Mann stiehlt Urkunden, Briefe und ein Aquarell aus Staatsarchiv in Dresden

Dresden. Wolfgang M. Z. interessiert sich für Geschichte. Besonders offenbar für solche, bei der die Vorfahren des Mannes eine Rolle gespielt haben könnte. Seine Informationen bezieht der heute 61-Jährige auch aus historischen Quellen, aus Urkunden und Briefen zum Beispiel. Dass er wichtige Dokumente für sich behalten hat, war Anlass einer Durchsuchung in seiner Wohnung. Die Ergebnisse der Polizeiaktion sind nun Anlass für ein Gerichtsverfahren in Dresden.
Immer wieder war Z. für sein Geschichtsstudium im Staatsarchiv in der Dresdner Neustadt, hat dort Urkunden studiert, Briefe gelesen und historische Bilder angesehen. Vielleicht schon 2016, spätestens aber 2018 fing er an, solche Quellen nicht nur im Archiv zu studieren, sondern sie auch mit nach Hause zu nehmen. Nicht etwa, um sie dort weiter zu untersuchen, sondern um sie zu behalten. Das wirft die Staatsanwaltschaft Dresden dem 61-Jährigen vor. Von sieben Fällen hat Staatsanwalt Christopher Sens am Donnerstag im Amtsgericht berichtet. Es ging um Urkunden, Zeichnungen und ein Aquarell.
Original gestohlen, Kopie zurückgelassen
Z. soll mehrere Urkunden, eine Grundrisszeichnung eines sogenannten Frauenmutterhauses, Originalbriefe an den englischen Gesandten William Swan in Hamburg, Abrechnungsunterlagen aus Grimma und die Bauzeichnung einer Schule in der Stadt nahe Leipzig eingesteckt haben. Alle diese Originale stammen aus dem 17., dem 18. und dem 19. Jahrhundert, die ältesten aus den Jahren 1667/1668. Z. ließ sie sich im Lesesaal des Archivs vorlegen und nahm sie dann mit nach Hause, steht in der Anklageschrift gegen den Mann. Im Fall der Briefe soll er danach andere alte Dokumente in die Mappe gelegt haben, damit der Diebstahl nicht auffällt.
Zu den gestohlenen Dokumenten gehörten laut der Staatsanwaltschaft unter anderem sieben Seiten aus dem Nachlass einer "Landrentmeisterin", die aus der Zeit zwischen 1705 und 1731 stammen. Die Frau hat denselben Nachnamen wie der Angeklagte und war laut dem Deutschen Rechtswörterbuch der Uni Heidelberg eine hohe Finanzbeamtin.
Bei dem Aquarell, das Z. im Juni 2019 mitgehen ließ, handelte es sich um eine historische Ansicht der Dresdner Friedrichstadt. Z. kopierte das Bild im Staatsarchiv, ließ die Kopie dort und nahm das Original mit nach Hause.
Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Markus Nitsche aus Großröhrsdorf, erklärte, sein Mandant werde "zunächst nichts" zu den Tatvorwürfen sagen, und beantragte eine Unterredung mit Richter Tobias Spindler und Staatsanwalt Christopher Sens. Das Ergebnis: Die Strafverfahren in fünf der sieben Anklagepunkte könnten bei einem vollen Geständnis eingestellt werden. Der Diebstahl der Briefe an den englischen Gesandten und der des Aquarells wiegen aber so schwer, dass Z. dafür zwischen sechs Monaten und ein Jahr Gefängnis drohen. Die Verhandlung wird am nächsten Donnerstag fortgesetzt.