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Mit Reiswaffel zum Rekord beim Dresden-Marathon

Nach zwei Jahren Corona-Pause starten 5.000 Läufer beim Dresden-Marathon 2022. Für die großen Siege sorgt die Läufer-Nation Kenia - und für die große Überraschung ein Dresdner.

Von Michaela Widder
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Mit göttlichem Beistand. Die Kenianerin Teclah Chebet unterbietet beim Dresden-Marathon den 19 Jahre alten Streckenrekord und weiß, bei wem sie sich erst mal bedanken möchte. Mit der Siegprämie könnte sie sich in der Heimat ein Haus kaufen.
Mit göttlichem Beistand. Die Kenianerin Teclah Chebet unterbietet beim Dresden-Marathon den 19 Jahre alten Streckenrekord und weiß, bei wem sie sich erst mal bedanken möchte. Mit der Siegprämie könnte sie sich in der Heimat ein Haus kaufen. © kairospress

Dresden. Als Teclah Chebet ins Ziel kommt, muss sie erst mal für ein paar Sekunden von einer Helferin gestützt werden. Dann bekommt sie eine dünne Decke umgehängt, fällt auf die Knie, faltet die Hände und bedankt sich für die göttliche Unterstützung.

Die Kenianerin hatte sich auf der Strecke völlig verausgabt. Chebet unterbot am Sonntag beim Dresden-Marathon in 2:30:30 Stunden den 19 Jahre alten Rekord der Polin Aniela Nikiel aus dem Jahr 2003 um knapp fünf Minuten. „Ich bin sehr happy, es war mein erster Marathon in Europa“, sagte die 31-Jährige, die mit einem Biss in den Apfel für einen ersten Energieschub nach dem Zieleinlauf sorgte.

Für das kenianische Team war es ein erfolgreiches und vor allem lukratives Wochenende, da es über die 42,195 Kilometer jeweils die ersten beiden Plätze gewann und mit schnellen Zeiten ordentlich Prämien kassierte.

10.500 Euro für Rekordlauf

Die neue Dresden-Siegerin sicherte sich mit 10.500 Euro den höchsten Betrag, den man in zweieinhalb Stunden in Dresden verdienen kann. Abzüglich der 15 Prozent, die an den Manager gehen, sowie der Reise- und Übernachtungskosten bleiben Chebet etwa 5.000 Euro. „Dafür bekommt man in Kenia fast ein Haus“, sagte Michael Kraus.

Der 34-Jährige ist ihr Trainer und Manager und betreute in Dresden die kenianischen Läufer. „Weil das Geld bei ihnen zu Hause viel wert ist, sind sie hier sehr sparsam unterwegs“, meinte der frühere Triathlet, der mit einem Co-Trainer in Kenia arbeitet und im Rift Valley im Westen des Landes rund 20 Athleten trainiert.

Statt Hotel schlafen sie in Dresden im Hostel, statt eines üppigen Frühstücks am Büfett gab es am Morgen vor dem Marathon Reis- und Maiswaffeln mit Honig vom Discounter. „Wichtig ist, was sie zwei Tage vor dem Lauf essen“, meinte Krause, „und da gab es Nudeln“. Am Donnerstag hatte er seine Athleten am Flughafen in Nürnberg abgeholt, am Montag flogen sie zurück.

Fast so warm wie in Kenia

Für Chebet und auch die Zweitplatzierte Shauline Chepkirui Koech, die auch noch unter der alten Bestzeit blieb, zahlte sich die Dienstreise sogar mehr aus als für die Männer. Denn dieser Streckenrekord aus dem Jahr 2019, als der Dresden-Marathon zum letzten Mal vor der Corona-Zwangspause stattgefunden hatte, war zu keiner Zeit in Gefahr. Wilfred Kiptoo siegte in 2:15:12 Stunden mit gut anderthalb Minuten Vorsprung vor seinem Landsmann Kiprono Koech.

„Es war zu warm für eine neue Bestzeit“, fand selbst Kiptoo. Tatsächlich war es am Sonntag mit zwischenzeitlich 22 Grad fast so warm wie in seiner Heimat. Nach paar Minuten Erholung war die Frage nach dem Geld tatsächlich die erste und für sie wichtigste Frage an ihren Manager – und der rechnete kurz zusammen. Für den Sieger gab es 3.300 Euro, für den Zweiten immerhin noch 2.000 Euro – nach einem ausgeklügelten Prämiensystem.

Wilfred Kiptoo siegt beim Dresden-Marathon. Für einen Rekord war es dem Kenianer zu warm, sagt er.
Wilfred Kiptoo siegt beim Dresden-Marathon. Für einen Rekord war es dem Kenianer zu warm, sagt er. © kairospress

Der Drittplatzierte, der gut 20 Minuten nach den Afrikanern ins Ziel kam, ging leer aus. Aber er war die große Überraschung. Auch die Moderatoren hatten Sten Währisch, einen Dresdner, nicht auf dem Zettel. In der Laufszene ist er noch ein Unbekannter. In 2:36:07 Stunden wurde er bester Europäer in dem internationalen Startfeld. „Ich bin überrascht über diesen dritten Platz, eigentlich wollte ich heute Morgen gar nicht an den Start gehen“, sagte er.

Nach dem Frühstück zurück ins Bett

Der 43-Jährige hatte sich schon am Vorabend nicht gut gefühlt. „Und heute früh bin ich nach dem Frühstück noch mal ins Bett und meine Frau hat mich dann bis zehn Uhr schlafen lassen“, erzählt er. Nur eine halbe Stunde später war bereits der Start an der Pieschener Allee.

Weil Währisch nur zwei Kilometer entfernt wohnt, joggte er nach dem zweiten Aufstehen an diesem Morgen zur Startlinie – und lief seinen mit Abstand schnellsten Marathon. „Die Kenianer waren weg, aber mit dem Viert- und Fünftplatzierten sind wir den Halbmarathon zusammen gelaufen. In der zweiten Runde bin ich davongezogen.“

Für Währisch war es erst sein zweiter Start beim Dresden-Marathon. Als 17-Jähriger nahm er am 8. November 1998 noch beim Probelauf teil, der damals kurioserweise am selben Tag wie der 1. Oberelbe-Marathon stattfand. Am Sonntag feierte der Ingenieur, der einen 18 Monate alten Sohn hat, nun seinen größten Erfolg.

Seine Erfahrungen im Laufen sind übersichtlich, bisher war er ein ambitionierter Skilangläufer und Radsportler. Bei den Elbspitzen, ein Langstreckenrennen im Sattel, wurde er 2013 Zweiter und sogar Bergkönig. „Ich laufe schon oft zur Arbeit und zurück, aber ohne spezielle Pläne, sondern nach Lust und Laune“, sagt Währisch, der einen Gutschein fürs Tropical Island sowie eine Vase aus Meißner Porzellan als bester Sachse bekam – und damit seine Frau und sein Kind später zu Hause überraschte.

Orgchef: "Der beste Dresden-Marathon"

Wie für den Überraschungsdritten ist für Cheforganisator Peter Eckstein die 22. Auflage eine erfolgreiche. „Im Marathon haben wir sogar Teilnehmerzahlen wie zuletzt 2015. Insgesamt können wir mit einem Verlust von 20 Prozent zufrieden sein. Nach den Corona-Jahren hatten andere Veranstalter mehr Einbußen.“

Insgesamt waren exakt 4.611 Teilnehmer auf den verschiedenen Strecken unterwegs. „Mit langem, langem Anlauf“, meint Eckstein, sei es für ihn der bisher „beste Dresden-Marathon.“ Für ihn sind nicht die schnellen Zeiten entscheidend, sondern „die vielen glücklichen Gesichter“.

Alle Ergebnisse gibt es unter www.dresden-marathon.com.