Dresden. Blau leuchtet die Kunststoffröhre im Licht der Scheinwerfer, als sie im Betonkanal heran rollt. Sie liegt auf einem elektrisch betriebenen Spezialwagen mit acht Rädern. Mit schnellen Griffen stülpen Thomas Haase und Martin Krug die Gummidichtung über das Ende des über zwei Meter hohen Teils aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Ein letzter Schub – und schon sitzt es fest am Ende der neuen Röhre. Die beiden Kanalarbeiter gehören zum Team der Rohrsanierungsfirma Aarsleff, die tief unter der Scharfenberger Straße eine neue Rohrtrasse im alten Neustädter Abfangkanal baut.

Schon 111 Jahre fließt die braune Brühe durch die rechtselbische Abwasser-Hauptschlagader von der Prießnitzstraße bis zum Klärwerk Kaditz. Immerhin handelt es sich dabei um ein Drittel der Dresdner Abwässer. Über drei Viertel des 6,6 Kilometer langen Neustädter Abfangkanals sind saniert. Jetzt ist das letzte, 1,5 Kilometer lange Stück an die Reihe. Es beginnt an der Micktener Böcklinstraße und verläuft unter der Scharfenberger Straße bis zum Klärwerk. Damit dies möglich ist, haben Leitungsbauer im vergangenen Jahr eine insgesamt 2,6 Kilometer lange Super-Pipeline gebaut. Über diese Ersatztrasse fließt seit November vergangenen Jahres das Abwasser durch die Flutrinne zum Klärwerk.

Durch die Ersatztrasse werden kaum größere Verkehrseinschränkungen nötig. Es mussten nur drei Baugruben ausgehoben werden. Bei der Sanierung werden per Kran glasfaserverstärkte Kunststoffrohre (GfK) eingehoben, die meistens drei Meter lang sind. Der Spezialwagen, der in der Aarsleff-Werkstatt konstruiert wurde, bugsiert sie unterirdisch aus den Baugruben in den alten, bis zu 2,7 Meter hohen Kanal, wo sie letztlich zusammengefügt werden. So entsteht dieses Jahres ein neuer dichter Kanal in der alten Abwasserröhre.

„Rund zwei Drittel des letzten Abschnitts haben wir schon saniert“, sagt Projektleiter Heiko Nytsch von der Stadtentwässerung. Bereits Ende Januar war das erste Stück zwischen der Micktener Böcklinstraße und der Feuerwehr-Zentrale fertig. Bis März folgte der nächste Abschnitt zwischen der Kaditzer Marie-Curie-Straße und der Washingtonstraße. In der vorigen Woche haben die Arbeiten in der 230 Meter langen Lücke bis zur Feuerwehr begonnen. Noch in diesem Monat sollen dort alle Rohre eingebaut sein. Zum Schluss kommt danach noch bis Ende Mai das 330 Meter lange Stück direkt vorm Kaditzer Klärwerk an die Reihe.

Für Thomas Haase, Martin Krug und die anderen Kanalsanierer geht es bei den Arbeiten Schlag auf Schlag. Jeweils von dienstags bis donnerstags rollt der Nachschub mit täglich drei bis vier Transporten an. Die Kanalteile werden in einem Danziger Werk hergestellt. Beim Vor-Ort-Termin kommt gerade wieder einer Lkw mit vier dieser jeweils knapp zwei Tonnen schweren Rohren. Polier Torsten Harig weist den Kranführer ein, der das nächste Teil in die neun Meter tiefe Baugrube hinab bugsiert, wo es unter Führung von Kanalsanierer Maik Stötzer auf dem Wagen landet, der dann durch die lange Röhre rollt. Wenige Minuten später können seine Kollegen Haase und Krug die nächste Gummidichtung aufstülpen. So geht es im 20-Minuten-Takt weiter. An einem Arbeitstag kommen etwa zehn neue Teile in den Kanal, wächst die Rohrtrasse so um etwa 30 Meter.

Doch mit dem Einschieben der Rohre ist es nicht getan, erklärt Bauleiter Mirko Knechtel. Denn letztlich muss auch der große Hohlraum zwischen der neu eingebauten Kunststoff-Rohrtrasse, die etwa 2,3 Meter hoch ist, und dem alten, bis zu 2,7 Meter hohen Kanal verfüllt werden. „Das geschieht mit hochflüssigem Beton“, erläutert der Bauleiter. Vom Betonmischer fließt der durch eine Leitung in Richtung Röhre. In die haben die Rohrsanierung in gewissen Abständen von unten nach oben Löcher gebohrt. Durch sie wird der Beton abschnittsweise gepumpt. Zuerst geschieht das am unteren Loch. So wird beispielsweise am ersten Tag das untere, einen halben Meter hohe Stück des Hohlraums zwischen dem Rohr und dem alten Kanal verfüllt. Ist es am nächsten Tag ausgehärtet, wird die Lage darüber verpresst. Bis die Hohlräume eines etwa 30 Meter langen Abschnitts komplett verfüllt sind, dauert es etwa fünf Tage.

„Ich hoffe, dass wir alle Arbeiten im Spätsommer abgeschlossen haben“, sagt Projektleiter Nytsch von der Stadtentwässerung. Dann kann der Neustädter Abfangkanal wieder in Betrieb gehen, sodass die Umleitung fürs Abwasser ausgedient hat. Bis zum Jahresende werden die letzten Arbeiten abgeschlossen. So werden die Bauleute die Rohrtrasse durch die Flutrinne demontieren, die dortige Baustraße beseitigen und das extra dafür gebaute Pumpwerk am Klärwerk wieder abbauen. In das Großprojekt investiert die Stadtentwässerung rund 16 Millionen Euro.