Dresden
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Was die Spatzen von den Dächern pfeifen

"Wie, wie, wie hab ich dich lieeeb": In der Dresdner Neustadt startet eine neue Veranstaltungsreihe. Gleich der Auftakt mit einem Vogelstimmen-Imitator ist ein voller Erfolg. Warum das kein Wunder ist.

Von Christoph Springer
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Uwe Westphal hört zu und ahmt nach: Wie kaum ein anderer kann er Vogelstimmen imitieren.
Uwe Westphal hört zu und ahmt nach: Wie kaum ein anderer kann er Vogelstimmen imitieren. © Christian Juppe

Dresden. Für etwa 200 verschiedene Sprachen muss man ganz sicher ein Sprachgenie sein. Uwe Westphal spricht sie alle und lernt immer noch dazu. Dabei kann er keine Fragen stellen, denn seine Gesprächspartner können ihm nicht in seiner Muttersprache antworten. Die meisten davon sind Vögel, etwas mehr als ein Viertel Säugetiere. Es gibt in Deutschland nicht viele wie Westphal, maximal eine Handvoll. Der Mann gilt als einer der besten Kenner der Vogelsprachen überhaupt und hat am Wochenende in Dresden gezwitschert, gezirpt und gepiept.

Wie zwitschert und piept man wie ein Vogel?

Der 65-Jährige ist Biologe, Buchautor, Naturführer, bekannt aus dem Fernsehen. Die Sprachen von etwa 130 Vogelarten hat er sich selbst beigebracht, dazu die von zirka 70 Säugetieren. Das meiste davon versteht er sogar, kann also sagen, was die Rufe, das Zwitschern, Piepen und Zirpen bedeuten. Im Frühjahr vor allem: "Komm her, ich bin ein toller Bräutigam mit eigenem Grundbesitz." Ein Männchen lockt also ein Weibchen an. Wie das klingen kann, haben am Sonnabend mehr als 60 Gäste gehört, die sich im völlig überfüllten Erdgeschoss des Kraszewski-Museums in der Neustadt eingefunden hatten.

Es ist mucksmäuschenstill, noch nicht einmal ein Räuspern ist zu hören. Uwe Westphal öffnet ein wenig den Mund und spitzt die Lippen. Dann beginnt das Zwitschern. Der gebürtige Niedersachse schließt dabei gelegentlich die Augen, als würde er seinen Vogelgesang selbst genießen, und dirigiert vorsichtig mit der linken Hand.

"Nix wie weg, nix wie weg, nix wie weg" - so klingt die letzte Strophe der Singdrossel, sagt Uwe Westphal.
"Nix wie weg, nix wie weg, nix wie weg" - so klingt die letzte Strophe der Singdrossel, sagt Uwe Westphal. © Archiv/SZ/Wolfgang Wittchen

Welche Vögel singen ganze Sätze?

"Czticz, czticz", zitiert er in Buchstaben den Gesang der Wasseramsel, übersetzt ihn für die Zuhörer in Buchstaben wiederholt ihn und jeder im Saal gleich neben der Prießnitz meint, tatsächlich die Amsel mit dem markanten weißen Brustlatz zu hören.

Manche Vogelstimmen kann Westphal nicht in Buchstaben übersetzen, andere in ganze Sätze. "Wie, wie, wie hab ich dich lieeeb", beschreibt der den Ruf der Goldammer und die letzte Strophe der Singdrossel klingt nach "nix wie weg, nix wie weg, nix wie weg".

Dazu erzählt Westphal Anekdoten, Sagen und liest aus seinen Büchern. Auch gruselige wie die von der sogenannten Spatzensteuer. Als im 18. Jahrhundert Spatzen, genauer die Haussperlinge, als Plage angesehen wurden, weil sie vermeintlich zu viel Saatgut wegfraßen, sollte die Population dezimiert werden. Im Kurfürstentum Hannover mussten zum Beispiel alle, auch alle Kinder, pro Jahr eine festgelegte Anzahl abgetrennter Spatzenköpfe abgeben.

Spatzen trachtete man im 18. Jahrhundert nach dem Leben, weil sie angeblich zuviel Saatgut wegpickten.
Spatzen trachtete man im 18. Jahrhundert nach dem Leben, weil sie angeblich zuviel Saatgut wegpickten. © PR/Museum der Westlausitz Kamenz

Warum steht ein Spatz auf dem Ulmer Münster?

Doch es ging auch anders: In Ulm setzten die Einwohner dem Spatz ein Denkmal auf dem Ulmer Münster. Sie wollten lange Balken durch die Tore in die Stadt bugsieren, bekamen sie aber quer nicht durch die Bögen. Ein Spatz zeigte ihnen, dass man ein Stöckchen auch längs transportieren kann. So machten es dann auch die Ulmer mit ihren Balken und deshalb ziert das Münster nun ein überdimensionaler Spatz mit einem Stöckchen.

Spatzenhirn, Dreckspatz, was die Spatzen von den Dächern pfeifen - zu all solchen Beschreibungen und Redewendungen hat Westphal Geschichten. Sie stehen auch in den Büchern, die der Vogelkundler geschrieben hat. "Schräge Vögel" heißt eines davon und das war auch der Titel seines Vortrags in der Neustadt. Der Buchtitel bezieht sich dabei auf die Vogelnamen.

Welcher Vogel kann einen Rasenmäher imitieren?

Der Star gehört von seinem Namen her nicht wirklich dazu, berichtet Westphal, aber er ist eigentlich auch das, was sein Name sagt - ein Star. Er kann andere Vögel imitieren, und "als Solist ein ganzes Vogelkonzert geben". Selbst Geräusche kann er nachmachen, etwa einen Rasenmäher, Handytöne oder eine Katze. "Hier spricht Frau Klasen", hat Westphal selbst von einem Star gehört, der bei Frau Klasen lebte und stehts zugehört hat, wenn sie telefonierte. Was der Star mit seinem Können bezweckt? "Es soll die Damenwelt beglücken", erklärt der Vogelkundler.

Mehrfach war Westphal schon in Dresden, um sein Können zu zeigen und an seinem Wissen teilhaben zu lassen. Der Vortrag am Sonnabend war Auftakt zu einer neuen Reihe, hinter der die Macher der Veranstaltungsserie "Offenes Palais" stehen. Nachdem sie sich auf Betreiben der Staatlichen Schlösser und Gärten vom Palais im Großen Garten verabschieden mussten, wagten sie nun mit Westphal den Neustart. Einen so erfolgreichen, dass der Vogelkundler verspricht, wiederzukommen. Die neue Reihe "Prießnitzstraße - Stadt.Land.Fluss." soll Kunst und Musik zwischen Dresdner Heide und Elbe vereinen.

Die Vogelstimmenimitation ist eine Kunstform, ist Thomas Friedlaender überzeugt, einer der Macher aus dem Offenen Palais und der neuen Reihe. Sie wird am 15. April mit einer Veranstaltung in der Diakonissenhauskirche fortgesetzt.

Mehr zu Vogelkundler Uwe Westphal unter www.westphal-naturerleben.de. Alle Termine der neuen Prießnitzstraße-Reihe stehen im Internet unter www.prießnitzstraße.org.