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Verdrängung durch hohe Mieten? Stadträte streiten um Milieuschutz in Dresden

Sanierungen und Neubauten könnten zu einem sozialen Ungleichgewicht in Dresdner Stadtteilen führen, sagen Stadträte der SPD und Dissidenten. Die CDU sieht das anders.

Von Christoph Pengel
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SPD-Stadtrat Vincent Drews am Alexander-Puschkin-Platz. Er rechnet mit einer neuen Sanierungswelle in Süd-Pieschen.
SPD-Stadtrat Vincent Drews am Alexander-Puschkin-Platz. Er rechnet mit einer neuen Sanierungswelle in Süd-Pieschen. © Marion Doering

Dresden. Da drüben, hinter dem Zaun, dem Gestrüpp und den abgerissenen Plakaten - dort liegt die Zukunft. Vincent Drews (SPD) steht am Alexander-Puschkin-Platz und zeigt mit der Hand nach Süden - in Richtung des Alten Leipziger Bahnhofs, der knapp 400 Meter entfernt ist. Zwischen Drews und dem Bahnhof liegen viele Brachen. In dem Gebiet soll bald ein neues Stadtviertel entstehen.

Wohnungen, Geschäfte, Kultur. Was genau daraus wird, ist noch unklar. Aber Drews ist sicher, dass das Projekt auch Folgen für die Nachbarbezirke haben wird, und zwar nicht nur gute.

Folgen für Süd-Pieschen zum Beispiel. In den Häusern nördlich vom Alexander-Puschkin-Platz könnte die Aufwertung dazu führen, dass die Mieten steigen, sagt Drews, der bei der Dresdner SPD unter anderem für Wohnen und Soziales zuständig ist. Sanierungen innerhalb von Süd-Pieschen würden diesen Trend verstärken. Und höhere Mieten hätten zur Folge, dass vor allem Geringverdiener die Gegend verlassen müssten. Diese Entwicklung, oft als Gentrifizierung bezeichnet, will Drews verhindern. Doch längst nicht alle teilen seine Ansichten.

SPD und Dissidenten wollen Milieuschutz ausweiten

Die Dresdner Verwaltung hat zuletzt in einer Studie untersucht, ob es Stadtteile gibt, in denen ein soziales Ungleichgewicht droht. Ergebnis: Einige Gebietszüge, darunter die Löbtauer Straße und das Ostragehege, sind gefährdet. Dort spricht die Verwaltung von hoher Bautätigkeit und möglichen Verdrängungseffekten.

Jetzt wird geprüft, ob die Areale unter Milieuschutz gestellt werden sollen. In diesem Fall könnte sich die Stadt zum Beispiel das Vorkaufsrecht für Grundstücke sichern. Investoren müssten Genehmigungen beantragen, wenn sie etwa Mietwohnungen zusammenlegen oder in Eigentumswohnungen umwandeln wollen.

Doch Drews geht das alles nicht weit genug. Und auch nicht schnell genug. Er und Johannes Lichdi (Dissidenten) haben einen Antrag vorgelegt, über den der Stadtrat voraussichtlich im April entscheiden wird. Sie fordern Milieuschutz für größere Gebiete wie Süd-Pieschen und die Friedrichstadt. "Damit gehen wir gegen Spekulation und Gewinnmaximierung auf dem Dresdner Wohnungsmarkt vor", heißt es in dem Antrag. "Ziel sind bezahlbare Mieten statt Profite für Hauseigentümer."

CDU-Stadtrat spricht sich gegen Antrag aus

Nicht nur die Stadt lehnt den Antrag ab. Auch Stadtrat Ingo Flemming, wohnungspolitischer Sprecher der Dresdner CDU, kann mit dem Papier wenig anfangen. Überhaupt sehen er und seine Partei Milieuschutz-Satzungen kritisch. "Weil wir bei Eingriffen in die Eigentumsrechte sehr nervös werden", sagt er.

Allerdings könne man die Entwicklungen, von denen Drews spricht, nicht völlig von der Hand weisen. Deswegen habe die Stadt mit der Studie ja zunächst eine Datengrundlage geschaffen, um herauszufinden, ob und wo gehandelt werden muss. Eine "sehr saubere Arbeit", findet Flemming.

Eben diese Grundlage vermisst er bei dem Antrag, den Drews und Lichdi formuliert haben. Sie würden mit "Kanonen auf Spatzen schießen". Von Münchner Verhältnissen - extrem hohe Mieten - sei Dresden weit entfernt. "Ich sehe die Gefahr derzeit nicht", sagt Flemming.

"Lieber vorsorgen, als dass wir zu spät kommen"

Drews hält es dagegen für leichtsinnig, noch länger zu warten. "Lieber vorsorgen, als dass wir zu spät kommen", sagt er. Bloß nicht den Fehler machen wie in der Äußeren Neustadt. Dort sei der Prozess so weit vorangeschritten, dass er sich nicht mehr zurückdrehen lasse. Ein Vorkaufsrecht der Stadt, so Drews, würde dort zum Beispiel nichts mehr bringen, weil die Baulücken fast alle geschlossen seien.

In Süd-Pieschen sieht Drews aber noch Chancen. Vorausgesetzt, die Milieuschutzsatzung kommt bald. Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre seien im Viertel viele Wohnungen neugebaut oder saniert worden. Jetzt rechnet Drews mit einer "zweiten Sanierungswelle", die in den nächsten Jahren auf Süd-Pieschen zurollen könnte.

Alles nur Vermutungen, meint CDU-Stadtrat Flemming. Und den preistreibenden Effekt, die die Aufwertung rundum den Alten Leipziger Bahnhof auf die Nachbarschaft haben könnte, müsse man hinnehmen. "Wenn wir aufwerten, werten wir auf", sagt er. Dass Anwohner, die sich die Mieter nicht mehr leisten können, dann wegziehen müssen, sei eine normale Entwicklung. "Das muss man in Kauf nehmen. Fluktuation gibt's immer", sagt Flemming.