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Erst 19 von 850 DVB-Wartehäuschen getauscht: Warum Dresden so hinterherhinkt

Im Sommer 2024 sollten eigentlich alle 850 neuen Wartehäuschen in Dresden stehen. 19 hat die Stadt bislang geschafft. Warum das so ist und wo neuer Streit droht.

Von Dirk Hein
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Am Promenadenring in Richtung Pirnaischer Platz stehen bereits die neuen Wartehäuschen. Im Rest von Dresden geht es erheblich langsamer voran.
Am Promenadenring in Richtung Pirnaischer Platz stehen bereits die neuen Wartehäuschen. Im Rest von Dresden geht es erheblich langsamer voran. © Christian Juppe

Dresden. Es war eines der Aufreger-Themen der vergangenen Jahre: Weil eine Mehrheit im Stadtrat es so wollte, fiel im Frühjahr 2021 die Entscheidung, alle etwa 850 Haltestellen der Dresdner Verkehrsbetriebe im Stadtgebiet gegen neue auszutauschen. Der Widerstand damals war groß - und noch immer gibt es Ärger.

Warum bestand Dresden auf neue Wartehäuschen?

Anfang 2021 wurde in der Dresdner Stadtpolitik ein Thema besonders hart und emotional diskutiert: Der Abriss aller etwa 850 Wartehäuschen der DVB stand zur Debatte. Aus Sicht der Stadt war das unumgänglich. Zum einen sahen alte Verträge die Neuausschreibung der Werbeflächen an den Wartehäuschen und in diesem Zusammenhang den Abriss der Unterstellmöglichkeiten vor.

Zum anderen wären diese zum Zeitpunkt des geplanten Abrisses etwa 30 Jahre alt und müssten aus Sicht der Stadt dringend durch neue und modernere Haltestellen ersetzt werden. Möglichst viele neue Haltestellen sollen in diesem Zusammenhang begrünt werden. Der Rat stimme nach hitzigen Debatten zu.

Vor allem Linke, SPD und Freie Wähler lehnten den Abriss der alten Wartehäuschen ab. Zum einen hätte zum Beispiel aus Sicht der Linke die Stadt die Wartehäuschen samt Werbung daran selber betreiben und diese Aufgabe nicht an eine externe Firma abgeben müssen. Dadurch hätten höhere Werbeeinnahmen erlöst werden können. Auch wichtig: "Der Austausch ist sinnlos. Die alten Wartehäuschen hätten noch viele Jahre genutzt werden können, jetzt landen sie auf dem Schrott", sagt Stadtrat Tilo Kießling (Linke).

Wieso kommt der Austausch nicht voran?

Seit Anfang 2023 ist die Wall GmbH, die erneut die Ausschreibung für den Aufbau und Betrieb der Unterstellmöglichkeiten gewonnen hatte, nun dafür zuständig, die alten Wartehäuschen abreißen zu lassen. Das ist jedoch tatsächlich aufwändig. Zudem bestand die Gefahr, dass zuerst alle Unterstände abgerissen werden und erst Wochen später neue aufgebaut worden wären. Die Dresdner hätten sprichwörtlich im Regen gestanden.

Um das zu vermeiden, wollte die Stadt den Wechsel der Unterstände fast immer mit regulären Bauarbeiten verbinden. Dennoch war es der Plan, den Umbau etwa anderthalb Jahre später, also im Sommer 2024, weitgehend abgeschlossen zu haben.

Doch Dresden rennt diesem Zeitplan weit hinterher. Im April 2024 hatte Stadtrat Tilo Kießling das erste Mal nachgefragt, wie viele neue Wartehäuschen aufgebaut wurden. Die ernüchternde Antwort damals: ganze sieben Stück.

Knapp fünf Monate später wurden im Auftrag des Rathauses zwölf weitere Haltestellen erneuert. Hinzugekommen sind beispielsweise Unterstellmöglichkeiten an der Bürgerstraße, am Rathaus Pieschen, an der Spitzwegstraße und am Kronstädter Platz in Laubegast.

Insgesamt wurden in Dresden damit 19 von 850 Wartehäuschen getauscht.

Warum wird jetzt auch ums Geld gestritten?

"Angesichts des Schneckentempos beim Tausch der Wartehäuschen sollte man darauf ganz verzichten", sagt Stadtrat Kießling. Seine Vermutung: Der Austausch sei nicht nur sinnlos, er koste die Stadt sogar Geld, obwohl das im Vorfeld ausgeschlossen wurde. "Es wurde immer der Eindruck erweckt, dass die Wall GmbH für alle Kosten aufkommt"

Um das zu klären, fragte Kießling im Rathaus nach, ob für den Austausch der Wartehäuschen Interimshaltestellen oder Sperrungen notwendig waren - und wer dafür bezahlt hat. "Es gibt das Ziel, für den Austausch der Fahrgastunterstände ohnehin vorgesehene Baumaßnahmen und sich daraus ergebende Veränderungen im ÖPNV-Netz zu nutzen. Teilweise sind dafür Interimshaltestellen nötig", antwortete OB Dirk Hilbert auf die Anfrage. Die Kosten dafür könnten noch nicht beziffert werden. "Wir befinden uns dazu im Austausch mit der DVB und der Wall GmbH."

Kießling kritisiert diese ausweichende Antwort, will jetzt für jede Haltestelle die Zusatzkosten abfragen. "Wenn diese bei etwa 1.000 Euro pro Haltestelle liegen, ist schnell eine Million Euro zusammen".

Im Mai 2022 stellte die Wall GmbH erstmals die neuen Unterstände im Design des britischen Stararchitekten Norman Foster vor.
Im Mai 2022 stellte die Wall GmbH erstmals die neuen Unterstände im Design des britischen Stararchitekten Norman Foster vor. © Montage: PR/Wall GmbH

Wie das Dresdner Rathaus und die Wall GmbH reagieren

Eine aktuelle Anfrage, warum es weiterhin zu so deutlichen Verzögerungen kommt, ließ die Stadt unbeantwortet. Zuletzt hatte Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) erklärt, dass für viele der Wartehäuschen einzelne Bauanträge notwendig seien. Von der Firma Wall würden jedoch nicht genügend Bauanträge vorliegen.

Wall sah dies in einer ersten Stellungnahme damals schon anders. "Wir befinden uns seit rund zwei Jahren in einem engen Austausch mit der zuständigen Verwaltung der Landeshauptstadt, um das Bauverfahren zu starten", so Sprecher Christian Knappe im April. Mehr als 350 Fahrgastunterstände seien fertig montiert. Fehlende Genehmigungen und ein abgestimmtes Bauprogramm würden jedoch den Start der Baumaßnahmen behindern. Eine Folge seien erhebliche Zusatzkosten für Personal und Lagerkapazitäten.