Dresden
Merken

Tempo 30 am Terrassenufer: Warum Dresden plötzlich auf Verkehrsversuche setzt

Zu teuer, zu umständlich: Jahrelang weigerte sich Dresden, aufwendige Verkehrsversuche durchzuführen. Das ändert sich jetzt. Los geht es am Terrassenufer.

Von Dirk Hein
 4 Min.
Teilen
Folgen
Seit 2021 gibt es am Terrassenufer einen Radschutzstreifen, jetzt wird Tempo 30 folgen.
Seit 2021 gibt es am Terrassenufer einen Radschutzstreifen, jetzt wird Tempo 30 folgen. © Sven Ellger

Dresden. Seit Jahren fordern Politiker, aber auch Lobbyorganisationen wie der Fahrradklub ADFC wiederholt Verkehrsversuche. Dabei würde die Verkehrsbehörde zeitlich befristet zum Beispiel Änderungen von Vorfahrtsregelungen oder die Wegnahme einzelner Fahrspuren austesten. Während dieses Zeitraumes würde der Verkehr intensiv beobachtet, auch Schleichverkehre würden untersucht. Im Anschluss daran würde anhand der neuen Daten entschieden, ob der Verkehr besser oder schlechter als vorher fließt. Derartige Versuche waren in Dresden bisher jedoch rar. Das ändert sich jetzt.

Wo gab es bisher Verkehrsversuche?

Im Sommer 2011 ordnete die Stadt einen Verkehrsversuch auf der Schäferstraße zur Verringerung der Wartezeiten der Straßenbahn-Linie 1 an. Linksabbieger konnten bis Ende November nicht mehr von der Schäferstraße in die Weißeritzstraße abbiegen. Der Versuch kostete 5.000 Euro, die Maßnahme blieb bestehen. Die Wartezeit für die Linie 1 in Richtung Stadt wurde um durchschnittlich 35 Sekunden verringert. Beim Autoverkehr gab es kaum Auswirkungen.

Zur Verbesserung der Verkehrssituation am Fetscherplatz wurde dort im Oktober 2011 das Linksabbiegen aus Richtung Großer Garten kommend in die Striesener Straße verboten. Auch dieser Versuch überzeugte die Stadt. Autos standen kürzer im Stau, Fußgänger hatten länger Grün.

Seither gab das Rathaus keinen weiteren Verkehrsversuch bekannt. Viel eher weigerte sich die Verwaltung, der Forderung nach Verkehrsversuchen zum Beispiel für mehr Radfahr-Sicherheit nachzukommen. Der ADFC hatte dies gefordert, um Radwege entlang der Albertstraße zu ermöglichen. Die Stadt stimmte dem nie zu. Am Ende beschloss der Stadtrat den Radweg ohne dieses Hilfsmittel.

Wieso ändert die Stadt ihre Meinung jetzt?

Aus Sicht von Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) sind Verkehrsversuche ein schnell durchführbares und effizientes Mittel, um den Verkehr in der Stadt neu zu ordnen, die neuen Regeln aber auch hinreichend zu überprüfen. Dies soll nun stärker umgesetzt werden. "Das Straßen- und Tiefbauamt und das Amt für Stadtplanung und Mobilität arbeiten an den von Herrn Kühn angekündigten Verkehrsversuchen, die wir künftig häufiger als bisher einsetzen wollen", sagt dessen Referentin, Doris Oser.

Teilweise agiert aber auch der Stadtrat anders als in den letzten Jahren. Vor allem die CDU versucht sich als eine Partei zu etablieren, die immer öfter auch zugunsten von Radfahrern und den Verkehrsbetrieben beim geplanten Bau und der Sanierung von Straßen entscheidet. Zuletzt war dies der Fall, als im Rat eine Mehrheit für drei statt vier Spuren auf einem Teilstück der Kesselsdorfer Straße stimmte. CDU-Stadtrat Veit Böhm stimmte dem im Namen seiner Fraktion unter der Bedingung zu, dass vorher ein Verkehrsversuch durchgeführt wird.

Wo werden weitere Verkehrsversuche stattfinden?

Zum einen will Bürgermeister Kühn per Verkehrsversuch Elterntaxis einschränken. Besonders häufig wurden am Schuljahresbeginn Probleme durch Falschparker vor der 43. Grundschule (Riegelplatz 2), der 62. Grundschule (Pillnitzer Landstraße 38), der 63. Grundschule (Wägnerstraße 26) sowie vor der Melli-Beese-Grundschule (Marienallee 12) und der Grundschule Naußlitz (Saalhausener Straße 61) registriert. Häufig parkten Fahrzeuge ordnungswidrig im Kurvenbereich, auf Gehwegen und vor abgesenkten Bordsteinen. Stephan Kühn: "Im neuen Schuljahr planen wir daher mit der Arbeitsgemeinschaft Schulwegsicherheit zwei bis drei entsprechende Verkehrsversuche zum Thema Elterntaxis."

Weiterhin will Dresden Tempo 30 in einigen sensiblen Straßenabschnitten vorerst im Verkehrsversuch anordnen. Die Stadt prüft dafür mehrere Straßen. Konkret geplant ist die Temporeduzierung laut Bürgermeister Kühn am Terrassenufer. Dort wurde im Sommer 2021 ein 900 Meter langer Schutzstreifen auf der südlichen Seite des Terrassenufers zwischen Italienischem Dörfchen und Steinstraße angelegt. Dadurch sollen Radfahrer bequemer vorankommen, gleichzeitig werden die Konflikte zwischen Fußgängern und Radlern auf dem Gehweg entlang der Dampferanlegestellen reduziert. Viele Radfahrer fühlen sich auf dem Schutzstreifen aber nicht ausreichend sicher.

Weiterhin will das Rathaus sogenannte "Reallabore", die mit dem Dresdner "Mobilitätsplan 2035 plus" geplant sind, im Verkehrsversuch umsetzen. "Dabei wollen unsere Verkehrsplaner experimentell Erfahrungen sammeln, die auf andere Fälle übertragbar sind", sagt Doris Oser. Wo und wie diese "Reallabore" eingesetzt werden, wird noch geprüft.

"Reallabore" werden laut Wirtschaftsministerium durch eine neue Experimentierklausel möglich, sie beziehen sich unter anderem auf Regelungen für autonome Fahrzeuge und Drohnen.