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Bürgermeisterwahl in Dresden: Nur drei von vier Posten können neu besetzt werden

Der Dresdner Bürgermeisterstreit geht in eine weitere Runde: Nur drei von vier Posten konnten am Donnerstag besetzt werden. Der Verlierer des Abends ist die CDU. Unser Newsblog zum Nachlesen.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Der Dresdner Stadtrat hat am Donnerstag über vier von fünf Bürgermeister entschieden.
Der Dresdner Stadtrat hat am Donnerstag über vier von fünf Bürgermeister entschieden. © Sven Ellger

Beigeordnetenwahl in Dresden - das Wichtigste in Kürze:

  • Diese Bürgermeister sind am Donnerstag gewählt worden: Annekatrin Klepsch (Linke, Kultur), Eva Jähnigen (Grüne, Umwelt) und Kristin Kaufmann (Linke, Soziales)
  • CDU-Kandidat Steffen Kaden (vorgesehen für Wirtschaft) scheiterte auch im zweiten Wahlgang.
  • Den Wahlen vorausgegangen waren vier gescheiterte Wahlversuche seit August, woraufhin Moderatoren zwischen dem Stadtrat und dem OB vermittelt haben.
  • Der Moderatoren-Vorschlag sah einen Bürgermeisterposten weniger.

21.10 Uhr: Bürgermeisterwahlen sind vorerst beendet

Der Dresdner Stadtrat widmet sich nun wieder Themen fernab der Bürgermeisterwahlen. Offen bleibt damit - zumindest bis zur nächsten Stadtratssitzung im März - der zukünftige Posten für Wirtschaft und Digitalisierung.

20.58 Uhr: Sozialbürgermeisterin gewählt

Bevor die Wahl der Sozialbürgermeisterin ansteht, äußert sich CDU-Fraktionschef Peter Krüger zur gescheiterten Wahl des CDU-Stadtrates Steffen Kaden. "Wir haben gerade ein denkwürdiges Ergebnis erzielt. Wir haben als CDU bisher zur Zusage gestanden und wir werden auch bei der vierten Wahl zu unserer Zusage stehen."

Kristin Kaufmann (Linke) ist nun an der Reihe, sie ist die einzige Kandidatin für den Bereich Soziales, war bereits in den vergangenen sieben Jahren Sozialbürgermeisterin.

Sie ist die einzige Kandidatin, die es heute im ersten Wahlgang schafft. Kaufmann erhält 44 der 70 Stimmen und damit mit Abstand das beste Ergebnis. Auch für sie erklärt Hilbert sein Einvernehmen.

Damit ist der Plan von OB Hilbert, mehr Konservative in die Stadtspitze zu bekommen, zunächst gescheitert. Die CDU ist der große Verlierer des Abends. Kaden kann aber in der kommenden Stadtratssitzung erneut zur Wahl gestellt werden.

20.29 Uhr: CDU-Kandidat gescheitert

Steffen Kaden (CDU) heißt der einzige Bewerber, der formal er als Bürgermeister für Ordnung und Sicherheit antritt. Sobald die neue Hauptsatzung angewendet werden kann, wird daraus aber Wirtschaft und Digitalisierung.

Kaden, bisher Stadtrat, erhält 28 der 69 Stimmen. Auch er muss in den zweiten Wahlgang - das Bündnis scheint weiter zu bröckeln.

Im zweiten Wahlgang gibt es schließlich eine Enthaltung, für Kaden stimmten 34 Räte und 34 gegen ihn. Damit ist die Wahl von Kaden gescheitert. Die CDU nimmt eine Auszeit.

19.56 Uhr: Umweltbürgermeisterin gewählt

Als einzige Kandidatin für den Umwelt-Bereich geht Eva Jähnigen ins Rennen. Die Grünen-Politikerin war die vergangenen sieben Jahre bereits Umweltbürgermeisterin. Jähnigen stellt sich zunächst vor.

Im ersten Wahlgang gibt es 35 Stimmen für Jähnigen, allerdings hätte sie 36 benötigt, um eine Mehrheit der 70 Anwesenden zu bekommen.

Nun startet der zweite Wahlgang. In diesem erhält sie 35 Ja-Stimmen, 31 Räte stimmen mit Nein und es gibt mehrere Enthaltung und ungültige Stimmen. Damit ist Jähnigen gewählt. Auch für sie erklärt Hilbert sein Einvernehmen.

Wie bei Klepsch fehlten Jähnigen Stimmen aus dem Lager, das dem Schlichterspruch eigentlich folgen wollte - also Grüne, CDU und Linke. Sie haben, mit der Stimme von OB Hilbert, eigentlich 37. "Ich freue mich sehr über das Vertrauen des Stadtrates, ich will gerne die neuen und alten Aufgaben anpacken", so Jähnigens Reaktion.

Annekatrin Klepsch (Linke) bleibt Kulturbürgermeisterin
Annekatrin Klepsch (Linke) bleibt Kulturbürgermeisterin © Sven Ellger
Auch Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) wurde wieder gewählt.
Auch Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) wurde wieder gewählt. © Sven Ellger
Das Opfer der unverlässlichen Absprachen: Steffen Kaden (CDU) erhielt keine Mehrheit.
Das Opfer der unverlässlichen Absprachen: Steffen Kaden (CDU) erhielt keine Mehrheit. © Sven Ellger

19.23 Uhr: Erste Bürgermeisterin nach Zitterpartie gewählt

Nun wird gewählt. Gestartet wird mit dem Bereich Kultur und Tourismus. Die bisherige Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) stellt sich vor. Danach kann sich Bewerberin und Stadträtin Susanne Dagen (Freie Wähler) vorstellen.

Für Klepsch stimmten 34 Räte, 17 Stimmen waren ungültig, 18 stimmten für Dagen. Damit ist die Wahl gescheitert, weil 35 Stimmen für eine Mehrheit der Anwesenden notwendig gewesen wären. Es kommt zum zweiten Wahlgang. Klepsch fehlte nur eine Stimme. Das bedeutet, dass mindestens drei Stimmen von Linke, Grüne und CDU fehlten. Im zweiten Wahlgang reicht Klepsch eine einfache Mehrheit.

Im zweiten Wahlgang erhielt Klepsch 37 Stimmen und 31 Gegenstimmen. Damit bleibt die Linken-Politikerin Kulturbürgermeisterin. "Ich bin dankbar und froh, dass es jetzt Klarheit gibt, es war eine monatelange Hängepartie. Ich kehre mit Freuden ins Rathaus zurück", so Klepsch. OB Hilbert erklärte danach sein Einvernehmen. Die Bürgermeister sollen noch heute von OB Hilbert vereidigt werden, im Anschluss an die anderen Wahlen.

Bei der Wahl wird genau geschaut, ob alle Stimmen gezählt wurden.
Bei der Wahl wird genau geschaut, ob alle Stimmen gezählt wurden. © Sven Ellger

17.45 Uhr: Debatte um Hauptsatzung beginnt: Künftig nur noch sechs Bürgermeister?

"Es erfüllen sich damit nicht alle Wünsche, aber ich werde dem Vorschlag der Moderatoren folgen", erklärt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) zum Start in die Diskussion. Die neue Hauptsatzung umfasst nur noch sechs statt bisher sieben Bürgermeister. Als neuer Geschäftsbereich kommt Wirtschaft und Digitalisierung dazu, der bisherige Finanzbereich von Peter Lames (SPD) wird zerlegt. OB Hilbert bekommt die Zuständigkeit für Finanzen und dadurch einen Machtzuwachs.

Gewählt wird aber noch nach den alten Zuschnitten, weil die neue Hauptsatzung, wenn sie beschlossen wird, erst nach der Veröffentlichung in Kraft tritt. Aus diesem Grund wird heute auch formal ein Bürgermeister für Ordnung und Sicherheit gewählt. Der Bewerber, Steffen Kaden (CDU), soll aber für Wirtschaft und Digitalisierung zuständig sein.

Die AfD fordert, dies abzulehnen und die Stellen neu auszuschreiben. Ein entsprechender Antrag wurde vorgestellt. Kritikpunkte sind, dass die Ausschreibung lange zurückliegt, Wirtschaft und Digitalisierung wurde gar nicht ausgeschrieben.

Stadtrat Johannes Lichdi (Dissidenten) sagt, die Grundidee sei die Zerschlagung von Lames Bereich. "Es ist eine schlechte Lösung, Finanzen dem OB zu unterstellen. Aber Hilbert ist erst im Sommer 2022 wiedergewählt worden." Deshalb sei seine Forderung nach mehr Macht "legitim". Die CDU habe sich im August verweigert, eine Zweidrittelmehrheit gegen den OB zu schmieden und damals die Bürgermeister gegen dessen Willen zu wählen." Die Dissidenten werden der Änderung der Satzung zustimmen, weil sie mehrere ihrer Forderungen zum Klimaschutz reinverhandelt haben. "Klimaschutz wird endlich Chefsache", so Lichdi.

Es sei ein Kompromiss, betont Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. "Es ist bitter, dass die Vereinbarung zwischen CDU, Grünen, Linken und SPD so nicht mehr anwendbar war, nach der Wahl von Hilbert als OB." Wegen der Einvernehmensregelung in der Gemeindeordnung sei keine Zweidrittelmehrheit gegen den OB möglich. "Wir wollen unserem Gestaltungsanspruch nachkommen", so Filius-Jehne. Es liege kein anderer Vorschlag vor, der den Ansprüchen genüge.

"Es ist an der Zeit, diese Hängepartie zu beenden", so Linke-Fraktionschef André Schollbach. "Es ist keine wirklich gute Lösung." Eine ideale Lösung habe im August zur Abstimmung gestanden, für die es auch eine Mehrheit gab, aber eben nicht das Einvernehmen von OB Hilbert. Die Linke sei bereit gewesen, einen Bürgermeister der FDP zuzustimmen. "Und das wäre eine echte Zumutung gewesen." Die Linke akzeptiere das Ergebnis, auch wenn sie es nicht für ideal hält. Auf die Kritik, die Linke werde nun enger mit der CDU und dessen Fraktionschef Peter Krüger zusammenarbeiten, sagte Schollbach. "Hier wurde über angebliche Koalitionen gefaselt. Ich bin doch nicht bescheuert und gehe mit Herrn Krüger eine Koalition ein."

Seit Sommer 2022 habe es endlos viele Runden gegeben, so Krüger. Wirtschaft und Digitalisierung erfordern neue Wege und Verantwortlichkeiten, betont er. "Fachkräftesicherung wird ein Motor und Indikator dafür sein, ob wir künftig alle Herausforderungen in unserer Stadt meistern können." Man müsse Verantwortung für die Stadt übernehmen und den Streit beenden.

Die ausgebootete SPD bewertet dies etwas anders. "Das ist Murks und dafür steht die SPD nicht zur Verfügung", so Fraktionschefin Dana Frohwieser. Es sei der einfachste Weg und bequem. "Hauptsache wir wählen irgendwas. Das ist ein Armutszeugnis." Sie kritisierte die neue Verteilung, die nur der kleinste gemeinsame Nenner. "Finanzen beim Oberbürgermeister sind eine gefährliche Machtfülle." Die Struktur löse keine Probleme, sondern schaffe neue.

Die Chance für den Verwaltungsumbau hätte man besser nutzen sollen, kritisierte FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. "Es ging zu keinem Zeitpunkt darum, die beste Lösung für die Stadt zu finden." Die FDP habe lediglich für sich ausgeschlossen, einen achten Bürgermeisterposten zu schaffen. Die Moderation sei aus FDP-Sicht gescheitert, zumal die Fraktionen bereits über Inhalte gesprochen hätten. "Es ging nur um das Wohl von ein paar Wenigen, um Posten für Grüne, Linke und CDU. Wenn es nur darum ging, die SPD außen vor zu lassen, denn nur dafür wurden die Moderatoren geholt: das hätten Sie einfacher haben können."

Freie-Wähler-Fraktionschef Jens Genschmar bedankte sich bei OB Hilbert, dass seine Fraktion einbezogen wurde. "Damit hört das Positive schon auf. Der Weg, Moderatoren, einzubeziehen, ist ein Armutszeugnis. Am Ende ist das Ergebnis, dass die Mehrheit geschrumpft ist, man einen Partner über die Klinge springen ließ." Er könne nicht verstehen, weshalb der OB sein Einvernehmen erklären will. Der OB habe im August gesagt, Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) habe "versagt." "Die Linken geben sich her, Grün-Schwarz voranzutreiben."

In der Abstimmung wurde der AfD-Antrag abgelehnt. Der neuen Hauptsatzung stimmten Grüne, Linke, CDU und Dissidenten zu. Am Ende wurde dieser mit 39 Stimmen dafür zugestimmt. Das bedeutet, die Bürgermeisterriege wird auf sechs festgelegt, sobald die Satzung veröffentlicht ist. Allerdings stimmte Linke-Stadtrat Christopher Colditz aus dem neuen Bürgermeister-Bündnis von OB, CDU, Linke und Grünen dagegen. "Ich konnte dieser Machtkonzentration beim Oberbürgermeister durch die vorgeschlagene Übertragung des Finanzressort in seinen Kompetenzbereich nicht zustimmen. Hilberts Ziel damit ist es, sich der demokratischen Kontrolle durch die gewählten Beigeordneten zu entziehen. Wenn er dazu noch ankündigt, sein Einvernehmen der mehrheitlich gewollten und gewählten Bürgermeister*innen wieder nicht zu erteilen, sollten wir uns seiner Erpressung nicht ergeben. Dieses Agieren ist eines Oberbürgermeisters unwürdig und schädlich für alle künftigen demokratischen Prozesse in dieser Stadt. Hilbert hat in den letzten Monaten gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, in so einem schwierigen Prozess seiner Rolle als Oberbürgermeister gerecht zu werden und zu vermitteln, um eine am Wohl der Stadt orientierte Lösung zu finden. Zum Dank bekommt er jetzt noch mehr Macht und damit noch mehr Möglichkeiten für künftige Erpressungsversuche. Das ist keinem vernünftigen Menschen mehr zu vermitteln. Mit meinem Gewissen und meiner linken Grundhaltung ist deshalb definitiv nicht vereinbar, der Änderung der Hauptsatzung meine Zustimmung zu geben."

16.28 Uhr Erste Versuche, Unruhe zu stiften

In der Debatte um die Tagesordnung wurden mehrere Anträge gestellt, die die Wahlen betreffen. Jens Genschmar (Freie Wähler) wollte die Reihenfolge ändern - den CDU-Vorschlag vor den der Grünen ziehen. Dies wurde abgelehnt. Michael Schmelich forderte für die Dissidenten, dass die Bewerberinnen und Bewerber sich vorstellen und es eine Aussprache dazu gibt. Die Aussprache wurde auf CDU-Antrag gestrichen. Aber nun hat jede Bewerberin und jeder Bewerber fünf Minuten Zeit, sich vorzustellen. Das bedeutet, die Punkte werden länger dauern, als zunächst geplant.

Zu einer weiteren Verzögerung wird der Antrag von Vincent Drews (SPD) führen. Der Rat stimmte zu, dass vor den Wahlen noch alle Punkte ohne Debatte abgestimmt werden. Vor den Wahlen sind noch Fragerunden und eine Debatte um die Änderung der Hauptsatzung, zu der viele Redebeiträge erwartet werden.

10.30 Uhr: Lames gibt Rückzug bekannt

Sieben Jahre lang war Peter Lames (SPD) Finanzbürgermeister in Dresden. Bis zuletzt kämpfte seine Fraktion darum, den Juristen weiter im Amt halten zu können. In einem Brief an OB Hilbert teilte Lames wenige Stunden vor der Wahl am Donnerstag mit, dass seine "Bewerbung sich auf keines der heute zur Wahl stehenden Beigeordnetenämter bezieht" und er daher für keine Kandidatur mehr zur Verfügung stehe.

Der Dresdner SPD-Politiker Peter Lames zieht seine Bürgermeisterkandidatur zurück.
Der Dresdner SPD-Politiker Peter Lames zieht seine Bürgermeisterkandidatur zurück. © Christian Juppe

Zum Hintergrund: Weil Dresden den Konflikt um die Neubesetzung nicht selber lösen konnte, wurden mit Gunda Röstel, früher Bundessprecherin der Grünen, sowie mit Thomas de Maizière, ehemaliger Bundesminister der CDU, zwei Schlichter eingesetzt. Deren Schlichterspruch sah vor, dass OB Hilbert zukünftig auch für die Finanzen der Stadt zuständig sein soll. Für Lames war damit kein Platz mehr.

"Für den nunmehr angestrebten Weg, dem Oberbürgermeister neben seinem uneingeschränkten Weisungsrecht gegenüber allen Beigeordneten auch noch die unmittelbare Finanzverantwortung der Stadt und die wirtschaftliche Kontrolle der städtischen Unternehmen zu übertragen, stand und stehe ich in keiner Funktion zur Verfügung", sagt Lames.

Große Veränderungen in der Stadt und strategische Entscheidungen müssten OB und Finanzbürgermeister zusammen treffen. "Dem Ansinnen des Oberbürgermeisters, diesen Prozess auf Ebene der Stadtspitze alleine in der Hand zu haben, wollte ich mich nicht unterwerfen."

Lames wird zukünftig wieder als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden arbeiten. Der SPD-Politiker ist der zweite ehemalige Bürgermeister, der lange um eine weitere Amtszeit gekämpft hat, schlussendlich aber zurückzog. Vorher hatte diesen Entschluss bereits der ehemalige Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) vollzogen.