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"Dresden braucht verbindliche Regeln für E-Roller"

Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) spricht über die Pläne für den Dresdner Verkehr. Vom DVB-Spar-Gutachten ist er "irritiert", warum erklärt er im SZ-Interview.

Von Andreas Weller
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Dresdens Baubürgermeister Stephan Kühn will "überdimensionierte Verkehrsanlagen" zurückbauen.
Dresdens Baubürgermeister Stephan Kühn will "überdimensionierte Verkehrsanlagen" zurückbauen. © Sven Ellger

Dresden. Von den Spar-Vorschlägen für die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) sei er überrascht worden, sagt Dresdens Baubürgermeister. Denn Stephan Kühn (Grüne) hat große Pläne mit den DVB. Welche zusätzlichen Angebote er ausprobieren will, wie der politische Kampf um Dresdens Straßen aus seiner Sicht befriedet werden kann, und was Dresden dagegen tun will, dass E-Roller herumliegen und Plätze verstopfen, verrät Kühn im SZ-Interview.

Herr Kühn, kennen Sie das DVB-Spar-Gutachten?

Nein, es liegt mir bisher nicht vor und ich war auch nicht zu der Sitzung eingeladen, in der es vorgestellt wurde. Ich habe aber als DVB-Aufsichtsratsvorsitzender darum gebeten, dass es im September im Aufsichtsrat vorgestellt wird. Denn es hat für sehr viel Unruhe im Unternehmen gesorgt, dass Details daraus öffentlich geworden sind.

Wie schätzen Sie die Aussagen und Vorschläge ein?

Ich habe mich über einige Aussagen und Vorschläge, die ich in der Zeitung gelesen habe, gewundert. Es irritiert mich, dass die Gutachter-Firma das gleiche Unternehmen ist, dass die DVB regelmäßig einer beihilferechtlichen Prüfung unterzieht und ihnen immer einen wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit den zur Verfügung gestellten Mitteln attestiert und jetzt solche Spar-Vorschläge bringt. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen, weil ich wie gesagt das Gutachten nicht kenne.

Sollen die DVB nicht eine Säule für die Verkehrswende sein?

Der Stadtrat hat beschlossen, dass der öffentliche Nahverkehr von derzeit 20 Prozent Anteil am Gesamtverkehr bis 2030 auf 25 bis 30 Prozent gesteigert werden soll. Dazu soll Dresden deutlich vor 2050 klimaneutral werden, das ist ohne eine Mobilitätswende nicht erreichbar. Deshalb arbeiten wir am Dresdner Mobilitätskonzept 2035+, an dem auch die Bürger beteiligt werden.

Im Stadtrat ist der Verkehrs-Streit neu entflammt. Wird Autofahrern etwas weggenommen?

Mich erreichen zahlreiche Briefe, die kommunale Bürgerumfrage und Petitionen zeigen es: Fehlende Radwege und Verkehrslärm werden von vielen Bürgern der Stadt als die größten Probleme angesehen. Das Rad ist der Gewinner der Corona-Krise. Aber die Infrastruktur ist an zu vielen Stellen in einem schlechten Zustand und reicht nicht aus.

Das zeigt sich bei der Verkehrssicherheit: Dresden hat im sächsischen Vergleich sehr viele Verletzte bei Unfällen mit Radfahrern. Da tun wir etwas, bauen Radvorrangrouten mit Fahrradstraßen, schließen Lücken wie an der Bautzner Straße. Der Stadtrat hat uns auch gerade beauftragt, von der Allgemeinheit genutzte Wege dauerhaft als öffentliche Wege zu sichern. Anfang 2022 werden wir das erste Fußverkehrskonzept vorlegen, um das zu Fuß gehen sicherer und bequemer zu machen.

Aber wird Autofahrern etwas weggenommen?

Eine klimaresiliente Stadt werden wir nicht mit noch mehr Autos erreichen. Deshalb wollen wir Alternativen fördern und multimobile Angebote ausbauen. Das Mobilitätsversprechen für das Auto – einsteigen und losfahren – soll auch für andere Verkehrsmittel gelten. Durch Digitalisierung ist das auch im öffentlichen Verkehr möglich. Wir haben bereits über 30 Mobi-Punkte, 70 sollen es insgesamt werden. Dort kann man ein Leihfahrrad oder ein Car-Sharing-Auto ausleihen und mit Bus und Bahn kombiniert ohne ein eigenes Auto jederzeit mobil sein.

Und wir bereiten derzeit als Pilotbetrieb einen Mobi-Shuttle vor. Das sind kleine Shuttle-Busse, die in Quartieren und zu Zeiten, in denen es kein adäquates Angebot gibt, fahren. Das ist eine Zukunfts-Investition für die DVB als Mobilitätsdienstleister. Die Busse können per App oder Telefon gebucht werden. Dann kommt man nicht nur mit dem Auto von Tür zu Tür, sondern auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Wie teuer wird das und wo fahren die Busse?

Das wird davon abhängen, was die Kunden wünschen. Wird ein Shuttle nur als Zubringer zur nächsten Straßenbahn-Haltestelle bestellt, gilt der normale ÖPNV-Tarif. Wenn die Fahrt aber weitergeht und ohne Umsteigen zum Ziel führt, wird ein Aufpreis zu zahlen sein. Auch die Taxis wollen wir dabei einbinden.

Wie werden Sie dem Ärger um die E-Roller begegnen?

Wir arbeiten an einer Sharing-Strategie mit Leitlinien für diese Mobilitätsdienstleistungen. Anfangs benötigten die Anbieter von E-Rollern nicht mal eine straßenrechtliche Erlaubnis, das hat sich aber durch die aktuelle Rechtsprechung geändert. Wir wollen über die freiwilligen Kooperationsvereinbarungen hinaus verbindliche Regeln, damit die Roller nicht überall herumliegen oder Gehwege verstellen.

Oft stehen ausleihbare E-Roller mitten auf Gehwegen, manchmal liegen sie dort sogar. Das will der Baubürgermeister ändern.
Oft stehen ausleihbare E-Roller mitten auf Gehwegen, manchmal liegen sie dort sogar. Das will der Baubürgermeister ändern. © Sven Ellger

Verstöße werden dann sanktioniert. Die neuen Angebote wollen wir ermöglichen, aber negative Begleiterscheinungen vermeiden. Das Ganze soll nachhaltig, effizient und klimafreundlich sein. Bei der Strategie geht es auch um Car-Sharing-Flächen auf öffentlichen Parkplätzen.

Das klingt aber nach Einschränkungen für den Autoverkehr?

Carsharing-Autos können mehrere private Autos ersetzen. Was die Gestaltung von öffentlichen Plätzen und Straßen angeht, so wünschen sie viele mehr Grün, aber auch mehr Flächen mit guter Gestaltung und hoher Aufenthaltsqualität und nicht nur reine Verkehrsflächen. Am Neustädter Markt zeigt sich beispielsweise, dass eine breite Verkehrsschneise nicht gewünscht ist. Deshalb hat uns der Stadtrat beauftragt, untersuchen zu lassen, wie die Breite der Straße reduziert werden kann.

Oder schauen wir auf die St.-Petersburger-Straße. In der Lingnerstadt entstehen in nächster Zeit etwa 2.000 Wohnungen, Gewerbe und Büros. Der neue Stadtteil und die Innenstadt werden von einer überdimensionierten Verkehrsanlage getrennt. Hier brauchen wir mittelfristig eine angepasste verkehrliche und städtebauliche Lösung.