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Gottesdienst to go

Architektur-Studenten aus Dresden entwerfen und bauen eine mobile Kapelle. Die soll schon bald zum Einsatz kommen.

Von Jana Mundus
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Normalerweise ist nach dem fertigen Entwurf für Architekturstudenten Schluss. Dozent Uwe Kirst (2. v. l.) baute nun aber eine mobile Kirche im Miniformat mit ihnen.
Normalerweise ist nach dem fertigen Entwurf für Architekturstudenten Schluss. Dozent Uwe Kirst (2. v. l.) baute nun aber eine mobile Kirche im Miniformat mit ihnen. © Christian Juppe

Luftig und hell ist es im Mini-Kirchenbau. Durch beige Stoffbahnen fällt Licht, es duftet intensiv nach Holz. Dieses Gotteshaus ist kein Haus, es ist ein Zelt. Auf seinem rollenden Fundament wird es schon bald dorthin fahren, wo Gläubige in seinem Inneren zusammenkommen möchten, bei Freiluft-Gottesdiensten beispielsweise oder aber auch als überdachte Bühne für kulturelle Veranstaltungen. Entworfen haben die mobile Kapelle Architektur-Studenten der TU Dresden. Mit dem fertigen Entwurf und einer Visualisierung am Computer war für sie diesmal jedoch längst nicht Schluss. Gemeinsam mit ihrem Dozenten Uwe Kirst sägten, schraubten und hämmerten die Nachwuchs-Architekten an dem ganz besonderen Bauwerk.

Uwe Kirst studierte vor Jahren Architektur in Weimar. Der Kontakt des wissenschaftlichen Mitarbeiters nach Thüringen ist deshalb auch heute noch intensiv. Durch diese Verbindung erfuhr er, dass die Evangelische Kirche Mitteldeutschland nach neuen Ideen für das Kirchen- und Gemeindeleben sucht. „In Thüringen gibt es rund 2.000 evangelische Kirchengebäude“, erzählt er. Die meisten stehen unter Denkmalschutz, doch ihre Instandhaltung ist kostenintensiv. Auf der anderen Seite führt ein Rückgang der Kirchenmitglieder dazu, dass die Gotteshäuser mancherorts nur noch wenig genutzt werden. „Kirchgemeinden können ihre Schätze oft nicht pflegen“, erklärt der Architekt. Das Ergebnis sei der Verlust von wichtigen Begegnungsorten für das Gemeinwesen. Neue Konzepte sind gefragt. Die Idee eines mobilen Kirchenraums aus Dresden stieß bei den Verantwortlichen im Nachbar-Bundesland deshalb auf reges Interesse.

Alle Möbel für die mobile Kapelle entwarfen und bauten die Architekturstudenten ebenfalls selbst. Das alles ist nicht nur für Gottesdienste gedacht.
Alle Möbel für die mobile Kapelle entwarfen und bauten die Architekturstudenten ebenfalls selbst. Das alles ist nicht nur für Gottesdienste gedacht. © Christian Juppe

Im Wintersemester vor einem Jahr begann das Projekt mit einer Lehrveranstaltung des Lehrstuhls „Entwerfen und Konstruieren II“. „Eingeteilt in Zweiergruppen arbeiteten unsere Studierenden an Entwürfen für die mobile Kapelle.“ Die sollte am Ende auf einen langen Pkw-Anhänger passen und durfte deshalb nicht breiter als zweieinhalb und länger als achteinhalb Meter sein. In einem anschließenden Wettbewerb prämierte eine Jury einen ersten und zweiten Platz.

Neue Lehrmethode setzt aufs Ausprobieren

Für Uwe Kirst war es von Anfang an wichtig, dass es auch danach weitergeht. Er verfolgt mit dem Projekt den Ansatz der sogenannten Design-Build-Methode, eine Alternative zur klassischen Architekturausbildung. Die Studenten lernen dabei nicht nur den Entwurfsprozess kennen, sondern setzen ihre Pläne im Anschluss auch um. Immer in engem Kontakt mit Auftraggebern und späteren Nutzern. „Sie lernen dabei genau, was ihre Ideen in der Realität für die Umsetzung bedeuten.“ Beispiel Kanthölzer – die gibt es im Handel nun mal nur mit speziellen Maßen. „So etwas muss im Plan natürlich berücksichtigt werden.“ Zudem wäre es ein gutes Gefühl für alle Beteiligten gewesen, dass die Idee nicht einfach in der Schublade verschwindet, sondern letztlich Wirklichkeit wird.

Im vergangenen Sommersemester legten alle deshalb selbst Hand an. In der Modellbauwerkstatt auf dem TU-Gelände an der Bergstraße entstand die mobile Kapelle Stück für Stück. Das dafür notwendige Material konnte mithilfe der Projektpartner finanziert werden. Dazu gehören neben der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland auch das EKD-Institut für Kirchbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Philipps-Universität Marburg und die Internationale Bauausstellung Thüringen. „Das waren auch ganz ungewöhnliche Dimensionen für den Tischler, der in unserer Werkstatt angestellt ist“, berichtet Kirst. Schließlich seien Modelle, die dort normalerweise entstehen, ein ganzes Stück kleiner. „Aber er hat uns super unterstützt und uns angeleitet.“

Ab Frühjahr Open-Air-Gottesdienste

Seit einigen Tagen ist die Kapelle nun fertig. Inklusive Mobiliar wie Stühle oder einem Stehpult, das als eine Art Kanzel fungiert. Gut 30 Menschen passen ins Kirchenzelt. „Hier sollen aber nicht nur Gottesdienste stattfinden“, erläutert der Projektleiter. Auch als Event-Raum, Bühne oder Catering-Zelt findet es künftig Verwendung. Der Clou: Alles, Zeltkonstruktion, Stühle, Tische und Treppe, kann platzsparend zerlegt werden und passt in die Unterkonstruktion der Kapelle. So lässt sie sich einfach transportieren. Innerhalb einer Stunde ist alles am neuen Einsatzort aufgebaut.

Durchdachte Konstruktion: Nicht nur das Zelt an sich, auch das gesamte Mobiliar lässt sich zerlegen und findet in der Unterkonstruktion Platz für den Transport.
Durchdachte Konstruktion: Nicht nur das Zelt an sich, auch das gesamte Mobiliar lässt sich zerlegen und findet in der Unterkonstruktion Platz für den Transport. © Christian Juppe

In den nächsten Wochen zieht die Dresdner Erfindung nach Thüringen um. Ab nächstem Frühjahr, wenn die Temperaturen draußen wieder angenehmer sind, wird sie dort im Einsatz sein. Die Architekten der TU Dresden arbeiten indessen schon wieder an der nächsten Idee. Vor einiger Zeit entstanden in einer Lehrveranstaltung Entwürfe für ein Campus-Café auf dem TU-Gelände. Derzeit wird dafür in Abstimmung mit dem Sächsischen Immobilien- und Baumanagement und der Uni-Leitung noch ein geeigneter Ort gesucht. „Es wäre schön, wenn wir schon bald wieder ein Bauprojekt mit den Studierenden starten könnten“, sagt Uwe Kirst. Für ein neues Café von Studenten für Studenten.