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Neues Umweltlabor für den Mittelstand in Dresden eröffnet

Dresdner Leichtbau-Forscher haben am Dienstag das Nationales Leichtbau-Validierungszentrum eröffnet. Dort können sich Unternehmen zeigen lassen, wie sie nachhaltig produzieren können.

Von Nora Miethke
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Zur Eröffnung des Nationalen Leichtbau-Validierungszentrums (LEIV) auf dem Campus "Universelle-Werke Dresden" stellt Daniel Weck vom ILK Leichtbaulösungen im Fahrzeugbau vor.
Zur Eröffnung des Nationalen Leichtbau-Validierungszentrums (LEIV) auf dem Campus "Universelle-Werke Dresden" stellt Daniel Weck vom ILK Leichtbaulösungen im Fahrzeugbau vor. © Christian Juppe

Viele kleine und mittelständische Firmen stehen vor enormen Herausforderungen. Sie sollen künftig ihre Produkte aus wiederverwendbaren, recycelfähigen Materialien fertigen und das mit erneuerbaren Energien und am besten ohne Abfall dabei zu produzieren – eben nachhaltig und ressourceneffizient. Aber wo anfangen bei der Umstellung der Produktionsprozesse? Vielen Mittelständler bereitet dies Kopfschmerzen.

Sie können sich jetzt an die Hand nehmen lassen von den Experten und Expertinnen im Nationalen Leichtbau-Validierungszentrums (LEIV), das am Dienstag in Dresden eröffnet wurde. Hinter diesem etwas sperrigen Namen verbirgt sich eine neue Institution, die vom Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der Technischen Universität (TU) Dresden betrieben wird. Hier sollen Unternehmen einen Anlaufpunkt finden, um sich bei Innovationsideen oder der Lösung spezifischer Probleme in ihren Produktionsprozessen beraten zu lassen. Mit großen Unternehmen wie Daimler, Porsche oder VW arbeitet das ILK schon seit Jahren zusammen, um Erkenntnisse aus der Leichtbauforschung in neue Produkte zu bringen. Doch kleineren Firmen fehlen für Forschungsprojekte meist Zeit und Geld. Sie sollen im LEIV in allen Fragen des Leichtbaus einen Ansprechpartner "auf Augenhöhe" bekommen. "Wir starten auf niedrigen Einstiegsniveau und wollen erst einmal eine Vertrauensbasis schaffen", bemüht sich Marco Zichner, Leiter für den Technologietransfer am ILK, eventuelle Berührungsängste zu nehmen. Das Zentrum soll auch als Lehrwerkstatt für die Aus- und Weiterbildung für Fachkräfte fungieren, insbesondere für strukturschwache Regionen wie die Oberlausitz, kündigte ILK-Vorstandschef Gude an.

Großer Tag für Professor Maik Gude, Sprecher des Vorstands des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik an der TU Dresden. Das ILK betreibt das Nationale Leichtbau-Validierungszentrum
Großer Tag für Professor Maik Gude, Sprecher des Vorstands des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik an der TU Dresden. Das ILK betreibt das Nationale Leichtbau-Validierungszentrum © Christian Juppe

Die Firmen können in einer etwa 1.500 Quadratmeter großen Halle gemeinsam mit den Experten und Expertinnen vom ILK Ideen und Technologien entwickeln und erproben. Für das Know-how müssen sie nicht zahlen, nur für die Nutzung der Maschinen, Material und Energie. Mehr denn je müssten Forschungsergebnisse schnell in die industrielle Praxis zu überführt werden, betont Zichner. Das Thema Leichtbau spielt in fast allen Branchen eine Rolle, von der Verpackungsindustrie bis zum Fahrzeugbau. Alles soll leichter werden und mit weniger Material auskommen.

Entwickelten die Dresdner Forscher bis vor wenigen Jahren vor allem Leichtbau-Systeme, verfolgen sie seit 2015 den Ansatz von Neutralleichtbau. Dabei geht es laut Zichner vor allem darum, geschlossene Stoffkreisläufe zu schaffen, also Bauteile, Strukturen und Prozesse zu entwickeln, die sich neutral gegenüber der Umwelt verhalten und möglichst abfallfrei sind. Sie seien ein Schlüssel für nachhaltiges Wirtschaften und die industrielle Zukunft. Laut Professor Maik Gude, Vorstandssprecher des ILK, ist das erste Etappenziel des LEIV, den Ressourcenverbrauch des aufgebauten Prozessnetzwerkes im Industriemaßstab bis zum Jahr 2030 um 80 Prozent zu senken. Damit leiste die Dresdner Leichtbauforschung "einen messbaren Beitrag für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation nicht nur hier in Sachsen", so Gude.

Materialverbrauch mehr als halbiert

Die Firma Thoenes Dichtungstechnik GmbH aus Klipphausen nutzt die Angebote des ILK schon seit sechs Jahren. Seit Januar 2021 entwickelt der Mittelständler mit 55 Beschäftigten gemeinsam mit den Dresdner Forschern einen neuen Düngemittelstreuer aus thermoplastischen Faserverbundstoffen für Traktoren, um die bisherigen Edelstahlkonstruktionen zu ersetzen. Bei der Lösung von Thoenes konnte der Materialverbrauch um 60 Prozent reduziert werden. "Wir kommen aus dem Bereich Technische Textilien und sehen dort hohe Potenziale für unser Unternehmen. Um sie auszuschöpfen, brauchen wir spezielle Verfahren", schildert Peter Schneider, Leiter für Forschung & Entwicklung bei Thoenes die Beweggründe für die Kooperation mit dem Leichtbau-Validierungszentrum.

Das LEIV wurde in einer Rekordzeit von nur 14 Monaten realisiert. Um die Versuchshalle herum herrscht Baustelle. Die Stadt Dresden errichtet weitere Abschnitte ihres Software Campus "Universelle Werke Dresden". Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschafts- und Klimaministerium (BMWK), machte es jedenfalls nichts aus, über eine Baustelle zum Festakt zu laufen. "Das ist genau richtig. Denn hier wird an der Zukunft gebaut. Hier wird demonstriert, wie nachhaltiges Wirtschaften aussehen kann", betonte der Grünen-Politiker in seinem Grußwort. Für ihn sei das LEIV ein positives Beispiel dafür, wie schnell Dinge umgesetzt werden können, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Das BMWK fördert das Zentrum mit 3,5 Millionen Euro über drei Jahre auf dem "Technologie-Transferprogramm Leichtbau". In der Halle, die angemietet ist, wurde Anlagentechnik im Wert von rund zwölf Millionen Euro installiert. Doch die Rektorin der TU Dresden, Ursula Staudinger, hat "großes Vertrauen in den Freistaat", dass er dabei behilflich sein wird, das Zentrum nach Auslaufen der Bundesförderung fortführen zu können.