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Wann werden Dresdens lauteste Straßen endlich leiser?

Hauptverkehrsstraßen wie die Gerokstraße oder die Königsbrücker Straße sollten längst vom Pflaster befreit sein. Wie die Pläne der Stadt aussehen, um den Lärm an den Straßen zu reduzieren.

Von Kay Haufe
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Die Königsbrücker Straße gehört zu den acht lautesten Straßen Dresdens.
Die Königsbrücker Straße gehört zu den acht lautesten Straßen Dresdens. © Marion Doering

Dresden. Viele Dresdner kennen die Straßennamen schon seit Jahren auswendig, wenn sie nach den lautesten Pflastern der Stadt gefragt werden. Ganz oben stehen die Königsbrücker Straße zwischen Albertplatz und Stauffenbergallee, die Gerokstraße, Teile der Hamburger Straße und der Stauffenbergallee sowie der Loschwitzer und Warthaer Straße. Sie gehören zu den acht Hauptverkehrsstraßen im gesamten Stadtgebiet, auf denen gesundheitsgefährdende Geräuschpegel gemessen werden.

Schuld daran sind oft unsanierte Pflasterbeläge oder scheppernde Betonplatten im Gleisbereich. An einigen dieser Straßen hat die Stadt bereits nachts oder auch tagsüber Tempo 30 angeordnet, denn mit sinkender Geschwindigkeit geht auch der Lärmpegel runter. Eine Dauerlösung ist das nicht. Wann erhalten die Straßen endlich Asphalt?

Wie viele Dresdner leiden unter Straßenlärm?

Über 40.000 Dresdner wohnen an Straßen, deren Lärmpegel über 65 Dezibel liegt. Mehr als 55 Dezibel nachts und 65 Dezibel am Tag können gesundheitliche Folgen haben. Das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall oder Depressionen steigt deutlich. Nachgewiesen wurden Änderungen im Stoffwechsel und Hormonhaushalt, eine Änderung der Gehirnstromaktivität, aber auch schlechter Schlaf, Stresssymptome und hoher Blutdruck.

Dresdens acht lauteste Straßen verlaufen quer durch das gesamte Stadtgebiet. Vor allem holpriges Groß- und Kleinpflaster verursacht dort hohe Abrollgeräusche, aber auch Betonplatten im Gleisbereich sind schuld.

Wie laut es bei ihm vor der Haustür wird, kann jeder Dresdner im Themenstadtplan über den Tag- und den Nacht-Lärmindexen nachlesen. Auf Teilstücken der Königsbrücker, der Hamburger Straße und der Stauffenbergallee überschreiten die Werte deutlich die Gefahrengrenze und liegen nachts zwischen 70 und 75 Dezibel, tagsüber sind es dort sogar bis zu 80 Dezibel. Das ist so laut wie ein Rasenmäher.

Was verursacht den meisten Lärm?

Aus einer Untersuchung zur Fortschreibung des Masterplans Lärm aus dem Jahr 2018 geht hervor, dass rund zwei Drittel der Lärm-Betroffenen aufgrund von Straßenverkehr leiden. Auf den Straßenbahnverkehr sind weitere 20 Prozent zurückzuführen. Der Anteil der Eisenbahn schwankt sehr stark zwischen Tag und Nacht. Während ganztags der Anteil nur etwa elf Prozent beträgt, liegt er nachts bei 17 Prozent. Dabei ist insbesondere der Anteil im Bereich zwischen 50 und 55 Dezibel sehr hoch, der zwar nicht unmittelbar gesundheitsrelevant ist, jedoch starke Belästigungen verursacht. Erstaunlich: Nur rund ein Prozent der Lärmbetroffenheit entfällt tags wie nachts auf den Luftverkehr.

Welche Pläne gibt es zum Straßenausbau?

Bei der Ermittlung der "lautesten Straßen" wurden diese verschiedenen Kategorien zugeordnet. Von höchster Priorität seien die unsanierten Hauptverkehrsstraßen mit besonders hohen Lärmimmissionen, also alle oben genannten, sagt Wolfgang Socher, der Leiter des städtischen Umweltamtes. "Bevor der Ausbau erfolgen kann, sind jedoch - wie bekannt und häufig Gegenstand der Berichterstattung - aufwendige Planverfahren zu absolvieren."

Das Planfeststellungsverfahren für die Königsbrücker Straße soll Ende des Jahres abgeschlossen sein, hofft Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne). Auf einen Termin für einen Baubeginn will sich die Verwaltung aber nicht festlegen. Unmittelbar mit dem Ausbau der Königsbrücker hängt auch der der Stauffenbergallee zusammen, da die Stadt erst eine Straße saniert, bevor sie an der nächsten startet. Das heißt im Klartext, dass dort noch mehrere Jahre vergehen werden, ehe es überhaupt losgeht. Doch inzwischen denkt das Straßen- und Tiefbauamt über eine temporäre Asphaltdecke nach. Konkreteres gibt es dazu aber noch nicht.

Eigentlich längst im Bau sollte die Gerokstraße sein. Bereits 2020 kam eine Information aus dem Straßen- und Tiefbauamt (STA), dass sie bereits zum Jahresende einen neuen Belag haben könnte. Bisher ist nichts davon jedoch zu sehen, der Verkehrslärm durch das Großpflaster nach wie vor enorm.

Nach aktuellen Antworten aus dem STA werde der Bau der Gerokstraße vorbereitet. Aktuell laufe die EU-weite Ausschreibung der Planungsleistungen. Dies sei erforderlich, da die zu erwartenden Planungen einen Nettowert von 215.000 Euro überschreiten werden. Für Anfang 2023 wird mit der Beauftragung eines Planungsbüros gerechnet. Baubeginn: Fragezeichen.

Welches sind die lautesten Stadtteile?

Straßenlärm ist in einer Großstadt wie Dresden nichts Ungewöhnliches. Doch die meisten Menschen können die Geräuschkulisse nicht einfach ausblenden und leiden darunter, wie auch die Auswertung des Familienkompasses Sachsen 2020 zeigt, für den rund 2.500 Dresdner befragt wurden. Bühlau und der Weiße Hirsch gehören da noch mit zu den Stadtteilen, die als ruhig gelten. Dort sagen "nur" 43 Prozent, man höre den Verkehrslärm in der Wohnung. Immerhin genauso viele finden, in Wohn- und Schlafzimmer sei es ruhig. Teils, teils, meinen 13 Prozent.

Als lautester Stadtteil wird dem Familienkompass zufolge die Leipziger Vorstadt wahrgenommen, wo zwei Drittel der Befragten angeben, sie hörten den Verkehrslärm nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Wohnung. Es folgen die Innere Neustadt und die nördliche Johannstadt.

Das deckt sich mit den Untersuchungen der Stadt, in denen die Leipziger Vorstadt mit einem Betroffenheitsindex von 20,3 im Jahr 2017 ganz vorn bei den lautesten Stadtteilen liegt. Danach folgt die Äußere Neustadt mit einem Wert von 17,2 und die Friedrichstadt mit 9,6. Wer Ruhe sucht, dürfte in Kleinzschachwitz am glücklichsten werden. Dort sagen drei Viertel, in den eigenen vier Wänden höre man kaum etwas oder gar nichts.

Ganz Dresden wird im Familienkompass auf einer Skala von 1 bis 5 mit der Note 3,2 bewertet und damit schlechter als alle sächsischen Städte und Gemeinden zusammen, die mit 2,9 bewertet werden.

Was sind die nächsten Schritte der Stadt?

Ziel der Dresdner Lärmaktionsplanung ist seit vielen Jahren die Senkung der Lärmpegel unterhalb der gesundheitlich bedenklichen Pegel auf unter 65 Dezibel tagsüber und 55 Dezibel nachts. Davon ist man allerdings an vielen Stellen weit entfernt. Planungen gehen nur stockend voran, aufgrund von sich ändernden politischen Mehrheiten, aber auch durch Bürgerbeteiligung. Letztgenanntes Instrument wird erfreulicherweise inzwischen öfter genutzt, um mehr Akzeptanz bei den Betroffenen zu finden. Dies alles aber kostet Zeit.

Aktuell arbeitet das Umweltamt an einer neuen Lärmkartierung für den Ballungsraum Dresden und für Gebiete entlang der Hauptverkehrsstraßen auf dem gesamten Territorium der Stadt. Die Ergebnisse werden voraussichtlich in der Mitte des zweiten Halbjahres veröffentlicht.