlingt, faucht sie lautstark in Eißers Richtung. Sie kennt den Mann in den Camouflage-Hosen und mit der tiefen Stimme. Schon in den vergangenen beiden Jahren hat Eißer ihre Küken beringt.
2019 waren aus dem Techtelmechtel zwischen dem schon recht betagten Schwanenmännchen "Methusalem", wie ihn einst eine Tageszeitung betitelte, und dem damals erst dreijährigen Schwanenweibchen zwei Junge hervorgegangen, eines starb allerdings kurz nach dem Schlüpfen. Im vergangenen Jahr bewies der etwa 22 Jahre alte Herr im weißen Gefieder, dass seine Zeugungsfähigkeit auch im hohen Alter nicht im geringsten gelitten hat - acht Küken waren das Ergebnis der neuerlichen Paarung.
Überlebt haben letztlich nur drei von ihnen, was allerdings keine Seltenheit ist. 30 Prozent des Schwanennachwuchses überleben den ersten Winter nicht, auch, weil sie beliebte Beutetiere für Füchse und Waschbären sind. Auch in diesem Jahr ist eines der insgesamt sechs Küken kurz nach dem Schlüpfen verschwunden. Eißer hofft nun, dass die verbliebenen fünf gut durch die kalte Jahreszeit kommen.

"Zugriff", ruft Eißer plötzlich ganz laut. Die Jungtiere haben das sichere Wasser inzwischen wieder verlassen und knabbern am Salat. Eißer stürzt in ihre Richtung, seine Helferinnen versperren den Rettungsweg zurück zum Teich. Dennoch gelingt einem die Flucht, aber Eißer nimmt's gelassen. "Den schnapp ich mir nächste Woche." Er ist zufrieden mit seinem "Fang" - drei der kleinen Schwäne konnte er festhalten, auch das vierte wird noch geschnappt.
Was dann folgt, ist nichts für Zartbesaitete, aber Eißer versichert immer wieder, dass die Tiere keinen Schaden nehmen. "Heute Nachmittag kommen sie wieder zutraulich an, wenn ich sie rufe." Mit Klettband fixiert er die Füße, dann nimmt er sich ein Tier nach dem anderen vor, befestigt den Metallring am Bein und prüft ihr Gewicht mit einer kleinen Waage. "Alles bestens." Zwischen sechs und sieben Kilogramm bringen sie jeweils auf die Waage. Im Erwachsenenalter werden es bei Weibchen acht bis zehn, bei Männchen 10 bis 13 Kilogramm sein. Welches Geschlecht die Jungtiere haben, könne man aber erst im kommenden Frühjahr feststellen, erklärt Eißer.
Im Oktober werden Jungtiere vertrieben
Dann werden sie aber längst nicht mehr im Großen Garten leben. Schon im Oktober vertreibt das Elternpaar den Nachwuchs aus seinem Revier. Zwei der drei jungen Schwäne aus dem vergangenen Jahr leben jetzt am Blauen Wunder, berichtet Eißer. Anhand der Buchstaben- und Zahlenkombination auf den Ringen an ihren Füßen ist das gut zu überprüfen.
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Mittlerweile liegt auch die Schwanenmutter mit fixierten Füßen neben ihren Kindern. Aus dem anfänglichen Fauchen wurde dann doch ein tätlicher und ziemlich heftiger Angriff auf Thomas Eißer. "Mit einer Tiermutter, die ihren Nachwuchs verteidigt, ist nicht zu spaßen", erklärt er den Kindern, die die Aktion gespannt verfolgen. Gefährlich sei für den Menschen allerdings nicht der Biss - das zwickt nur etwas, sondern ein kräftiger Flügelschlag, der durchaus einen Kleinkindknochen brechen kann. Ein gesunder Respekt sei bei Schwänen immer angebracht, erklärt der Fachmann. Nach einer guten halben Stunde entlässt Eißer das Schwanenweibchen samt Nachwuchs wieder in die Freiheit. Für den betagten Schwanenpapa war so viel Aufregung nichts: Er verfolgte das Spektakel aus sicherer Distanz vom Carolasee aus.