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Umstrittener Festakt in Dresden: Grundstein fürs neue Rathaus wird gelegt

Am Sonnabend wird der erste Grundstein für das neue Rathaus gelegt. Doch der Neubau gilt vielen bereits jetzt als "Haus der gebrochenen Versprechen." Das sind die Kritikpunkte.

Von Dirk Hein & Friederike Ruschke
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Auf dem Dresdner Ferdinandplatz wird in drei Jahren das neue Rathaus der Stadt stehen.
Auf dem Dresdner Ferdinandplatz wird in drei Jahren das neue Rathaus der Stadt stehen. © Stadtverwaltung Dresden

Dresden. Am Anfang der Prager Straße, direkt neben dem Galeria-Kaufhaus wird in drei Jahren das neue Dresdner Rathaus stehen. Unter dem Motto "Platz für Zukunft" ist die Grundsteinlegung am Sonnabend mit einem Festakt offiziell gefeiert gefeiert worden. Besucher konnten bei wechselndem Wetter eine digitale Zeitkapsel befüllen, Kinder Bauarbeitern helfen. Dennoch ist die Kritik am Neubau nicht verstummt. Das liegt an der Art und Weise, wie das Rathaus das Bauprojekt durchgeboxt hat.

Das sind die wichtigsten Kritikpunkte

Für 140 Millionen Euro baut sich die Stadt ein neues Verwaltungszentrum. Es gilt, mehr als 1.300 städtische Mitarbeiter unterzubringen. Die Zeit ist knapp. Wird das neue Rathaus nicht rechtzeitig fertig, müssen hunderte Mitarbeiter in Container ausweichen.

Diskussionen über Alternativ-Standorte, zum Beispiel im World Trade Center wurden von der Stadt weggewischt. Um weiter im Zeitplan bauen zu können, kaufte Dresden ein extrem teures Grundstück am Ferdinandplatz. Der Eigentümer, ein Privatmann vom Bodensee, verlangte 2,03 Millionen Euro. Der Verkehrswert für das Mini-Grundstück lag bei 665.000 Euro.

10.000 Unterschriften gegen neues Rathaus

Der Kabarettist Uwe Steimle gehörte zu den schärfsten Gegnern des neuen Verwaltungszentrums. Er forderte den Baustopp und einen Bürgerentscheid. Dafür sammelte Steimle mehr als 10.000 Unterschriften. So viele, dass sich der Stadtrat mit der Petition befassen musste.

Und: In der letzten Sitzung vor Weihnachten beschloss der Stadtrat 2020 noch schnell die "Grundstücksübertragung, Bürgschaftsübernahme und überplanmäßige Mittelumverteilung" der Gelder für den Rathausbau an die städtische Bau-Tochter "Kommunale Immobilen Dresden"(KID).

Was sich für die Räte als rein formaler Akt las, interpretiert die Stadt später als Blankovollmacht für den Bau. Noch bevor überhaupt klar war, wer die Ausschreibung gewinnt, gab der Rat sämtliche Mitsprache aus der Hand.

Rathaus kostet mehr als geplant

Auch an den Kosten von 140 Millionen Euro wurde viel Kritik geübt. Vor allem Linke und Freie Wähler sprachen von einem "Prunkbau". Obwohl die Stadt das Rathaus zu dieser Summe als Festpreis eingekauft hat, gibt es bereits Kostensteigerungen. Nächste Woche Donnerstag soll der Stadtrat 1,83 Millionen Euro zusätzlich einplanen. So habe die Pandemie einen zehnwöchigen Baustillstand verursacht. Corona sei ebenfalls für höhere Kosten bei der Reinigung der Container und Toiletten verantwortlich.

Auf dem Dresdner Ferdinandplatz wird in drei Jahren das neue Rathaus der Stadt stehen.
Auf dem Dresdner Ferdinandplatz wird in drei Jahren das neue Rathaus der Stadt stehen. © Archiv/Sven Ellger

Stadt wird selbst Mieter im neuen Rathaus

Entsprechend harsch fällt die Kritik am Neubau teilweise aus. „Die feierliche Grundsteinlegung ist angesichts der aktuellen Krisen das völlig falsche Signal. Mit geborgtem Geld wird Beton und Stahl im Umfang einer halben Waldschlößchenbrücke verbaut“, sagt Jens Genschmar (Freie Wähler). Seine Fraktion sieht im neuen Rathaus bereits jetzt "das Haus der falschen und gebrochenen Versprechen", da unter anderem das Dresdner Verschuldungsverbot umgangen werde. Weil der Stadt das Geld fehlte, baut die städtische Gesellschaft KID, der Bau ist finanziert per Kredit. Die Stadt wird also Mieter.

"Die große Baugrube, in welcher der Grundstein gelegt werden soll, steht symbolisch für das finanzielle Fass ohne Boden", so Tilo Wirtz (Linke). Der Stadtrat boykottiert den Festakt deshalb am Samstag. "Mit dem Verwaltungspalast will sich der Oberbürgermeister selbst ein Denkmal setzen, was aber durch die Stadtgesellschaft teuer bezahlt wird."

Das Rathaus feiert den Neubau

Dennoch fand das Bauprojekt immer eine Mehrheit im Rat. Der Baustart ist längst erfolgt. Das Rathaus lässt sich nicht beirren und feiert am Samstag die Grundsteinlegung groß. Um 11 Uhr wird die Zeitkapsel mit aktuellen Dokumenten und Zeitzeugnissen befüllt. Zum ersten Mal wird auch ein „digitaler Grundstein“ gelegt, der neben Dokumenten auch die Sichtweisen der Planer, Beteiligten und Nutzer in Videoform dokumentiert. Die Dresdner können sich beteiligen und Teil dieses digitalen Grundsteins werden, indem sie ihre Wünsche und Hoffnungen für den Bau aufzeichnen lassen.

"Am Ferdinandplatz entsteht nicht einfach nur ein Verwaltungsgebäude, sondern ein Ort, der unsere Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung und mit den Menschen in Dresden verändern wird", sagt OB Dirk Hilbert (FDP).

Bürger erhalten Einblicke ins neue Rathaus

Auch bei der Namensfindung sind die Bürger gefragt. Die Beschäftigten der Landeshauptstadt haben bereits vier Namen in die engere Wahl gefasst. Am Sonnabend können sich nun die Bürger äußern. Auch online kann für den persönlichen Favoriten abgestimmt werden.

Zwischen 10 und 16 Uhr gibt es ein Programm für die Bürger an der Baustelle. Die Stadt gewährt Einblick auf den Baufortschritt. Außerdem können große und kleine Besucher ausprobieren, wie gemauert und geschalt wird. Das Müllauto der Stadtreinigung wartet ebenfalls auf eine Erkundung.

Zusätzlich werden die Mitarbeiter über die Ausbildungsmöglichkeiten in der Stadt informieren. Das Fundbüro und das Umweltamt stellen ihre Arbeit vor. In der Galeria Dresden zeigt ein Infopunkt in der fünften Etage, wie das neue Verwaltungszentrum aussehen wird. Der Oberbürgermeister sowie mehrere Bürgermeister bieten Sprechstunden an.