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Kommentar zum Dresdner Bürgermeister-Fiasko: "Unwürdiges Chaos"

Seit August ist Dresden nicht in der Lage Bürgermeister zu wählen. Die Stadt rutscht ins politische Chaos. Jetzt ist nicht die Zeit für Schuldzuweisungen, sondern für einen Neustart.

Von Dirk Hein
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Die Suche nach Bürgermeistern im Rathaus ist gescheitert, es braucht einen kompletten Neustart.
Die Suche nach Bürgermeistern im Rathaus ist gescheitert, es braucht einen kompletten Neustart. © René Meinig

Dresden. Man muss sich das einmal vorstellen: Dresden, immerhin Landeshauptstadt und mit einem nahezu professionell aufgestellten Stadtrat ausgestattet, ist seit vier Monaten nicht in der Lage, sich auf eine große überparteiliche Mehrheit bei der anstehenden Wahl der Bürgermeister zu einigen.

Sich absprechen, Bündnisse eingehen, mit den eigenen Maximalforderungen in Verhandlungen gehen, mit einem Kompromiss wieder aus den Verhandlungen herauskommen: Das schlichte Handwerkszeug der Lokalpolitik funktioniert in Dresden nicht mehr. Das ist verwirrend, beängstigend und skandalös.

Erneut sind am Donnerstag 70 Stadträte und der OB mit offenem Visier, gegenseitigen Schuldzuweisungen, aber ohne Fahrplan für eine Lösung in die Wahl der Beigeordneten gegangen. Auch danach folgten die immer gleichen Mechanismen: Man selber habe sich bewegt, die Gegenseite jedoch nicht.

Daran wird sich auch in den nächsten Wochen nichts ändern. Zwar könnte Mitte Dezember die Wahl erneut im Stadtrat aufgerufen werden, doch was wird sich bis dahin tun? Der Stadtrat ist momentan schlicht nicht in der Lage, Bürgermeister zu wählen.

Das ist aus mehreren Gründen verhängnisvoll: Zum einen fehlen mit den Bürgermeistern wichtige Spitzenpolitiker. Niemand sonst trifft strategische Entscheidungen auf Fachebene, niemand sonst hält den Kontakt zwischen Verwaltung und Politik, niemand sonst vertritt die Stadt in wichtigen nationalen Gremien.

Zum anderen ist die Außenwirkung verheerend. Wie soll jemals ein bundesweit anerkannter Experte in die Landeshauptstadt gelockt werden, wenn ihm niemand seine Wahl als Bürgermeister versprechen kann, ihm stattdessen droht, im Gegenzug über Monate politisch vorgeführt zu werden.

Dresden braucht jetzt einen kompletten Neustart. Auch wenn es schmerzt und Zeit kosten wird: Die Wahlen müssen für gescheitert erklärt werden. Es braucht danach einen unabhängigen Moderator, einen Schlichter. Es gibt viel Kritik am OB, manche überzogen. Die Rolle des Vermittlers aber hat Hilbert in den letzten Wochen mangelhaft erfüllt.

Doch auch der Rat muss sich bewegen. Wahrscheinlich geht das nur mit komplett neuen Bewerbern auf allen Seiten. Die Zukunft der Stadt ist wichtiger als die Karrierepläne einzelner.