Impfpflicht in Dresden: "Jetzt beginnen die Ängste"

Dresden. Nachdem die Umsetzung der Pflege-Impfpflicht in den letzten Wochen gestockt hatte, verschickt das Rathaus jetzt die Briefe zur Durchführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
Insgesamt wurden bis Donnerstag 3.150 "Aufforderungen zur Vorlage eines Nachweises" versandt. "Weitere Anhörungsschreiben werden in den nächsten Tagen mit fortschreitender Anlage der Meldungen folgen", sagt der Amtsleiter im Dresdner Gesundheitsamt, Frank Bauer.
Stadtweit hatten über 350 im Gesundheitssektor tätige Arbeitgeber im Vorfeld dazu ihre ungeimpften Beschäftigten dem Gesundheitsamt gemeldet. Betroffen sind auch Mitarbeiter im Rathaus, bei der Feuerwehr und in der integrierten Regionalleitstelle der Stadt, in der sämtliche Notrufe koordiniert werden.
Bußgeld und Betretungsverbot wird angedroht
Auch in diesen Bereichen wurden erste Schreiben versandt. "Aus dem Brand- und Rettungswesen, verteilt über verschiedene Träger, wurden bis dato 248 Personen gemeldet, die folglich ein entsprechendes Aufforderungs- und Anhörungsschreiben erhalten haben", sagt Amtsleiter Bauer. Eine Differenzierung nach rettungsdienstlicher Tätigkeit oder einer Tätigkeit in der Leitstelle erfolge jedoch nicht.
In dem zweiseitigen Amtsschreiben wird jetzt der Nachweis der Erstimpfung innerhalb von vier Wochen gefordert "und für die zweite Impfung spätestens nach zwei Monaten ab Erhalt des Schreibens". In dem Brief wird zudem ein Betretungsverbot angedroht. Für die "Anhörung etwaiger Belange", die gegen ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot sprechen, wird eine Frist von vier Wochen gesetzt. Ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro wird benannt. Nachweise, die nicht digital gesendet werden, müssen im Original oder in beglaubigter Kopie abgegeben werden.
"Jetzt beginnt die Angst"
Ein Betroffener, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, ist nicht überrascht. "Es war klar, dass so ein Schreiben folgen wird. Das Gesundheitsamt erfüllt seine Aufgaben", sagt der Mann. "Ich war allerdings überrascht, wie schnell der Brief jetzt kam." Der Dresdner arbeitet seit über 20 Jahren in einem Gesundheitsberuf, aktuell als Angestellter einer Hilfsorganisation im Dresdner Rettungsdienst. Impfen lassen wollte er sich bisher nicht. Zum einen aufgrund einer Vorerkrankung, zum anderen, weil er sich gesund fühle und "nie groß erkältet war". Die eigene, länger zurückliegende Corona-Erkrankung habe fünf Tage gedauert, "da war ich allerdings echt krank".
Das Schreiben vom Amt habe jetzt einiges aufgewühlt: "Bislang habe ich bei diesem Thema vieles hinausgezögert, jetzt beginnt die Angst." Seinen Job will er nicht verlieren. "Ich überlege, mich gegen meinen Willen impfen zu lassen oder zum Anwalt zu gehen." Emotional sei seine Lage derzeit schwierig. "Es macht mich wütend. Die Lust an meiner Arbeit, die immer da war, die geht gerade verloren."
Dennoch will der Dresdner über die Lage in seiner Branche unbedingt informieren. In seinem konkreten beruflichen Umfeld arbeiten demnach über 200 Beschäftigte. 30 Prozent seiner Kollegen seien ungeimpft, zehn unbesetzte Stellen kämen hinzu. "Kollegen überlegen, sich krankschreiben zu lassen. Ich mache mir Sorgen wie es bei uns weitergeht", sagt er.
Ob und wann das Gesundheitsamt tatsächlich Betretungsverbote ausspricht, ist noch komplett offen und hängt davon ab, ob die Versorgungssicherheit auch ohne die ungeimpften Mitarbeiter sichergestellt ist. Die Frage der Versorgungssicherheit wird laut Rathaus jedoch "erst im weiteren Verfahren geklärt und kann jetzt nicht beantwortet werden."
Sofern ein Tätigkeits- und Betretungsverbot denkbar ist, wird durch das Amt im Vorfeld die jeweilige Einrichtungsleitung kontaktiert, um "die Gefährdung der Versorgungssicherheit bei Verfügung eines solchen Verbotes zu bemessen."
Erst nach dem Austausch mit der jeweiligen Einrichtungsleitung wird entschieden, ob ein Verbot verfügt werden kann oder "zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit davon abzusehen ist."
"Es braucht ein Signal des Oberbürgermeisters"
Wie es danach weiter gehen könnte, ist unklar. Im Stadtrat gibt es Initiativen, dass Beschäftigte der Stadt nicht einfach entlassen werden sollten. Stattdessen müssten Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung geprüft werden. "Der Stadt als großer Arbeitgeber sollte es nicht egal sein, wenn 500 Mitarbeiter im Klinikum in Sorge vor einer Entlassung sind." Man erwarte, dass der OB zeitnah nach Lösungen sucht, so Stadtrat Veit Böhm (CDU): "Es braucht dieses Signal."
Auch die Freien Wähler nehmen den OB in die Pflicht: "Es braucht seine Zusicherung, dass niemand in Dresden aufgrund eines Gesetzes, dass aus unserer Sicht sofort aufgehoben werden muss, seinen Arbeitsplatz verliert." Dies läge in der Macht der Stadt.