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Dresdner Rathaus: Neben fünf Bürgermeistern fehlen bald auch sieben Amtsleiter

Im Streit um fehlende Bürgermeister verwies Dresdens OB Dirk Hilbert immer wieder auf seine Amtsleiter. Doch auch da gibt es Probleme. Welche Stellen unbesetzt sind.

Von Dirk Hein
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Im Rathaus fehlen nicht nur Bürgermeister, auch viele Fachleute im Hintergrund werden dringend benötigt.
Im Rathaus fehlen nicht nur Bürgermeister, auch viele Fachleute im Hintergrund werden dringend benötigt. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. Seit August schwelt in Dresden der Streit um die Neubesetzung von fünf Bürgermeisterposten. Weil sich OB Dirk Hilbert (FDP) und eine Mehrheit im Stadtrat nicht auf einen Kompromiss einigen können, verlieren nacheinander alle fünf Beigeordneten bis Ende Oktober ihren Job. Stattdessen sollen, so OB Hilbert, vor allem Amtsleiter die Mehrarbeit abfedern. Doch dort sind etliche Stellen gar nicht oder nur kommissarisch besetzt. Zudem gehen zwei weitere Chefs in Rente.

Welche Rolle haben Amtsleiter im Rathaus?

Amtsleiter sind jeweils fachlich für wichtige Teilbereiche im Rathaus zuständig und dafür verantwortlich. So haben etwa das Straßen- und Tiefbauamt oder das Sozialamt eigene Chefs. Auf deren Sachverstand müssen sich die jeweils politisch zuständigen Bürgermeister verlassen können. OB Hilbert sind vier Amtsleiter zugeordnet. Die einzelnen Bürgermeister haben in ihren Geschäftsbereichen jeweils vier bis sieben Ämter mit je einem Chef.

Als echte Experten für ihren konkreten Bereich beraten Amtsleiter ihre Bürgermeister. Zudem sind die häufig in den Ausschüssen des Stadtrates anwesend, um dort Fragen zu beantworten und für ihre Vorlagen zu kämpfen.

Für Hilbert sind sie zudem das wichtigste Mittel, um die aktuell vier und ab Ende des Monats fünf fehlenden Bürgermeister zu ersetzen. Hilberts Plan: Für die dann fehlende Eva Jähnigen (Grüne, Umwelt), für Peter Lames (SPD, Finanzen), Detlef Sittel (CDU, Ordnung und Sicherheit), Kristin Kaufmann (Linke, Soziales) und Annekatrin Klepsch (Linke, Kultur) sollen Amtsleiter einspringen. Sie sitzen daher beispielsweise seit einigen Wochen statt ihrer Bürgermeister in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters.

Welche Stellen sind nicht korrekt besetzt?

Laut Auskunft der Stadtverwaltung sind aktuell fünf Amtsleitungsstellen nur kommissarisch besetzt, beziehungsweise "sollen kommissarisch besetzt werden". Dabei handelt es sich zum Beispiel um das wichtige Rechnungsprüfungsamt. Elf Jahre lang war Herbert Gehring dafür zuständig, dass im Rathaus mit dem Geld der Steuerzahler ordnungsgemäß und sparsam umgegangen wurde. Ende Oktober geht Gehring in den Ruhestand.

Ebenfalls nicht ordnungsgemäß besetzt sind das Jugendamt, das Sozialamt, die Städtischen Bibliotheken und das Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung. Auch, wenn zum Beispiel im Jugendamt mit Sylvia Lemm eine erfahrene Fachfrau kommissarische Leiterin ist, entstehen so weitere Lücken.

Zudem gehen zwei Amtsleiter in Rente. Bis Sommer 2023 werden der Regiebetrieb Zentrale Technische Dienste und das Umweltamt ihre bisherigen Chefs verlieren. Zumindest für das Umweltamt sucht die Stadt nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin.

Wie viele weitere offene Stellen gibt es?

Im Rathaus arbeiten insgesamt etwa 7.300 Mitarbeiter. 382 Stellen davon waren im Sommer 2022 unbesetzt. Das entspricht in etwa jeder 20. Stelle. Weitere 85 Personen fehlen in den Kindertagesstätten. Die Verwaltung plant, sämtliche Stellen neu zu besetzen. Immer häufiger fehlt es dabei aber an passenden Bewerbern. 41 Stellen sind unbesetzt, weil sich niemand mit den für die Stelle notwendigen Fähigkeiten beworben hat. Das ergab eine Anfrage von AfD-Stadtrat Heiko Müller.

Welche Rolle spielen fehlende Amtsleiter im Bürgermeister-Poker?

SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser kritisiert den Plan des OBs, Bürgermeister durch Amtsleiter zu ersetzen, deutlich. "Amtsleiter sind Fachexperten. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Verwaltung politisch zu steuern." Dass neben so vielen Bürgermeister zusätzlich viele Amtsleiter fehlen, "verstärkt eine ohnehin drastische Situation." Dana Frohwieser: "Der Druck ist da, wir müssen schnellstmöglich neue Bürgermeister wählen."

Die nächste Möglichkeit dazu ist die Stadtratssitzung am 24. November. Aktuell ist allerdings noch nicht klar, wie bis dahin eine stabile Mehrheit gefunden werden kann. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte dafür neue Vorschläge vorgelegt. Das Stadtoberhaupt plant eine Schrumpfkur. Anstatt mit sieben Bürgermeistern soll Dresden in Zukunft mit nur fünf oder sechs zurechtkommen.

Aktuell reden Grüne, CDU, Linke und SPD untereinander darüber, wie sie mit den neuen Plänen des OBs umgehen wollen. Eigene Gegenvorschläge sind denkbar. Ein neuer Gesprächstermin mit dem Oberbürgermeister ist geplant.

Claus Lippmann, Stadtrat der Freien Wähler/Freien Bürger, war bis vor drei Jahren selbst Jugendamtsleiter im Rathaus. Seither ist seine Stelle lediglich kommissarisch vergeben. Das kritisiert Lippmann: "Amtsleiterstellen sollten stabil besetzt sein. Es braucht verlässliche Ansprechpartner." Vor allem strategische Entscheidungen würden sonst leiden. Lippmann: "Die Bürger haben ein Recht auf eine funktionsfähige Verwaltung. Dazu gehören kompetente Amtsleiter und legitimierte Bürgermeister."

Die Schuld dafür, dass so viele Fachleute im Rathaus fehlen, sieht CDU-Fraktionschef Peter Krüger bei Peter Lames (SPD). Der war als Finanzbürgermeister auch für das Personal im Rathaus zuständig. "Er hat nicht rechtzeitig reagiert. Das rächt sich jetzt. Gefragte Fachleute wachsen nicht auf Bäumen."

André Schollbach (Linke): "Wir stehen vor enormen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gerade in dieser Situation benötigt die Landeshauptstadt eine funktionierende, erfahrene und gut eingespielte Mannschaft an der Verwaltungsspitze."