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Neue Verkehrsversuche: Wo Dresden den Autoverkehr eindämmen will

Zur Verkehrsberuhigung will Dresden Elterntaxis verhindern, Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen einführen und mehr Radwege schaffen. Auf diesen Straßen geht es bald los.

Von Andreas Weller
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Bald Tempo-30-Zone: Dresdner Terrassenufer.
Bald Tempo-30-Zone: Dresdner Terrassenufer. © Sven Ellger

Dresden. Die Stadt braucht ein Konzept zur Verkehrsberuhigung, sagt Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne). "Die Bürgerbeteiligung zum Mobilitätsplan 2035+ für Dresden hat gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich vor allem mehr Verkehrssicherheit, Stadtraumqualität mit mehr Grün und Lebensqualität in den Wohnquartieren wünschen." Bei der Umsetzung geht die Stadtverwaltung nun verstärkt Verkehrsversuche an. Also konkrete temporäre Projekte, um zu testen, wie diese angenommen werden, welche Konflikte es gibt und ob sie überhaupt funktionieren. Ziel ist es, diese möglichst dauerhaft umzusetzen. Das ist geplant.

Welche Eingriffe sind geplant?

Um das Risiko-Thema Elterntaxis in den Griff zu bekommen, plant die Stadt sogenannte Schulstraßen. Diese gibt es zwar offiziell nicht, sollen aber so genannt werden. In der Realität ist geplant, an den betroffenen Straßen vor Schulen Schilder aufzustellen, die die Durchfahrt zwischen 7 und 8 Uhr und dann noch einmal nachmittags untersagen. Als Ausgleich werden Radbügel eingebaut und Halteplätze im Umfeld geschaffen, damit die Schüler aus- und einsteigen können.

Ebenso ein drastischer Eingriff in den Verkehr ist Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen.

"70 Prozent der Autofahrer halten beispielsweise den Mindestabstand von 1,50 Metern zu Radfahrern nicht ein, verstoßen so gegen Verkehrsregeln", so Kühn. "Kontrollen der Polizei zeigen, dass die Regelakzeptanz ausbaufähig ist." Dem wolle die Stadt nachhelfen.

Zudem sollen mehr Radwege auf die Hauptverkehrsrouten, Straßeneinengungen in Wohngebieten, Grün-Elemente am Rand, Pflaster-Bereiche und einiges mehr den Autoverkehr bremsen.

Wo soll was als Verkehrsversuch starten?

Mit einer Schulstraße Elterntaxis ausbremsen, das soll nach den Sommerferien an der Wägnerstraße zwischen Brucknerstraße und Kretschmerstraße starten. Der Versuch ist bis zu den Winterferien 2024 angelegt. Generell sind Verkehrsversuche zulässig. Um schnell handeln zu können, ohne größere bauliche Maßnahmen, erläutert Frank Fiedler von der Dresdner Stadtplanung. "Die Ergebnisse müssen messbar sein, es bedarf einer Vorabuntersuchung, Begleitung und Auswertung." Die 63. Grundschule habe hier bereits gut vorgearbeitet, deshalb kann schnell gestartet werden. Weitere dieser Versuche sind an der 56. und 62. Grundschule geplant.

Auch Tempo 30 am Terrassenufer kommt tatsächlich, und zwar schon Ende Juni 2023. Zwischen Theaterplatz und Steinstraße soll dann geschaut werden, ob das geringere Tempo dazu führt, dass die Autofahrer mehr Abstand zu Radfahrern halten und ob mehr Radfahrer auf dem Radstreifen stadtauswärts fahren. Denn bisher nutzen rund 75 Prozent den Gehweg, aus Angst vor Autos. Bis Oktober geht der Versuch, danach wird ausgewertet.

Ab Mitte September 2023 wird ein Radweg zwischen den Fahrspuren als Zufahrt zum Schillerplatz vom Blauen Wunder kommend getestet. Da die Brücke zu der Zeit weiter saniert wird, sind noch keine Radwege auf der Brücke geplant. Die Radfahrer kommen also aus dem "Mischverkehr", später soll es Radwege geben. Problem hier: Eine Abbiegespur für Autos ist bereits weggefallen, die Dresdner Verkehrsbetriebe fürchten, dass die Busse an der Grundstraße und der Pillnitzer Landstraße ewig im Stau stehen. Das wird getestet und danach ausgewertet.

Eine Testphase gilt auch für die Kesselsdorfer Straße. Ab April/Mai 2024 wird zwischen Reisewitzer Straße und Rudolf-Renner-Straße ein Radweg in diese Richtung markiert. Das bedeutet, die Autos müssen auf die Gleise, sich die Straße also mit den Straßenbahnen teilen.

Zudem soll die Seestraße am südlichen Altmarkt durch Einbauten, Begrünung und Änderungen der Verkehrsorganisation ab dem Frühjahr 2024 beruhigt werden.

Weshalb sind die Versuche notwendig?

Einerseits will die Stadt Erkenntnisse gewinnen, welche Maßnahmen wo sinnvoll sind. Zudem sollen Konflikte gelöst werden. "In jedem begrenzten Verkehrsraum gibt es Zielkonflikte, die nicht immer alle gelöst werden können", so Kühn. Am Blauen Wunder beispielsweise gibt es das Interesse von Radfahrern, sicher über die Brücke und die angrenzenden Kreuzungen zu kommen, Autofahrer wollen vor allem schnell aus dem Gewühle, die Busfahrer müssen ihre Fahrpläne einhalten und einiges mehr.

Die Versuche seien eine schnelle Methode, zu testen und auszuwerten, was wo die beste Lösung ist. Für verkehrsberuhigende Maßnahmen in den Wohngebieten will die Stadt sich ein Maßnahmenpaket schaffen, deren Bestandteile systematisch bei Baumaßnahmen im Nebenstraßennetz mit umgesetzt werden können. Ziel ist es also, möglichst viele dieser Versuche zur Regel zu machen und stadtweit in Wohngebieten den Verkehr zu beruhigen und Raser abzuschrecken. "Die Erfahrung zeigt: Je breiter eine Straße ist, desto schneller wird gefahren", so Kühn.

Was ist außerdem geplant?

Testweise soll auch auf der Carolabrücke in Richtung Altstadt ein Radweg angelegt werden, dafür fällt eine Autospur weg. Für Verkehrsberuhigung sind zudem die Kamenzer Straße (2024) und der Platz "Am Schießhaus" (Sommer 2024) als "Reallabore" vorgesehen. Dort werden konkrete Maßnahmen erprobt, ausgewertet und auf andere Wohngebiete übertragen.

Außerdem will die Stadt das Mobilitätsverhalten der Dresdner beeinflussen. Die Grundidee erläutert Fiedler so: Es sollen 80 bis 100 Haushalte befragt werden, unter welchen Umständen sie aufs Auto verzichten würden, es soll für eine gewisse Zeit kostenlosen Zugang zu Leihrädern und Leihautos geben. Die Teilnehmenden müssten mindestens ein halbes Jahr "intensiv begleitet" werden.