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Mehr Hilfe für Dresdner Kinder aus armen Familien geplant

Immer mehr Dresdner gelten als arm. Die Anzahl ist drastisch gestiegen. Um Kindern aus armen Familien mehr zu ermöglichen, gibt es nun einen Vorstoß.

Von Andreas Weller
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Rund 12.000 Kinder in Dresden leben in schwierigen finanzielle Verhältnissen. Für sie soll es Erleichterungen geben.
Rund 12.000 Kinder in Dresden leben in schwierigen finanzielle Verhältnissen. Für sie soll es Erleichterungen geben. © Symbolfoto: dpa/Julian Stratenschulte

Dresden. Die Zahlen sind eindeutig. In Dresden leben derzeit 78.700 Personen, die als armutsgefährdet gelten. Das hat die kommunale Bürgerumfrage der Stadt im vergangenen Jahr ergeben, deren Ergebnisse in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Damit ist die Anzahl der Dresdner mit Armutsrisiko innerhalb von zwei Jahren um 10.000 Personen gestiegen. Darunter sind auch viele Familien mit Kindern und Jugendlichen. Für sie könnte es künftig eine Erleichterung geben.

Als armutsgefährdet gilt, wer als Haushalt weniger als 60 Prozent des mittleren monatlichen Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung hat. Dieses durchschnittliche Nettoeinkommen der Dresdner lag 2020 bei 2.300 Euro pro Haushalt.

Die 78.000 Dresdner mit Armutsrisiko leben in 51.100 Haushalten. In diesen leben rund 12.000 Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig ist die Zahl der als einkommensreich geltenden Dresdner ebenfalls gestiegen - von 27.900 im Jahr 2018 auf nun 30.500 Personen, die in 15.400 Haushalten leben. Als reich gelten Haushalte, die mehr als das Doppelte des mittleren Einkommens zur Verfügung haben.

Stadt soll zehn Euro pro Monat drauflegen

"Diese Zahlen zeigen, dass die soziale Spaltung in Dresden zunimmt", so Linke-Fraktionschef André Schollbach. Armut und Reichtum seien "sehr ungerecht" verteilt. "Wir können als Stadtrat zwar nicht den Kapitalismus abschaffen, aber an bestimmten Stellen für eine Milderung sorgen."

Deshalb hat die Linke jetzt einen Antrag eingebracht, der konkret Kinder aus armen Familien unterstützen soll. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes gibt es monatlich 15 Euro, die Eltern für ihre Kinder beantragen können, um beispielsweise an einer Ferienfahrt teilzunehmen, den Beitrag für einen Sportverein oder einen Kurs an einer Musikschule zu finanzieren. "Das wird aber wenig in Anspruch genommen", sagt Linke-Stadtrat Tilo Kießling. Nur etwa 3.400 Anträge wurden beim Jobcenter dafür eingereicht, bei rund 12.000 berechtigten Dresdner Kindern.

"Entweder die Eltern wissen nicht, dass es diese Unterstützung gibt, der Aufwand ist zu groß oder - und das halte ich für am wahrscheinlichsten - die Eltern haben nicht die Mittel für die Folgekosten", so Kießling. Denn, um im Sportverein mitzumachen, brauchen die Kinder häufig eine Ausrüstung, dazu fallen Fahrtkosten an.

Deshalb beantragt die Linke nun, dass die Betroffenen offensiver informiert werden, dass es diese Unterstützung gibt. Außerdem soll der Zugang erleichtert werden. Der Stadtrat soll darüber hinaus eine Satzung beschließen, mit der die Stadt pro Kind und Jugendlichen zehn Euro pro Monat drauflegt, wenn Familien Geld aus dem Paket bewilligt bekommen haben.

"Armut könnte abgeschafft werden"

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Katja Kipping verweist darauf, dass es ein Grundrecht auf Bildung und Teilhabe gibt. "Die Beantragung muss erleichtert werden, es sollte beispielsweise auch möglich sein, dass Sportvereine die Anträge für die Eltern einreichen können, um den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen."

Ulrich Schneider, der Bundes-Hauptgeschäftsführer des linken-nahen Paritätischen Wohlfahrtverbandes, sieht darin einen guten Ansatz. Er sei zwar gegen das Bundes-Paket in dieser Form, weil sich darum nicht Jobcenter, sondern Jugendämter kümmern sollten, aber es sei ein Versuch, aus dem Paket etwas Konkretes für Kinder zu tun.

Schneider würde gern Armut in Deutschland komplett abschaffen. "Wenn der Hartz-IV-Regelsatz von 446 auf 664 Euro angehoben würde, gäbe es statistisch keine Armut mehr." Das habe der Paritätische durchgerechnet, würde allerdings 24 Milliarden Euro kosten. "Wir hätten es in der Hand, Armut abzuschaffen." Dafür brauche es nur eine politische Mehrheit im Bund.