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Napoleons letzte Schanze in Dresden

Oberhalb der Mordgrundbrücke standen im Jahr 1813 Kanonen bereit. Ein Blick in Dresdens bewegte Geschichte.

Von Peter Hilbert
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Revierförster Thomas Stelzig (l.) und Archäologe Thomas Westphalen stehen auf einem Wall der Napoleonschanze. Sie ist das größte archäologische Denkmal in der Dresdner Heide.
Revierförster Thomas Stelzig (l.) und Archäologe Thomas Westphalen stehen auf einem Wall der Napoleonschanze. Sie ist das größte archäologische Denkmal in der Dresdner Heide. © Sven Ellger

Dresden. Unscheinbar ist der Wall oberhalb des einstigen Steinbruchs an der Mordgrundbrücke, auf dem Thomas Stelzig und Thomas Westphalen stehen. Während viele Spaziergänger hier vorbeigehen, ohne genauer hinzusehen, kennen der Bühlauer Revierförster und der Abteilungsleiter im Landesamt für Archäologie die Bedeutung der Napoleonschanze. „Sie ist die letzte vollständig erhaltene Schanze in Dresden“, sagt Westphalen.

Nicht nur in Stelzigs Revier, das sich von der Heidemühle bis zum Rochwitzer Tännicht erstreckt, sondern in der gesamten Dresdner Heide ist die Napolenschanze das größte archäologische Denkmal. Darüber hinaus gebe es in seinem Revier nur noch einige bronzezeitliche Hügelgräber. „Doch die meisten Leute, die hier vorbeigehen, sehen die Napoleonschanze nicht“, sagt der Förster. „Bei geführten Wanderungen bleiben wir aber hier stehen und erklären ihre Bedeutung.“

Der Ursprung: Anlage im Siebenjährigen Krieg gebaut

Errichtet wurde die Schanze 1760 von den Preußen während des Siebenjährigen Krieges, erklärt Archäologe Westphalen. Sie war eine bedeutende Stellung an der Heerstraße zwischen der sächsischen Residenz und dem umstrittenen Schlesien. Angelegt wurde ein Rechteck von Wällen und dem Graben in der Mitte. Etwa zehn Kanonen könnten hier gestanden haben, schätzt der Fachmann.

Die Lage: Gute Kontrolle der Heerstraße nach Schlesien

„Die Lage über dem Elbtal war hervorragend.“ Einerseits führte die Heerstraße vorbei. Andererseits lagen die Schiffsverbindung über die Elbe und eine Furt zwischen Loschwitz und Blasewitz unterhalb der Schanze. „Vor hier aus ließ sich alles hervorragend kontrollieren“, erläutert Westphalen. Preußenkönig Friedrich der Große ließ mit seiner Artillerie am 19. und 20. September 1760 Dresden beschießen und zerstörte die Stadt.

Die Napoleonschanze hat eine hervorragende Lage. Direkt darunter führte damals an der heutigen Mordgrundbrücke die Heerstraße nach Schlesien vorbei. Von dort bietet sich auch guter Blick über Dresden.
Die Napoleonschanze hat eine hervorragende Lage. Direkt darunter führte damals an der heutigen Mordgrundbrücke die Heerstraße nach Schlesien vorbei. Von dort bietet sich auch guter Blick über Dresden. © SZ/Peter Hilbert

Die Anlage war Teil eines Schanzengürtels um Dresden. Erhalten sind noch Reste einer Anlage im SachsenEnergie-Gelände mit den Trinkwasser-Hochbehältern an der Fischhausstraße, die aber bei weitem nicht so gut wie die Schanze am Mordgrund erhalten ist. Am Fischhaus gibt es auch auf der anderen Seite der Straße nach Radeberg noch Reste einer weiteren Schanze. „Von dort aus konnte sie beschossen werden“, sagt der Archäologe. Die größte Befestigung war die sogenannte Redoute, was ein größerer geschlossener Festungsbau ist, am Meisenberg auf dem heutigen Waldschlößchenareal. Die Redoute wurde aber 1909 abgetragen. Außerdem gibt es kleine Reste einer Schanze an der neuen Feuerwache bei der einstigen Heeresbäckerei an der Königsbrücker Straße.

1778/79 gewann die Schanze am Mordgrund im bayerischen Erbfolgekrieg noch einmal an Bedeutung. Den führten Preußenkönig Friedrich der Große und Sachsen gegen Kaiser Joseph II. Dabei ging es um die Stellung Österreichs im Reich nach Aussterben der bayerischen Linie der Wittelsbacher am 30.12.1777.

Der Krieg: Brücke 1813 gesprengt und Schanzen aktiviert

Das nächste Mal wurde die Schanze 1813 aktiviert, als die Sachsen mit den Franzosen unter Kaiser Napoleon verbündet waren. Seitdem trägt sie auch den Namen Napoleonschanze. Die Elbe war die Demarkationslinie zwischen den Franzosen und ihren Verbündeten sowie ihren Gegnern. So wurde Torgau zur Festung ausgebaut und auch Dresden mit seinem Schanzengürtel wurde weiter befestigt. In dem Zuge ließen die Franzosen zwei Bögen und einen Pfeiler der Augustusbrücke sprengen, um die strategisch wichtige Elbquerung zu unterbrechen.

Auch im Untergrund sind noch Reste der Festungsanlagen von Dresden erhalten. Archäologe Thomas Westphalen steht hier vor der spätmittelalterlichen Brücke am Frauentor, die in der Tiefgarage unterm Neumarkt zu sehen ist.
Auch im Untergrund sind noch Reste der Festungsanlagen von Dresden erhalten. Archäologe Thomas Westphalen steht hier vor der spätmittelalterlichen Brücke am Frauentor, die in der Tiefgarage unterm Neumarkt zu sehen ist. © Marion Doering

Die letzten erhaltenen Teile der Festung Dresden über der Oberfläche sind die Brühlsche Terrasse und der Zwinger. Im Untergrund sind unter anderem noch Reste der Festungsbastionen oder in der Tiefgarage unter dem Neumarkt Reste einer Brücke am Frauentor erhalten.

Am 26. und 27. August 1813 fand die Schlacht um Dresden zwischen französischen Truppen unter Napoleon und der Hauptarmee der verbündeten Koalitionäre Österreich, Preußen und Russland unter Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg statt. Napoleon errang hier einen seiner letzten Siege auf deutschem Boden.

Das ist eine Szene der Schlacht bei Dresden am 26./27. August 1813. Zu sehen ist Napoleon auf dem Feldherrnhügel in Strehlen.
Das ist eine Szene der Schlacht bei Dresden am 26./27. August 1813. Zu sehen ist Napoleon auf dem Feldherrnhügel in Strehlen. © Stadtmuseum Dresden. Repro aus: Zschertnitz. Aus d

Allerdings kämpften die Truppen auf der anderen Elbseite im Süden und Osten von Dresden, so in Strehlen oder im Bereich des Großen Gartens. Von der Napoleonschanze aus konnten die Kämpfe nur aus der Ferne verfolgt werden. Bei der Schlacht, an der etwa 250.000 Soldaten teilnahmen, gab es rund 20.000 Gefallene, erklärt Westphalen.

Der Fund: Gebeine von französischem Soldaten entdeckt

Die Gefallenen wurden damals vor allem in Massengräbern bestattet. Einer von ihnen war vor etwa 15 Jahren an der Niedersedlitzer Windmühlenstraße bei Schachtarbeiten unter einem Keller entdeckt worden, berichtet Westphalen. „Wenn Skelette aus der Zeit vor 1900 stammen, bekommen wir einen Anruf von der Kripo.“ So war es in diesem Falle. „Wir haben aber nicht nur Knochen, sondern auch noch die erhaltene Uniform mit Knöpfen gefunden. In den Knöpfen war auch der Name der Einheit eingeprägt, in der der gefallene französische Soldat gekämpft hatte.

Direkt neben dem Weg oberhalb des Steinbruchs an der Mordgrundbrücke ist die Napoleonschanze zu sehen.
Direkt neben dem Weg oberhalb des Steinbruchs an der Mordgrundbrücke ist die Napoleonschanze zu sehen. © SZ/Peter Hilbert

Die Perspektive: Förster hält Hinweistafel für nötig

Zur Zeit des Baus und der Nutzung der Napolenschanze gab es in dem Bereich keinen Wald, erläutert der Archäologe. Er war wahrscheinlich als Brennholz oder für den Bau von Palisaden und weiteren Bauwerken abgeholzt worden. Heute liegt die Napoleonschanze inmitten des Waldes am Rande der Dresdner Heide. Die Bedeutung des archäologischen Denkmals ist Revierförster Stelzig durchaus klar. „Wir nehmen bewusst Rücksicht“, sagt er. Wenn beispielsweise alle zehn Jahre Holz gefällt werden muss, würden keine größeren Fahrzeuge eingesetzt, die die Napoleonschanze beschädigen könnten. Schließlich soll sie als letztes Bauwerk des Dresdner Schanzengürtels auch kommenden Generationen erhalten bleiben. Er schlägt vor, dass hier künftig eine Hinweistafel mit Informationen zur Napolenschanze aufgestellt wird. Dann könnten Spaziergänger mehr über ihre wichtige Rolle erfahren.

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