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"Viele der Ukrainer sind traumatisiert und brauchen den Austausch miteinander"

Über 7.000 Ukraine-Geflüchtete leben in Dresden. Doch nun wackeln gleich zwei wichtige Unterstützungsprojekte.

Von Julia Vollmer
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SPD-Stadtrat Vincent Drews und Tetiana Ivanchenko vom Ukraine-Haus im Gespräch.
SPD-Stadtrat Vincent Drews und Tetiana Ivanchenko vom Ukraine-Haus im Gespräch. © Sven Ellger

Dresden. Seit über einem Jahr greift Russland die Ukraine an. Millionen Menschen flohen, auch nach Dresden. Seit Kriegsbeginn hat Dresden tausende Frauen und Kinder und vereinzelte Männer aus der Ukraine aufgenommen. 7.173 lebten Ende 2022 in der Stadt. Doch gleich mehrere Hilfsprojekte für die Geflüchteten wackeln nun, unter anderem das Ukraine-Haus.

Was bietet das Ukraine-Haus den Geflüchteten?

Der Zuspruch für die Angebote im Ukraine-Haus , das im Herbst im QF-Quartier am Neumarkt eröffnet wurde, sei sehr groß, erzählt Tetiana Ivanchenko, die das Projekt koordiniert. Vor allem Kinder kommen, besuchen Sprach- und Kreativitätskurse. Aber auch Frauen und Senioren kommen und tauschen sich aus.

"Viele der Ukrainer sind traumatisiert vom Krieg und brauchen dringend den Austausch miteinander", sagt sie. Plätze in Deutschkurse gebe es viel zu wenige, daher sei es wichtig, dass das Angebot erhalten bleibt. "Viele Frauen sind hier allein mit zwei bis drei Kindern und sie finden bei uns Unterstützung und Hilfe", erzählt Ivanchenko. Sie und ihr Team sorgen sich um die Fortführung in den Räumen am Neumarkt, sagt sie.

Zur langfristigen Sicherung der Projektarbeit des ukrainischen Hauses hatte die SPD-Fraktion Ende letzten Jahres einen Antrag eingebracht. SPD-Stadtrat Vincent Drews betont: "Damit die Ukrainerinnen und Ukrainer auch für einen längeren Zeitraum in unserer Stadt die notwendige und zielgerichtete Unterstützung bekommen, braucht es finanzielle Mittel für integrative Angebote und Veranstaltungen. Die Nachfrage nach etwa Kursen für Kinder ist bereits sehr groß, sodass bereits Wartelisten geführt werden.“

Wird das Ukraine-Haus weiter unterstützt?

Gesichert ist die Finanzierung der Kosten tatsächlich erstmal nur bis Jahresende. "Die Landeshauptstadt Dresden übernimmt die Betriebskostenpauschale für das laufende Jahr 2023", heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus.

Die Betriebskostenpauschale entspreche der Miete. Stadt und Vermieter vereinbarten hier den Betrag von 1.300 Euro netto monatlich. Wie es kommendes Jahr weitergeht, ist offen. Die Stadt verweist auf den SPD-Antrag und betont, die Beratungen dazu seien nicht abgeschlossen. "Das Bürgermeisteramt ist in kontinuierlichem Austausch mit den Nutzern der Fläche im QF und wird im Verlauf des Frühjahrs die Gespräche zu den Perspektiven organisieren."

Wird die Schulsozialarbeit weiter gefördert?

Auch die Schulsozialarbeit für ukrainische Kinder lässt die Stadt zum Sommer auslaufen. "Ja, die Förderung läuft zum 31. Juli aus", bestätigt die Stadt auf Anfrage. Auf die Nachfrage nach den Gründen kommt der schlichte Verweis auf einen Beschluss des Jugendhilfeausschusses zur Ukraine-Schulsozialarbeit mit Befristung bis Juli.

Wie reagieren die Träger aus das drohende Aus?

Das wollen die fünf Träger der Schulsozialarbeit - Ausländerrat, SUFW, Roter Baum, Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Kinderland - nicht hinnehmen. Sie wenden sich mit einem Offenen Brief an die Mitglieder des Ausschusses. "Wir halten einen Ausbau der Schulsozialarbeit – auch mit dem speziellen Ukraine-Fokus – für geboten. Die Kinder und Eltern würden sonst Schaden nehmen", schreiben sie.

"Das Ende der Schulsozialarbeit mit Ukraine-Schwerpunkt wäre für die Kinder und Eltern fatal. Das aufgebaute Vertrauen an den Schulen und das zwischenzeitlich Erreichte müssen fortgeführt werden, sonst ließe man die Kinder und Eltern in ihrer weiterhin schwierigen Lage im Stich", betont Christian Schäfer-Hock, Geschäftsführer des Ausländerrates. Eine Fortführung der Schulsozialarbeit sei ein wichtiges Signal nicht nur an ukrainische Familien, sondern an alle Familien in Dresden.

Kinder mit Flucht- und Kriegserfahrung, die bereits mehrfach traumatisiert wurden durch Bomben, den Verlust von Heimat, Familie und Freunden könnten nun wieder vor einem Verlust stehen, so die Befürchtung. Da sie sich gerade erst an den Sozialarbeiter oder die Sozialarbeiterin gewöhnt und Vertrauen gefasst haben.

Durch die aktuelle Knappheit von Schulplätzen in Dresden sei für die ukrainischen Kinder und deren Eltern unklar, wo sie in den nächsten Jahren zur Schule gehen werden, so die Träger. "Sofern einzelne Schüler nicht an der gleichen Schule wie bisher in die Regelklassen integriert werden (können), zieht dies einen weiteren Schulwechsel nach sich", betonen sie. Das würde für die Kinder wieder einen Kontaktabbruch bedeuten.

Gibt es noch Hoffnung auf eine Fortführung?

Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher setzt sich für den Erhalt der Unterstützung ein und betont: "Die Schulsozialarbeit für Schüler aus der Ukraine ist weiterhin dringend notwendig, um ein Ankommen im Schulalltag zu unterstützen und Fluchterfahrungen zu bewältigen." Es sei in der Jugendhilfe-Förderung 2023/24 wichtig, ein extra Budget zu sichern.