Dresden
Merken

Mit Flügelrad und Holzkleid - als Pyramide auf dem Dresdner Striezelmarkt

Am Sonntag werden erzgebirgische Pyramiden auf dem berühmten Dresdner Weihnachtsmarkt gefeiert. Was man als Pyramide beachten muss, weiß eine Schauspielerin.

Von Christoph Springer
 4 Min.
Teilen
Folgen
Pyramide Suzanne Kockat und der Mann, der die Fäden in der Hand hält - Alexander Siebecke.
Pyramide Suzanne Kockat und der Mann, der die Fäden in der Hand hält - Alexander Siebecke. © Christian Juppe

Dresden. Die Pyramidenflügel drehen sich auf dem Kopf. Sie passt nicht durch die Tür. Und sie muss sich beim Laufen nach dem Holzgestell um ihre Beine richten. Suzanne Kockat ist eine Pyramide und mit ihrem außergewöhnlichen Kopfschmuck etwa 20 Zentimeter größer als ohne ihr Kostüm. An jedem Tag verwandelt sich die gebürtige Berlinerin derzeit in Weihnachtsschmuck aus dem Erzgebirge. Dann steht sie auf der Striezelmarktbühne, lächelt, hält ein Mikrofon in der Hand und singt und bewegt sich dabei vorsichtig als Pyramide zwischen den anderen Weihnachtsfiguren.

Ein Fest für eine 25-Jährige

Dieser Sonntag ist vor allem ihr Tag. Es ist Pyramidenfest, gefeiert werden die erzgebirgischen Kunstwerke allgemein und speziell die 14,62 Meter hohe Stufenpyramide auf dem Striezelmarkt mit ihren 43 Figuren. 25 Jahre alt wird sie in diesem Jahr und im Advent gehört sie zweifellos zu den meistfotografierten Attraktionen in Dresden.

"Dreh´ Dich sanft und leise", singt Suzanne Kockat. Ihr Lied stammt aus der Feder von Alexander Siebecke. Programm, Choreografie, alle Lieder - dafür ist der 50-Jährige zuständig. Und nicht nur das organisiert Siebecke bereits etwa sein halbes Leben lang - auch hinter der Bühne zieht er die Fäden. Dabei kann Siebecke auf etwa 15 Darsteller bauen, die teils schon viele Jahre Striezelmarkt-Erfahrung haben, auf jede Menge Techniker, Helfer, selbst auf Familienangehörige der Mitwirkenden.

Die fast 15 Meter hohe Stufenpyramide auf dem Striezelmarkt steht beim Pyramidenfest auf der Bühne zwar ein wenig am Rand, ist aber dennoch im Mittelpunkt.
Die fast 15 Meter hohe Stufenpyramide auf dem Striezelmarkt steht beim Pyramidenfest auf der Bühne zwar ein wenig am Rand, ist aber dennoch im Mittelpunkt. © Christian Juppe

Sieben Jahre als Pyramide

Suzanne Kockat ist jetzt sieben Jahre lang Pyramide. Kalt ist ihr nach dem Auftritt an diesem Sonntag, doch sie ist trotzdem gern der Erzgebirgsschmuck im Striezelmarktprogramm. "Manchmal frage ich mich, ob mich die Zuschauer vor der Bühne auslachen oder anlachen", sagt sie. "Ich denke, die meisten lachen mich an." Und sie lächelt zurück, egal wie kalt es ihr im Pyramiden-Holzgestell ist. Und an diesem Sonntag bei Temperaturen deutlich unter 0 Grad und einem fast einstündigen Auftritt ohne Pause ist ihr kalt. Nein, krank geworden sei sie noch nie, sagt die Schauspielerin. "Vielleicht weil wir hier ständig Sauna spielen."

Damit meint Suzanne Kockat den Wechsel zwischen der kalten Bühne und den ordentlich beheizten Aufenthaltscontainern dahinter. Sie sind praktisch, nicht wirklich gemütlich, aber eben warm. Dorthin gelangt die Pyramide übrigens nur mit Hilfe: Sie muss die Bühne durch einen extrabreiten Ausgang verlassen, kann das Kostüm nur mit Unterstützung ablegen. Denn die Flügelspannweite von 80 Zentimetern ist schon eine Herausforderung, aber mehr noch das zylindrische "Kleid", das unten 90 Zentimeter breit ist. Zu viel für die normalen Bühnentüren, sie muss sich deshalb schon oben "entkleiden" und vor jedem Auftritt schnell wieder zur Pyramide werden. "Das dauert im besten Fall zwei Minuten", sagt sie lächelnd und verweist auf ihren versiertesten Helfer.

Bühnenbild mit lebender Pyramide: Täglich stehen die Darsteller, darunter auch Suzanne Kockat (r.) auf der Striezelmarkt-Bühne.
Bühnenbild mit lebender Pyramide: Täglich stehen die Darsteller, darunter auch Suzanne Kockat (r.) auf der Striezelmarkt-Bühne. © Christian Juppe

15 Pyramiden aus der eigenen Werkstatt

Auch Frederic Günther, Geschäftsführer im Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller, steht an diesem Sonntag auf der Bühne. Er lächelt nicht so schön, wie die lebende Pyramide neben ihm, doch Günther hat an diesem Tag eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Er erklärt gemeinsam mit dem stellvertretenden Verbandsvorsitzenden Dieter Uhlmann Aufbau, Bedeutung und Herkunft der echt erzgebirgischen Pyramiden.

15 Pyramiden hat Günther bei sich zu Hause und in einer Ferienwohnung stehen, alle stammen aus dem Familienbetrieb "Spielwarenmacher Günther" in Seiffen, erzählt er auf Nachfrage. Pyramiden-Teelichte lässt er noch gelten, aber eigentlich würden richtige Kerzen auf eine Pyramide gehören. Mit Ausnahme großer Stufenpyramiden - da lässt auch der Verbandsgeschäftsführer elektrische Kerzen und einen Motorantrieb zu. Extrembeispiel dafür ist die fast 15 Meter hohe Stufenpyramide auf dem Striezelmarkt.

Seit rund 200 Jahren gibt es Pyramiden mit Flügelrädern und dem sich drehenden Mittelteil, berichtet Günther. Für die Entstehung des Weihnachtsschmucks gebe es verschiedene Erzählungen. Eine davon: Ursprung könnten Adventskränze mit ihrem Schmuck gewesen sein, der einer Pyramidenform ähnelte. Wichtig ist ihm und seinen Mitstreitern im Verband: Echt Erzgebirge ist nur das, was am Boden der Pyramide das entsprechende Zeichen trägt, mindestens das Symbol eines kleinen Reiters.

Pyramiden für die Teilnehmer des Sangeswettstreits - die größte bekommt die Siegerin.
Pyramiden für die Teilnehmer des Sangeswettstreits - die größte bekommt die Siegerin. © Christian Juppe

Zehnjährige gewinnt größte Pyramide

Den Kindern, die an diesem Tag auf der Striezelmarktbühne singen, sind die Erklärungen der Pyramidenfachleute an diesem Tag egal. Für sie steht der Auftritt vor den vielen Besuchern im Mittelpunkt. Sie singen und können dafür - je nach Abschneiden - eine der verschieden großen Pyramiden gewinnen, die Günther und Uhlmann mitgebracht haben - als Preise für den Mut und das Können der kleinen Sänger. Die größte Pyramide "Echt Erzgebirge" ging dieses Jahr an eine Zehnjährige. Flora Graske aus Dresden hat in diesem Jahr gewonnen - mit dem Lied "Und Frieden für die Welt" von Rolf Zuckowski.