Wie ein Dresdner nach Corona seine Sinne zurückgewann

Dresden. Es riecht süßlich in der Wohnung von Philipp Grabowski in Dresden-Löbtau. Dabei habe er den Raumduftspender inzwischen schon auf die niedrigste Stufe eingestellt. Der 31-Jährige genießt es, wieder riechen zu können. Bis vor ein paar Wochen war ihm dieser sonst so selbstverständlich erscheinende Sinn zeitweise komplett verloren gegangen. Auch schmecken konnte er nichts mehr.
Es war der Tag vor der Abreise von Mexiko nach Hause. Bis zum März war er allein als Backpacker durch Südamerika gereist. Nun brauchte er für den Rückflug noch einen negativen Schnelltest. Dass das aber vermutlich schiefgehen würde, bemerkte Philipp Grabowski, als er kurz zuvor von seinem Orangensaft trank, der von einem Moment auf den anderen nach gar nichts mehr schmeckte. "Mein erster Gedanke war sofort Corona", erinnert er sich. Am Tag darauf bestätigte der Test seine Befürchtung.

Philipp Grabowski blieb im Hotel und flog erst eine Woche später in die Heimat, nach dem ersten negativen Test. "Das lief alles recht stressfrei, nur Riechen und Schmecken konnte ich weiterhin nicht."
Rund 60 Prozent der Corona-Erkrankten sind von derartigen Symptomen betroffen, sagt Thomas Hummel vom Interdisziplinären Institut für Riechen und Schmecken am Universitätsklinikum Dresden. Wie lange sie andauern, ist jedoch sehr unterschiedlich.
Philipp Grabowski merkte zunächst lange Zeit keinerlei Verbesserung. Er fuhr wieder jeden Tag auf Arbeit ins Walzwerk nach Coswig, dieselte zu Hause seine Wohnung ein, kaufte sich ein Lavendelkissen, roch immer wieder prüfend an normalerweise intensiv duftenden Gewürzen wie Nelke oder Vanille. Nichts. "Ich wollte diese Einschränkung dann wenigstens für eine Diät nutzen, aber leider hatte mein Körper trotzdem ein großes Verlangen nach Zucker."
Zu einem Arzt ging er zunächst nicht, fest in der Annahme, dass da schulmedizinisch sowieso nichts zu machen sei. Erst als sein Vater ihn auf einen Zeitungsartikel hinwies, horchte er auf. Eine Dresdner Ärztin könne bei Riech- und Schmeckstörungen mit Akupunktur helfen, hieß es da.
Fast wieder der Alte
Die Ärztin ist Bettina Hauswald, eine international angesehene HNO-Expertin, die 45 Jahre lang am Dresdner Uniklinikum angestellt war, bevor sie im vergangenen Jahr mit 70 Jahren noch eine Privatpraxis in Kaditz eröffnete.
Bei ihr hatte Philipp Grabowski im August seine erste Akupunktursitzung. Da konnte er zwar wieder ein wenig schmecken, doch riechen war noch unmöglich. "Schon mit den ersten Nadeln in der Haut habe ich wieder Kakao wahrgenommen", sagt er. Der Erfolg war zwar zunächst nur kurzfristig, doch mit jeder Sitzung wurden seine Sinne intensiver. Parallel dazu trainierte er zu Hause mit Riechtests und nahm regelmäßig die ihm empfohlenen Vitamin-A-Tropfen. Nach neun Praxisbesuchen sei er nun wieder fast der Alte, sagt er.

Unterdessen hat sich Philipp Grabowski auch impfen lassen, was ihm vor seinem Backpacker-Trip im vergangenen Jahr noch nicht möglich gewesen war. "Da mein positiver Test aus Mexiko in Deutschland nicht anerkannt wurde, galt ich hier auch nicht als genesen."
Dafür fühlt er sich nun doppelt sicher und geht wieder dreimal in der Woche ins Fitnessstudio - wenn das denn gerade möglich ist. Von der andauernden Debatte um das Impfen und einen neuen Lockdown fühlt er sich dagegen zunehmend genervt - und sucht lieber das Weite. Schon in drei Wochen will er ein neues Reiseabenteuer in Costa Rica starten - ein Hochrisikogebiet, so wie ganz Südamerika. "Egal, das brauche ich jetzt einfach."