Dresdner fertigt nachhaltiges Sexspielzeug

Dresden. Ein hübsches Häuschen nahe der Leubener Kiesgrube, ein bisschen Garten, zwei Söhne, acht und elf Jahre alt. Auf dem Tisch stehen selbstgebackene Kekse. Bürgerlicher geht es kaum.
Doch dann ist da dieses vermeintlich unaussprechliche Thema: Sexspielzeug. Vater Benjamin Reck drechselt Dildos aus Holz und verkauft sie über das Internet. Der 39-Jährige stammt aus Ostfriesland. Die Liebe zu seiner heutigen Frau verschlug ihn nach Dresden. 2014 kauften sie ihr Haus. Angestellt ist der gelernte Elektromaschinenbauer als Haustechniker in einem großen Dresdner Warenhaus.
Kleine große Nische
"Schon seit einiger Zeit verfolge ich aber das Ziel, beruflich auf eigenen Füßen zu stehen und von niemandem mehr abhängig zu sein", sagt Benjamin Reck. Er suchte nach einer Nische, groß genug für ausreichend Kundschaft, aber klein genug, um sich keiner übermächtigen Konkurrenz erwehren zu müssen. Nach einigen Versuchen fand er seine Nische Anfang vergangenen Jahres im Feld der sexuellen Stimulation und begann, sich im Keller seine Werkstatt samt Drechselbank, Tischkreissäge und Fräse einzurichten. Auch die Corona-Situation mit ihren ständigen Lockdowns habe ihren Teil dazu beigetragen.
"Ich bin Handwerker durch und durch", sagt er. "In Ostfriesland habe ich auf einem Bauernhof gelebt und alles selbst gemacht." Auch an der Drechselbank sei er kein Anfänger gewesen. Da er jedoch bei der Handwerkskammer bislang nicht als Drechsler eingetragen war, musste er das schnell noch nachholen. "Einen Tag vor der Wiedereinführung der Meisterpflicht habe ich das erledigt und nun Bestandsschutz. Man glaubt gar nicht, wie schwierig es ist, in Deutschland ein Produkt auf den Markt zu bringen."

Mehr als ein Jahr lang verbrachte Benjamin Reck damit, seine Spielzeuge für Erwachsene zertifizieren zu lassen und seinen Webshop aufzubauen. Den Namen der Marke hat sich seine Frau ausgedacht: Tingly Time - prickelnde Zeit. Am Anfang hätten sie noch über den Namen "Mein Hölzchen" nachgedacht, allerdings hatte das zu wenig internationales Potenzial und hätte ihn außerdem zu sehr in der Materialwahl eingeschränkt. Nachhaltig soll es sein, ja, aber nicht unbedingt Holz. "Vielleicht kann ich irgendwann Dildos aus Kaffeesatz herstellen?"
Die günstigsten Artikel gibt es derzeit für 40 Euro. Für einen hölzernen Vibrator müssen immerhin 150 Euro ausgegeben werden. Der kostet ihn dann aber auch einen halben Tag Arbeit, trotz der Unterstützung eines 3D-Druckers im Keller. Ab Ende November können die Vibratoren online individuell gestaltet werden. Größe, Farbe und Beschriftung werden den Kundenwünschen angepasst.
Birke, Apfel, Esche
Wenn sich der Verkauf gut entwickelt, dann will Benjamin Reck die Produktion mittelfristig aus seinem Haus in eine eigene Produktionsstätte verlagern, womöglich auch Mitarbeiter einstellen. Noch ist das aber Zukunftsmusik. So einfach sei das mit dem "Sex sells" dann doch nicht, wenngleich immer mehr Bestellungen eingingen und auch ein Shop in der Eifel seine Produkte in den Bestand aufgenommen hat. In diesem Fall geht es um Dildos in Stacheldraht- und Rasierklingen-Optik für ganz spezielle Neigungen - ummantelt mit Epoxidharz.
Das Holz für seine Rohlinge stamme fast ausschließlich von heimischen Arten wie Birke, Apfel und Esche. Überzogen sind sie mit gesundheitlich unbedenklichem Lack. "Wir denken uns ständig neue Varianten und Formen aus und legen dabei viel Wert auf die Optik", sagt Reck. Das sei der größte Unterschied zur vornehmlich aus Fernost stammenden Konkurrenz, die dazu noch um die halbe Welt fliegen müsse, bis sie hier verkauft werden könne.

Das größte Problem sei noch immer das Schmuddel-Image der Branche, auch wenn sich das in den vergangenen Jahr schon deutlich gewandelt habe. Werbung beim "verklemmten" Facebook zu schalten, sei für ihn noch immer praktisch unmöglich. "Selbst wenn ich nur auf die Nachhaltigkeit abziele, werden die Anzeigen nicht angenommen", klagt er. Daher sei er nun auf der Suche nach Influencern, die für seine Produkte schwärmen könnten.
Wie ist das nun aber in der Familie, wenn der Papa beruflich Dildos drechselt? "Wir haben uns entschieden, ganz offen darüber zu sprechen", sagt Reck. "Die Kinder haben erfahren, dass es in die sexuelle Richtung geht - und mehr wollen sie momentan gar nicht wissen."