ÖPNV-Streik in Dresden: 24 Stunden lang fahren keine Straßenbahnen und kaum Busse
Die Gewerkschaft Verdi hatte für Freitag zu einem 24-Stunden-Streik aufgerufen. In Dresden entfielen die meisten Verbindungen, nur wenige Linienbusse fuhren. Die Entwicklungen zum Nachlesen im Newsblog.
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Dresden. Eigentlich dauern Warnstreiks nur wenige Stunden. Werden die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) bestreikt, kehrt der Linienverkehr deshalb irgendwann im Verlauf eines Tages zum Normalbetrieb zurück. Doch am Freitag wird ganztägig gestreikt, also nicht nur morgens oder tagsüber, sondern auch in der Nacht zum Sonnabend. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem 24-Stunden-Streik aufgerufen und plant schon den nächsten Streik. Die Entwicklungen des Tages hatten wir im Newsblog begleitet.
Die DVB-Verantwortlichen gehen davon aus, dass Busse und Bahnen erst in der Nacht zum Sonnabend oder am Sonnabendmorgen planmäßig fahren.
Auf einer Kundgebung am Freitag wurde bereits für Mittwoch der nächste große Streik angekündigt.
Ministerpräsident Michael Kretschmer appellierte an Verdi.
Der Verdi-Streik im Dresdner Nahverkehr in Bildern:
17.55 Uhr: Ende des Newsblogs zum Streik im Nahverkehr in Dresden
An dieser Stelle beenden wir die Liveberichterstattung zum Streik im Nahverkehr in Dresden. Fragen zum Ausstand werden Ihnen auch auf dvb.de/streik beantwortet. Voraussichtlich soll der Streik noch bis morgen, 3 Uhr, andauern.
Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit und wünschen Ihnen einen angenehmen Abend, kommen Sie gut an Ihr Ziel!
17.13 Uhr: Ministerpräsident Michael Kretschmer appelliert an Verdi
Mit Blick auf den Tarifstreit um die Bezahlung im öffentlichen Dienst hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an die Verantwortung der Gewerkschaft Verdi appelliert. "Das ist Ihre Angelegenheit, Ihre Verantwortung", sagte er am Freitag auf der Verdi-Landesbezirkskonferenz in Leipzig, zu der auch die Ministerpräsidenten aus Thüringen und Sachsen-Anhalt angereist waren. Verdi hatte zuvor zu einem Warnstreik am Freitag aufgerufen. Der öffentliche Nahverkehr war in Leipzig, Dresden und anderen Städten Sachsens zum Erliegen gekommen.
Kretschmer betonte, dass es für die Gewerkschaft nicht einfach sei, einerseits dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst angesichts der Inflation einen Ausgleich erhalten - und andererseits darauf zu achten, dass keine Lohn-Preis-Spirale entsteht, durch die das Land an wirtschaftlicher Kraft und Wettbewerbsfähigkeit verlieren könnte. In den Tarifstreit wolle er sich aber nicht einmischen, fügte Kretschmer hinzu. "Das Klügste, was Politiker zu Tarifverhandlungen zu sagen haben, ist: nichts."
Auch Thüringens Landeschef Bodo Ramelow (Linke) äußerte sich nur zurückhaltend zum Tarifstreit. "Da geht's mir wie Herrn Kretschmer. Als Ministerpräsidenten sind wir die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst." Dennoch bezeichnete er den Kaufkraftverlust, der sich durch die Inflation ergeben habe, als "Katastrophe". Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, die ungleiche Bezahlung in einigen Branchen sei nicht hinnehmbar.
Vom Streik betroffen sind aktuell auch die Schwestern und Studentinnen Cora und Lea Ringmann, die derzeit Semesterferien haben und zum Frühstücken mit dem Bus in die Stadt gefahren sind, jetzt aber nicht mehr zurückkommen, zumindest nicht mit dem Bus. Trotzdem haben die beiden vollstes Verständnis für die Streiks. "Das sind total wichtige Jobs, die müssen ordentlich bezahlt werden", sagt Cora Ringmann. "Deshalb bin ich gar nicht so sauer auf die Leute, da ich verstehe kann, dass sie das machen." Sie findet es gut, dass man im Vorfeld Informationen zu den Streiks online finden konnte, gibt aber auch zu: "Wenn ich heute arbeiten gehen würde, würde es nicht gehen." Privat nutzen die Studentinnen häufig Bus und Bahn sowie Mobibikes.
Die Kundgebung vor dem Verkehrsmuseum ist inzwischen beendet. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Daniel Herold kündigt indes schon den nächsten Streik für den kommenden Mittwoch an. Tagsüber sei mit ähnlichen Einschränkungen zu rechnen, wie an diesem Freitag. Lediglich der Schülerverkehr am Morgen soll abgesichert werden, stellt Herold in Aussicht, "um den Schülern nicht so viel Ausfall zu produzieren". Ab 8 Uhr werde dann der ÖPNV ruhen. Er sagt, "die Bahnen kehren dann in die Depots zurück".
9.45 Uhr: Dresdner Linke: "Arbeitgeber müssen auf Streikende zugehen"
Der Dresdner Linke-Stadtrat Jens Matthis ist Mitglied im DVB-Aufsichtsrat und zeigt sich solidarisch mit den Streikenden. "Ich kann den
Vertretern der Arbeitgeberseite, also der Kommunen und der Verkehrsunternehmen
- insbesondere auch dem Dresdner Oberbürgermeister - nur empfehlen, schnell
Schritte auf die Gewerkschaften und die streikenden Beschäftigten zu zu machen."
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussehe, aber die
Verantwortlichen und die Beschäftigten der DVB würden "letztendlich in derselben
Bahn sitzen". Wenn die Einkommen bei den DVB nicht deutlich stiegen, so Matthis, würden sich viele
der hoch qualifizierten Fachkräfte andere berufliche Perspektive suchen. "Diese
Lücken angesichts des Fachkräftemangels zu schließen, wird am Ende für die
Stadt Dresden viel teurer als jetzt Gewerkschaftsforderungen zu
akzeptieren."
9.15 Uhr: Straßenbahnfahrer wünscht sich mehr Zeit für Familie
Ein 38-jähriger Straßenbahnfahrer berichtet, dass er sich mehr Zeit für die Familie wünscht. Mit vielen Einsätzen am Wochenende bleibe das oft auf der Strecke. "Auch in der Lohntüte könnte es ein bisschen mehr sein." Mit der Inflationszulage bekomme er bis September monatlich 1.900 Euro raus. Dann verdient er wieder 1.800 Euro netto. Der Schichtdienst sei sehr anstrengend - dafür ist es einfach zu wenig, sagt er.
Die Gewerkschaft fordert mindestens 500 Euro monatlich mehr Lohn.
8.45 Uhr: Demo vor dem Verkehrsmuseum
Mit Bussen des Kesselsdorfer Unternehmens Satra Eberhardt, das nicht zur DVB gehört, fahren die Streikenden nun von Gorbitz ins Stadtzentrum. Vor dem Dresdner Verkehrsmuseum findet 9.30 Uhr eine Kundgebung statt.
8.15 Uhr: Streikende fordern nicht nur mehr Geld, sondern mehr Personal
Straßenbahnfahrerin Regina Bär arbeitet seit 40 Jahren bei den Dresdner Verkehrsbetrieben. Am Freitag ist sie nach Gorbitz gekommen, um nicht nur mehr Lohn zu fordern, sondern auch mehr Personal. "Wir brauchen junge Leute, die uns Ältere unterstützen." Derzeit würden sehr viele Überstunden anfallen, damit ist sie nicht zufrieden. Sie arbeite sehr gern in ihrem Beruf, aber der Druck werde immer höher und die Fahrzeiten immer knapper. Das liege daran, dass es zu wenige Mitarbeiter gibt. Mit einem besseren Lohn würden sich mehr junge Menschen für den Beruf begeistern lassen, findet sie. Für drei Schichten, die die Fahrer leisten müssen, sei es derzeit einfach zu wenig Geld.
Das findet auch Bus- und Straßenbahnfahrer André Kühlberg, der seit sechs Jahren für die DVB arbeitet und sich im Betriebsrat engagiert. Das Angebot von fünf Prozent mehr Lohn bezeichnet er als lächerlich. Er fordert 10,5 Prozent. Für die Angestellten im öffentlichen Dienst wäre das auch eine Wertschätzung vonseiten des Arbeitgebers.
7.55 Uhr: Fahrgäste steigen aufs Fahrrad um
Sarah Herrmann wohnt in der Friedrichstadt und arbeitet als Tagesmutter in Gorbitz. Dorthin nimmt sie eigentlich die Straßenbahnlinie 2. Das ist an diesem Freitagmorgen nicht möglich und die junge Frau steigt aufs Fahrrad um. "Ich muss zugeben, es ging besser als gedacht." Anstatt 20 Minuten mit der Bahn hat sie mit dem Rad nur zehn Minuten gebraucht. "Aber es war sehr anstrengend, denn ich muss die ganze Zeit bergauf fahren." Zu ihren Kindern schafft sie es dennoch pünktlich. Eine Alternative sei das Fahrrad in Zukunft aber nicht, weil sie oft viel transportieren muss.
7.45 Uhr: Unterschiedliche Reaktionen der Fahrgäste
Bereits am frühen Morgen hatte die DVB im Kurznachrichtendienst Twitter über den Streik informiert. Anders als beim Streik 2020 gibt es dieses Mal allerdings keine Hinweise auf mögliche Verbindungen, sondern nur die Information, dass auch alle Servicepunkte und die Hotline des Verkehrsunternehmens bestreikt werden.
Die Reaktionen der Fahrgäste auf den Streik fallen ganz unterschiedlich aus. Viele Twitter-Nutzer hoffen, dass der Streik nicht zu lange dauert, zeigen aber Verständnis für die DVB-Mitarbeiter, die für einen besseren Tarif kämpfen. Andere sind verärgert, weil sie an diesem Freitag nicht mit der Bahn zur Arbeit fahren können.
7.25 Uhr: DVB-Vorstand Lars Seiffert hofft, dass Bahnen am Samstag wieder fahren
In einer Rede an die Streikenden betont DVB-Vorstand Lars Seiffert, dass er es "in Ordnung findet", wenn die DVB-Mitarbeiter mit dem Streik zeigen, dass es ohne sie "eben schlecht geht" - aber nur an einem Tag. Die Stimmung vor Ort am Betriebshof Gorbitz nehme er als fair wahr und er wünsche sich, dass sich am morgigen Samstag alle auf Arbeit wiedersehen. Das wird von einigen Streikenden mit einem Lachen quittiert.
7.20 Uhr: Rund 400 DVB-Mitarbeiter im Streik
Verdi-Bezirksgeschäftsführer Daniel Herold hat sich am Freitag ebenfalls in Gorbitz eingefunden. Er berichtet, dass derzeit rund 400 DVB-Mitarbeiter in den Dresdner Betriebshöfen streiken.
7.05 Uhr: Ruhige Lage am Hauptbahnhof
Am Hauptbahnhof sind gegen 7 Uhr mehrere Menschen unterwegs, die von außerhalb nach Dresden gekommen sind und vom Streik überrascht sind. Eine Frau ist mit dem Bus 70 Kilometer aus Waldheim angereist und will vom Hauptbahnhof aus weiter in die Johannstadt. Die Straßenbahnlinien 3 und 8 fahren dort am Freitagmorgen aber nicht hin. "Ich schaue, ob etwas kommt, ansonsten laufe ich", sagt sie. Für den Streik habe sie aber grundsätzlich Verständnis.
6.50 Uhr: Verdi-Bundeschef Frank Werneke unterstützt Streik in Dresden
Ein Reporter vor Ort berichtet, dass er auf der Fahrt von Mickten nach Gorbitz nur einen DVB-Bus auf der Linie 7/12 gesehen hat. An einer Haltestelle warteten Fahrgäste, ansonsten läuft der Verkehr flüssig.
Vor dem Betriebsbahnhof Dresden-Gorbitz, dem größten in Dresden, haben sich am Morgen rund 50 Streikende vor dem Eingang versammelt. Mit dabei: Verdi-Bundeschef Frank Werneke, der den Streik in Dresden unterstützt.
Bereits am frühen Morgen gegen 3.30 Uhr seien die ersten DVB-Mitarbeiter vor Ort gewesen, berichtet ein Gewerkschafter. Sie gehörten zur Frühschicht.
So haben wir zuvor berichtet:
Am Donnerstag haben die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) angekündigt, mit welchen Einschränkungen die Fahrgäste ab Freitagmorgen rechnen müssen. Demnach beginnt die Streikzeit um 3.30 Uhr. Das ist die Zeit, zu der morgens normalerweise die ersten Fahrer mit Straßenbahnen und Bussen ausrücken.
Die DVB erwarten, dass bei allen Straßenbahn- und Stadtbuslinien Fahrten ausfallen. Unklar sei, ob auch solche Unternehmen nicht ihr komplettes Angebot auf die Straßen bringen können, die im Auftrag der DVB Stadtbus-Strecken bedienen. Das sind zum Beispiel die Dresdner Verkehrsservicegesellschaft (DVS) und Taeter-Tours, beides Tochterunternehmen der DVB, die am Freitag eigentlich nicht bestreikt werden.
Der Regionalverkehr werde wahrscheinlich nicht bestreikt, so die DVB-Chefetage. Das heißt, dass zum Beispiel die Busse des Regionalverkehrs Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (RVSOE) planmäßig fahren. Als Alternative verweisen die Verkehrsbetriebe auf ihren Fahrradverleih "Mobibike" und auf die "Mobicars".
Auch Servicestellen und Telefonauskunft streiken
Hintergrund des Streiks sind die aktuellen Tarifverhandlungen zum Tarifvertrag der Beschäftigten im Nahverkehr. Die DVB-Verantwortlichen gehen davon aus, dass Busse und Bahnen erst in der Nacht zum Sonnabend oder am Sonnabendmorgen planmäßig fahren.
Auch das Kundenzentrum und die Servicestellen der Verkehrsbetriebe wie zum Beispiel die an der Haltestelle Prager Straße bleiben geschlossen. Ebenfalls bestreikt wird die DVB-Hotline 0351 8571011, Auskünfte zu Streikausfällen sind dort also nicht zu bekommen. Kunden müssen außerdem damit rechnen, dass die Social-Media-Kanäle der Verkehrsbetriebe nicht aktuell informieren.
DVB-Kundengarantien gelten nicht bei Streiks
Die Mobilitätsgarantie der Verkehrsbetriebe, die unter Umständen möglich macht, dass Fahrgäste bei Verspätungen oder Ausfällen auf ein Taxi umsteigen können und die Kosten dafür wenigstens zum Teil von den DVB übernommen werden, greift nicht bei einem Streik. Wer also an diesem Tag ein Taxi nutzt, anstatt Bus oder Bahn zu fahren, muss den kompletten Betrag dafür selbst bezahlen.
Eine Alternative können allerdings Regional- und S-Bahnen sein. Sie fahren planmäßig auch am Streiktag, denn dieses Angebot gehört nicht zu den DVB.
Verdi kündigte am Mittwoch fast komplettes DVB-Aus an
"Wenig bis nix" wird am Freitag bei den Dresdner Verkehrsbetrieben gehen, erwartet Paul Schmidt, Leiter des Fachbereichs "Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr" im Verdi-Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Die Mitarbeiter aller DVB-Betriebshöfe seien zu dem 24-Stunden-Streik aufgerufen worden, der Fahrplan könne an diesem Tag "auf keinen Fall" gehalten werden. Es sei Sache der Arbeitgeber zu entscheiden, ob einzelne Fahrzeuge unterwegs sein sollen. Laut DVB-Sprecher Falk Lösch ist kein Sonderfahrplan für diesen Tag vorgesehen.
Schmidt kündigt an, der ganztägige Streik beginne mit der Frühschicht bei den Verkehrsbetrieben. Das bedeutet, dass die Busse und Bahnen, die normalerweise morgens gegen 4 Uhr ausrücken, in den Betriebshöfen bleiben.
Manche Busse fahren trotz Streik
Folgen die Mitarbeiter dem Streikaufruf, betrifft der Ausstand alle Straßenbahn- und viele Buslinien. Nicht betroffen sind von dem Streik dann lediglich Busse, die zwar auf DVB-Strecken unterwegs sind, aber nicht von Verkehrsbetriebe-Mitarbeitern gesteuert werden. Für die DVB fahren auch Kollegen der Dresdner Verkehrsservicegesellschaft (DVS) und von Taeter Tours. Beide Firmen gehören den DVB, die DVS zu 100 Prozent und Taeter Tours zu 49 Prozent. Für die Fahrer dort gilt der Streikaufruf nicht, sie werden also fahren.
Beim letzten Streik im Oktober 2020 erklärten die DVB-Verantwortlichen im Social-Media-Kanal Twitter, dass die Linien 61, 65, 66, 70, 72, 74, 75, 76, 79, 80, 81, 83, 84, 85, 86, 88, 89 und 90 trotz des Streiks bedient würden. "Aussagen zur Pünktlichkeit können wir aktuell nicht treffen", hieß es damals.
Genau damit müssen die Fahrgäste nun auch am Freitag rechnen. Wo ein - womöglich eingeschränkter - Linienbetrieb angeboten werden könnte, haben die DVB-Verantwortlichen bisher noch nicht erklärt. Beim Streik im September 2020 versuchten sie, die Fahrgäste unter anderem über Twitter auf dem Laufenden zu halten. Dort veröffentlichte das Unternehmen am Streiktag sogenannte Service-Tweets und beantwortete auch Fragen einzelner Kunden zu noch möglichen Verbindungen.