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Wird die Dresdner OB-Wahl angefochten?

Einige Dresdner haben ihre Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig bekommen. Nun gibt es massive Kritik an Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

Von Julia Vollmer & Dirk Hein
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Dirk Hilbert (FDP), Oberbürgermeister der Stadt und Kandidat für den überparteilichen Verein "Unabhängige Bürger für Dresden", und Eva Jähnigen, Kandidatin der Grünen.
Dirk Hilbert (FDP), Oberbürgermeister der Stadt und Kandidat für den überparteilichen Verein "Unabhängige Bürger für Dresden", und Eva Jähnigen, Kandidatin der Grünen. ©  dpa/Robert Michael

Dresden. Am Sonntag wird es spannend in Dresden: Schafft es Grünen-Herausforderin Eva Jähnigen, Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP) als Oberbürgermeisterin abzulösen?

Doch so zäh der Wahlkampf in Summe auch wahr, zuletzt kam noch mal richtig Aufregung in die Sache. Denn wer Briefwahl machen wollte, wurde vor eine Herausforderung gestellt. Zumindest einige Dresdnerinnen und Dresdner. Eigentlich sollten laut Stadt all jene, die sich im ersten Wahlgang für die Briefwahl entschieden hatten, bis zum 5. Juli ihre Unterlagen erhalten haben.

Doch im SZ-Gespräch musste Wahlleiter Markus Blocher einräumen: Es gab Probleme bei der Zustellung. "Vor allem im Postleitzahlengebiet 01099, also in der Neustadt, sind auch am Dienstagnachmittag noch nicht alle Unterlagen da." Für diejenigen, die in den Urlaub fahren wollen oder am Wochenende aus anderen Gründen nicht in Dresden sind, wurde die Zeit knapp.

Nun gibt es erste Überlegungen, das Wahlergebnis anzufechten. Denn in der betroffenen Neustadt haben die Wählerinnen und Wähler im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit Eva Jähnigen gewählt. Das könnten am Sonntag also die entscheidenden Stimmen sein, die der Umweltbürgermeisterin zum Sieg fehlen. SPD und Linke haben zurückgezogen und unterstützen nun Jähnigen.

Ärger für Hilbert gab es schon im Frühling. Doch die Landesdirektion entschied: Hilbert durfte sich trotz Formfehler zur Wiederwahl stellen. Die Landesdirektion hatte das nach sieben Beschwerden geprüft.

Partei prüft Anfechtung der Dresdner OB-Wahl

Die Piratenpartei kritisiert die Verzögerung. Steve König, Vorsitzender der Dresdner Piraten: "Ich selbst habe erst am Dienstag - sechs Tage vor der Wahl - meine Unterlagen bekommen. Was, wenn ich schon im Sommerurlaub wäre und deswegen Briefwahl beantragt hätte?", fragt er. Das Wahlrecht sei eines der wichtigsten Grundrechte. "Dieser Grundpfeiler unserer Demokratie darf nicht ohne Weiteres angesägt werden. Darum gilt es zu prüfen, ob dieses Recht verletzt wurde - unabhängig davon, wer die Wahl gewinnen wird." Die Piratenpartei prüft eine Anfechtung des Wahlergebnisses.

Bei der Landratswahl in Zwickau sei lediglich anhand von zehn Stimmen entschieden worden und Prognosen für die Dresdner OB-Wahl würden ebenfalls das Bild eines Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Hilbert und Jähnigen zeichnen. "Das Briefwahl-Chaos an sich ist bereits ein politischer Eklat, dass es dadurch jedoch handfeste Bedenken am Ausgang einer demokratischen Wahl geben könnte, ist ein schwerer Skandal", so König.

Auch die Grünen sind entsetzt. "Das Briefwahlchaos in Dresden beschädigt das Vertrauen in die OB-Wahl als zentralen Akt unserer Demokratie. Dieses Organisationsversagen der Verwaltung liegt auch in der Verantwortung von Oberbürgermeister Dirk Hilbert und des Gemeindewahlleiters", betont Klemens Schneider, Sprecher der Grünen. Es müsse dringend überprüft werden, wie viele Menschen wegen dieses Organisationsversagens der Stadtverwaltung ihre Stimme nicht abgeben konnten. Es brauche eine umfassende Aufarbeitung des Geschehens. "Wenn ratlose Bürgerinnen und Bürger am Bürgertelefon teilweise abgewimmelt werden, ist es kein Wunder, dass sie am Ende frustriert sind und wir niedrige Wahlbeteiligungen erleben", so Schneider. SPD-Chef Albrecht Pallas betont, dass grundsätzliche alle Dresdner das Ergebnis anfechten könnten, nicht nur Parteien. "Wir prüfen mit unseren Anwälten", sagt er.

Wie äußert sich Hilbert dazu?

Amtsinhaber Hilbert weist die Verantwortung für das Briefwahlchaos von sich. "Ich habe mich in alle Fragen der Wahl bewusst nicht eingemischt. Ich habe die Organisation in den zuständigen Ämtern gelassen, weil sich ein Einmischen für den Amtsinhaber da nicht gehört." Druck und Versand der Unterlagen seien regulär ausgeschrieben worden. Daraufhin habe sich nur ein Bewerber gemeldet. Es habe keine Auswahl hinsichtlich Kapazität und Schnelligkeit geben können. "Ärgern tut mich das massiv und es wird auch Konsequenzen für weitere Wahlen mit sich bringen", sagt Hilbert. Zukünftig müsse aktiv geschaut werden, dass es genügend leistungsfähige Bieter gibt.

An den Äußerungen von Hilbert gibt es Kritik. "Wenn die Sonne scheint, war es Hilbert, wenn es stürmt, waren es die anderen. Ist Hilbert eigentlich je an irgendwas Schuld oder sind es wirklich immer andere?", ärgert sich die SPD-Co-Vorsitzende Julia Hartl. Sie erwarte mehr Transparenz. "Wenn sich doch von Anfang an abgezeichnet, dass nur ein Unternehmen sich beworben hat, ist es doch Aufgabe des OB herauszufinden, was da los ist und was das für Konsequenzen mit sich bringt."

Wie will die Stadt nun das Problem lösen?

Auf Anfrage von Sächsische.de, ob und in welchen Postleitzahlengebieten es weiter Probleme mit der Zustellung gab in dieser Woche, heißt es lapidar: "Dazu ist der Stadtverwaltung nichts mehr bekannt." Es bleibt also unklar, ob nun alle Wählerinnen und Wähler ihre Unterlagen haben.

Die Stadt wies zuletzt immer wieder auf die Chance hin, im Briefwahlbüro zu wählen. Aber: Dort können nur Personen Briefwahlunterlagen abholen oder direkt wählen, die weder für den ersten noch für den zweiten Wahlgang Briefwahlunterlagen beantragt haben. Dies habe den Grund, dass sonst zweimal Briefwahlunterlagen für nur einen Wahlberechtigten oder eine Wahlberechtigte im Umlauf wären, verteidigt sich das Rathaus. Und muss einräumen: "Wahlberechtigte, die bereits Briefwahlunterlagen beantragt haben, wurden deswegen wieder nach Hause geschickt und gebeten, auf die Zustellung der Unterlagen zu warten. In Einzelfällen wurde ein neuer Wahlschein ausgestellt." Auch hier bleibt offen, wie viele Menschen das betrifft.

Es gibt aber noch eine Chance. Versichert ein Wahlberechtigter glaubhaft, dass ihm der beantragte Wahlschein mit Briefwahlunterlagen nicht zugegangen ist, könne am Samstag, 9. Juli, von 9 bis 12 Uhr im Briefwahlbüro ein neuer Wahlschein erteilt und auch per Sofortbriefwahl gewählt werden.