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Wo Dresden neue Fußwege bauen will

Zu Fuß gehen soll attraktiver werden, auch bei längeren Strecken. Wie Dresden das erreichen will.

Von Kay Haufe
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Viele Wege in der Stadt führen zu Haltestellen oder von ihnen weg in die Wohnviertel.
Viele Wege in der Stadt führen zu Haltestellen oder von ihnen weg in die Wohnviertel. © René Meinig

Dresden. Ob morgens die Kinder zur Schule bringen, am Wochenende im Großen Garten spazieren oder unterwegs zur Arbeit - zwischen 26 und 28 Prozent aller Wege in Dresden werden zu Fuß erledigt. Würde es kürzere und vor allem sicherere Verbindungen geben, wären es wohl noch deutlich mehr.

Um die Bewegung zu Fuß in Dresden stetig und dauerhaft zu fördern, hat die Stadt seit 2018 eine Fußverkehrsstrategie erarbeitet, die jetzt vorliegt und bald vom Stadtrat beschlossen werden soll. Wo soll der Spaziergang sicherer und komfortabler werden. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Strategiepapier.

Folgende Fragen werden Ihnen in diesem Artikel beantwortet:

  • Welches Ziel verfolgt die Stadt?
  • Wie viele Wege werden bereits zu Fuß zurückgelegt?
  • Wie viele Meter oder Kilometer nehmen die Dresdner für einen Fußmarsch in Kauf?
  • Wie ist der aktuelle Zustand der Gehwege?
  • Wo werden neue Fußwege gebraucht?
  • Wo sind neue Querungsstellen nötig?
  • Wo sind neue Fußgängerampeln nötig?
  • Was kostet das alles?
  • Wie schätzen Fußverkehrs-Vereine das Konzept ein?

Welches Ziel verfolgt die Stadt?

Kurz gesagt, sollen künftig deutlich mehr Dresdner zu Fuß gehen als aktuell, auch aus Klimagründen. Das könnte durch das zweite Ziel gelingen, indem die Verkehrssicherheit für zu Fuß Gehende verbessert wird und damit auch ihr Sicherheitsempfinden steigt.

Öffentliche Räume sollten für Fußgänger mindestens genauso attraktiv sein wie für Rad- und Autofahrer. Das heißt, Fußwege oder Stadtplätze sollen, auch durch wesentlich mehr Grün, zum Aufenthalt einladen.

Gleichzeitig soll es kurze Wege zu Bus- und Bahn-Haltestellen sowie Sharing-Angeboten geben. Bisher hat der Fußverkehr bei Planungen offenbar nur eine untergeordnete Rolle gespielt, künftig soll er beim Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen gleichberechtigt behandelt werden. Generell soll jetzt bei Bauplänen eine "Stadt der kurzen Wege" als Prämisse gelten.

Wie viele Wege werden bereits zu Fuß zurückgelegt?

Im Vergleich zu DDR-Zeiten immer noch deutlich weniger. 1982 haben die Dresdner 39 Prozent aller Wege zu Fuß erledigt, sechs Prozent mit dem Fahrrad, 32 Prozent mit Bussen und Bahnen sowie 23 Prozent mit dem Auto. Das hatte natürlich diverse Ursachen, unter anderem, dass damals nur ein Teil der Bevölkerung ein Auto hatte, wogegen heute sogar zwei Autos pro Familie keine Seltenheit sind.

So ist es nicht verwunderlich, dass es 2018 eine ganze andere Verteilung bei der Verkehrsmittelwahl, dem sogenannten Model Split, gab. Nur noch 26 Prozent aller Wege wurden zu Fuß absolviert, auf 18 Prozent stieg die Fahrradnutzung an, auf 20 Prozent sank die von Bussen und Bahnen ab, während 36 Prozent aller Wege mit dem Auto erledigt wurden.

Interessant ist, dass sich der Anteil der Wege zu Fuß seit der Wende kaum verändert hat und relativ konstant zwischen 26 und 28 Prozent liegt.

Grundsätzlich werden in dichter besiedelten Stadtteilen mehr Wege zu Fuß zurückgelegt als in Einfamilienhausgebieten in Stadtrandlagen, was auch mit dem dichten Netz an ÖPNV-Angeboten in der Innenstadt zu tun hat.

Ab welcher Entfernung wird das Zu-Fuß-Gehen unattraktiv?

Je kürzer die Entfernung zum Ziel, desto häufiger gehen die Leute zu Fuß. Wege bis zu einem Kilometer werden von 71 Prozent aller Verkehrsteilnehmer zu Fuß zurückgelegt, bis zu drei Kilometer Entfernung immer noch von 22 Prozent. Rasant sinkt der Wert ab einem Weg zwischen drei und fünf Kilometer, den nur noch zwei Prozent zu Fuß zurücklegen. Hartgesottene ein Prozent gehen auch mehr als fünf Kilometer zu Fuß.

Die Stadt hat ermittelt, dass 56 Prozent aller Wege, die in Dresden zurückgelegt werden, bis zu drei Kilometer lang sind. Aber auch diese werden noch von 45 Prozent mit dem Auto zurückgelegt. Hier sei Potenzial, sie in Fußverkehr umzuwandeln.

Ein besonderer Aspekt im Kontext der Verkehrsmittelwahl sei das sogenannte "Elterntaxi", heißt es im Strategiepapier. 2018 wurden 32 Prozent der Grundschulkinder zur Schule begleitet, davon 16 Prozent mit dem Auto. Ziel ist es hier, die Bedingungen für das Zufußgehen zu verbessern, um die Autowege zu reduzieren.

Wie ist der Zustand der Fußwege?

In der Dresdner Straßendatenbank sind insgesamt 2.097 km Gehwege ausgewiesen. Der Zustand von 433 Kilometern davon erfordert mindestens kurzfristige Erhaltungsmaßnahmen (Stand 2016).

Seit 2009 ist nicht genügend Geld bereitgestellt worden, um den damaligen Zustand wenigstens zu halten. Der Instandhaltungsrückstau wird aktuell für das Stadtgebiet auf vier Millionen Euro geschätzt.

Wo werden neue Fußwege gebraucht?

In der neuen Fußverkehrsstrategie wird auch der Neubau von Fußwegen betrachtet, der an vielen Stellen nötig ist, um überhaupt durchgehende Wege für Fußgänger anbieten zu können. In der Liste von Projekten, die je nach Dringlichkeit in die Kategorien 1 bis 4 unterteilt sind, stehen allein 72 Maßnahmen der höchsten und hohen Kategorie 1 und 2. Sie umfassen den Neubau von 24,2 Kilometern Gehweg, wofür 36,4 Millionen Euro nötig sind.

Beispiele dafür sind unter anderem ein Fußwegneubau an der Lohmener Straße zwischen Otto-Schindler-Straße in Pillnitz und Dorfplatz in Oberpoyritz, einer auf der Warthaer Straße zwischen Hausnummer 90 und 94 sowie ein Neubau auf der Stauffenbergallee zwischen Hammerweg und Radeburger Straße.

Weitere 98 Neubauprojekte mit einer Länge von 40,4 Kilometern werden in den Kategorien 3 und 4 vorgeschlagen. Für ihren Bau wären neun Millionen Euro veranschlagt.

Wo sind neue Querungsstellen nötig?

Um einen Gehweg durchgehend und sicherer zu machen, sind vor allem weitere Querungsstellen in der Stadt nötig. Im Rahmen der neuen Fußverkehrsstrategie wurden die Wege erfasst und analysiert. Dabei wurden 1.862 Orte für zusätzliche Querungsstellen identifiziert, die nun geprüft werden sollen. Sie wurden in Kategorien 1 bis 4 von höchster bis niedrigster Priorität geordnet.

Dabei wurden allein 168 Straßenübergänge von höchster bis hoher Priorität festgestellt, für deren Bau rund 20,5 Millionen Euro nötig wären. Konkrete Projekte der Prio 1 sind unter anderem vorgesehen an der Tharandter Straße/Ecke Anton-Weck-Straße, an der Hechtstraße/Ecke Buchenstraße, an der Güntzstraße/Ecke Dürerstraße oder an der Bautzner Straße/Ecke Wolfsgasse, um nur einige zu nennen. Je Querungsstelle wird mit Kosten von 50.000 bis 250.000 Euro gerechnet.

Wo brauchen Knotenpunkte weitere Fußgängerampeln?

Einer der Schwerpunkte ist auch die Untersuchung von Knotenpunkten, an denen zu Fuß Gehende durch fehlende Fußgängerampeln zu langen Umwegen gezwungen sind. Die Analyse ergab, dass an 34 Knotenpunkten eine Ergänzung für den Fußverkehr sinnvoll ist.

So unter anderem am Güntzplatz, wo die Süd-Querung zur Güntzstraße fehlt, an der Kreuzung Teplitzer-/Caspar-David-Friedrich-Straße, wo die Südost-Querung zur Teplitzer Straße fehlt oder an der Ecke Winterbergstraße/Grunaer Weg, wo es keine Fußgängerampel an der Südost-Querung zur Winterbergstraße gibt.

Die planerischen und finanziellen Anforderungen für die Nachrüstung von Fußgängerfurten an Ampelknotenpunkten seien allerdings erheblich, oft sei dafür ein Komplettumbau der Straßenkreuzung und der Zufahrten erforderlich, heißt es im Papier. Deshalb sei nur eine sukzessive Ergänzung von Furten im Rahmen von anderen Planungen möglich.

Was kostet die Umsetzung der Strategie?

Allein für den Neubau von Gehwegen, Querungstellen und den Umbau von Ampeln schätzt die Stadt den Bedarf auf 62 Millionen Euro im Zeitraum von 2023 bis 2033 ein. Dazu kommen Instandhaltungs-, Personal- und Sachkosten von weiteren 16 Millionen in diesen zehn Jahren.

Das Budget für die Umsetzung der Fußverkehrsstrategie ist bisher nicht im städtischen Haushalt gesichert.

Wie schätzen Fußverkehrs-Vereine das Papier ein?

Um die verschiedensten Sichtweisen und Anforderungen auszuloten, haben am Konzept auch der Seniorenbeirat, der Verein zu Fuß, der Verband der Körperbehinderten sowie der Blinden- und Sehbehindertenverband oder das Kinder- und Jugendbüro der Stadt mitgearbeitet.

Grundsätzlich sei es gut, dass dieses Papier entstanden ist und dafür auch externe Akteure mit einbezogen wurden, sagt Matthias Medicus vom Verein "Dresden zu Fuß", der Ortsgruppe im Fachverband Fußverkehr Deutschland. "Wir wünschen uns allerdings mehr kurzfristige Lösungen, um Problemstellen zunächst provisorisch, aber dafür schnell lösen zu können, was zu mehr Sicherheit der zu Fuß gehenden sorgt", sagt Medicus.

In Dresden würden stattdessen oft sehr große, umfangreiche Lösungen favorisiert, die teuer sind und lange dauern. Für Querungsstellen könnte man beispielsweise Verkehrsinseln mit Markierungen herstellen.

"Wir wünschen uns außerdem einen Fußverkehrsbeauftragten, der alle diese Fragen koordiniert. Denn Fußverkehr ist ein Querschnittsthema, das viele Bereiche wie Müllabfuhr, Winterdienst, Grünflächen und mehr berührt", sagt Medicus. Dafür brauche es eine Vernetzung innerhalb der Verwaltung.