Kippt die CDU beim Dresdner Bürgermeister-Poker?

Dresden. Fünf von sieben Bürgermeistern müssen in Dresden neu gewählt werden. Am 11. August scheiterte der erste Versuch, einen neuen Finanz-, Ordnungs-, Sozial-, Umwelt- und Kulturbürgermeister zu wählen, am Veto von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Der OB verhinderte dadurch, dass CDU, Grüne, Linke und SPD die Posten unter sich aufteilen konnten.
Bisher galt das Bündnis als geschlossen. Nun wird Unmut aus der CDU laut und die Forderung, aus dem Bündnis auszubrechen. Damit könnte der Poker um die Posten eine neue Wendung nehmen.
Deshalb gibt es die Bürgermeister-Koalition
Hintergrund ist ein schon vor Jahren geschlossener Pakt zwischen den vier Fraktionen, der 2020 schriftlich erneuert wurde. Die Fraktionen im Rat sichern sich dabei zu, die gegenseitig vorgeschlagenen Bewerber im Stadtrat auch zu wählen. Vor sieben Jahren ging das bereits gut. Seither wurden alle Bürgermeister mit der so gesicherten Mehrheit auch gewählt. Anfang des Jahres hatte OB Dirk Hilbert dann aber angekündigt, sein Einvernehmen bei den aktuell anstehenden Wahlen nicht geben zu wollen.
Seither herrscht im Rat heilloses Durcheinander. Ein erster Versuch, dennoch zu wählen, scheiterte in der extra einberufenen Sondersitzung Mitte August. Die erneute Wahl von Peter Lames (SPD) zum Finanzbürgermeister scheiterte damals - wie angekündigt - am nicht erteilten Einvernehmen des OBs.
Vor allem die CDU hat im Poker um die Bürgermeister-Posten seit der OB-Wahl ein Rechtfertigungsproblem. Die Union hatte ganz bewusst auf einen eigenen OB-Kandidaten verzichtet und schon im ersten Wahlgang Amtsinhaber Dirk Hilbert unterstützt.
Noch am Wahlabend kündigte CDU-Kreischef Markus Reichel an: "Wir als CDU werden mit einer klugen Haushaltspolitik Dirk Hilbert unterstützen." Zusammen mit dem OB soll bei der Kommunalwahl 2024 eine bürgerliche Mehrheit im Stadtrat ermöglicht werden.
"Wir sollten deutlich und offen hinter OB Hilbert stehen"
Doch aktuell steht die CDU im Stadtrat weiter hinter der Bürgermeister-Koalition mit Grünen, Linken und SPD. Fraktionsintern bleibt das nicht unwidersprochen. In einem emotionalen Brief an die Mitglieder der CDU-Fraktion, an Kreischef Markus Reichel und an Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisiert Stadträtin Petra Nikolov den Kurs der eigenen Fraktion scharf. Dieser Brief liegt Sächsische.de vor.
Nikolov zeigt sich darin "enttäuscht, dass wir als CDU offiziell verkünden, OB Hilbert im Wahlkampf zu unterstützen. Doch dann bekennt sich unsere Fraktion weiter zum Festhalten an dem schon lange umstrittenen Pakt mit Rot-Rot-Grün gegen OB Hilbert". Die Folge laut Nikolov: "Wir werden in den Medien belächelt, kritisiert und offen auf Postenschieberei angesprochen."
In ihrem Brief fordert die CDU-Rätin daher: "Wir sollten deutlich und offen für die Unterstützung von OB Hilbert einstehen". Der "Pakt" mit Rot-Rot-Grün solle "endlich aufgelöst werden, denn er schadet der CDU seit Jahren". Auf Nachfrage wollte sich Petra Nikolov nicht zu ihrem Schreiben äußern.

Der Brief zeigt jedoch die deutlichen Risse innerhalb der Fraktion. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass CDU-Stadträtin Silvana Wendt die Fraktion verlässt. Sie warf ihrer eigenen Fraktion "Machtpolitik und Postengeschacher statt fachlich fundierter Entscheidungen" vor. Offiziell hat die CDU-Fraktion um ihren Chef Peter Krüger darauf nie reagiert. Auch das wirft Petra Nikolov in ihrem Brief der Union vor. "Führungsqualität zeichnet sich gerade in solchen kritischen Situationen durch persönliche Stärke in Form von Kommunikation, Eingestehen von Fehlern und natürlich auch Nennen von Erfolgen aus."
So reagiert der CDU-Fraktionschef
Die Forderung nach dem Ausstieg aus der Vereinbarung mit Grünen, Linken und SPD kommt mitten in die heiße Phase der Verhandlungen um die Besetzung der Bürgermeisterposten. Folgt die CDU dem von Nikolov geforderten Kurs, könnte das die Verhandlungen entscheidend verändern. Bislang steht Krüger zu der Vereinbarung. Aber: "Ich nehme Schreiben, wie das meiner Fraktionskollegin, selbstverständlich sehr ernst. Das zeigt, dass die Leute interessiert sind, zu gestalten."
Um der Diskussion zu dem Thema Raum zu geben, habe Krüger bereits eine Sondersitzung des Fraktionsvorstandes einberufen, an der alle CDU-Räte teilnehmen können. Inhaltlich widerspricht er Nikolov. "Es gibt keine Alternative zu dieser Vereinbarung. Steigen wir da aus, verlieren wir einen Bürgermeister."
Er verstehe das Ansinnen, dass die CDU generell eigenständiger agieren und wahrgenommen werden müsse. "Aber auf der reinen bürgerlichen Seite des Rates gibt es keine Mehrheit und mit der AfD arbeite ich nicht zusammen." Sollte sich die Fraktion entgegen allen Erwartungen für eine Kooperation mit der AfD aussprechen, trete Krüger als Chef zurück.
Das sagen die bisherigen Partner der CDU im Rat
Die anderen Beteiligten im Streit um die Postenbesetzung sehen diese Entwicklung bei der CDU mit unterschiedlichen Gefühlen. "Diese Vereinbarung ist die solideste und tragfähigste Konstellation, sie nutzt der Stadt Dresden", so SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser. Da gehe es nicht darum, ob es einem Partner - hier der CDU - eventuell schade. "Ohne diese Vereinbarung würde die CDU aktuell nicht den Bildungsbürgermeister stellen."
Auch Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne sagt klar: "Dann müsste die CDU ja mit der AfD zusammenarbeiten." Das könne nicht ihr Ziel sein.
FDP-Fraktionschef Holger Zastrow hat schon mehrfach die CDU aufgefordert, den Pakt mit Grünen, Linken und SPD aufzukündigen. Sie solle stattdessen mit OB Hilbert kooperieren. "Ein Pakt, der nichts durchsetzt, ist kein Pakt. Einen Pakt sollte man mit Tigern schließen, nicht mit Bettvorlegern", so Zastrow.
Er wirft den vier Fraktionen vor, die Stadt unter sich aufzuteilen, was nicht zum Vorteil Dresdens und zum Nachteil des Oberbürgermeisters sei. "Das ist nur ein Blockadeinstrument", so Zastrow. "Das Bündnis ist aber zu schwach, um sich durchzusetzen, wie der erste Wahlversuch gezeigt hat. Die Wähler haben nicht CDU gewählt, um links-grüne Politik zu sichern. Im Einvernehmen mit dem OB reicht es, wenn eine der beteiligten Fraktionen nicht dabei ist."