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Vom Taschenbergpalais bis zum Innside: Fernkälte für Dresdner Neumarkt

Eines der größten deutschen Fernkältenetze versorgt das Gebiet am Neumarkt in Dresden. Wie es funktioniert und welche Spar-Lösung es fürs Grundwasser gibt.

Von Peter Hilbert
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Johannes Löffler von der Sachsen-Energie in der Fernkältezentrale unterm Kulturpalast. Der Spezialist ist für die Kälteversorgung des Gebietes am Neumarkt zuständig, sodass selbst in heißen Sommern in den Gebäuden ein angenehmes Klima herrscht.
Johannes Löffler von der Sachsen-Energie in der Fernkältezentrale unterm Kulturpalast. Der Spezialist ist für die Kälteversorgung des Gebietes am Neumarkt zuständig, sodass selbst in heißen Sommern in den Gebäuden ein angenehmes Klima herrscht. © Sven Ellger

Dresden. Im Keller des Dresdner Kulturpalastes ist das Herzstück des Fernkältenetzes am Neumarkt. Dort steht Johannes Löffler in einem großen Raum inmitten von Rohren, Anlagen und Armaturen. Auf rund 300 Quadratmetern ist die Fernkältezentrale des Gebietes rund um den Neumarkt untergebracht.

Der Spezialist vom technischen Vertrieb ist bei der Sachsen-Energie für Kälteversorgung des Gebietes zuständig und hier voll in seinem Element. Löffler erklärt mit dem Kälte-Vertriebschef des Unternehmens, Swen-Sören Börner, wie weit sie beim Ausbau dieses speziellen Netzes gekommen sind.

Fernkältenetz mit Quartier Hoym in Dresden vollendet

1,9 Kilometer lang ist das Fernkältenetz am Neumarkt, das zu den größten Deutschlands zählt. Angeschlossen sind Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels und Restaurants. Jedes Jahr sind neue hinzugekommen, so 2021 der Komplex des Schlossecks, erklärt Löffler. Zuletzt wurde Anfang dieses Jahres das Quartier Hoym angeschlossen. Bis zum Jahresende werden die Anlagen schrittweise in Betrieb genommen. "Damit ist das Fernkältenetz am Neumarkt nach über 20 Jahren komplett vollendet", erklärt Vertriebschef Börner.

Die Fernkälte wird jedoch nicht nur in der warmen Jahreszeit geliefert, sondern auch im Winter. Dann wird sie unter anderem für Kühlschränke und Tiefkühltruhen von Hotels und Restaurants benötigt. Allerdings ist im Winter nur eine Kälteleistung von bis zu einem Megawatt erforderlich. Im Sommer liegt sie deutlich höher. So wurde 2022 ein Spitzenwert von 3,7 Megawatt (MW) erreicht. Zum Vergleich: 2006 waren es nur rund 1,4 MW.

Selbst bei Hitze haben die Dresdner Anlagen noch Reserven

Die Fernkälte-Zentrale unterm Kulturpalast wurde 2004 in Betrieb genommen. Dort stehen heute drei Turbo-Kompressionskältemaschinen mit einer Leistung von knapp fünf Megawatt. Sie arbeiten nach dem Prinzip eines Kühlschranks. Sechs Grad kaltes Wasser strömt durch die Leitungen in die Häuser um den Neumarkt. Auf zwölf Grad erwärmt kommt es in dem Kreislauf zurück und wird wieder abgekühlt.

Derartige Kältemaschinen speisen auch noch vom Taschenbergpalais sowie vom Innside-Hotel auf der Salzgasse aus Fernkälte ins Neumarkt-Netz. Insgesamt liegt die Leistung damit bei über neun Megawatt. "Aber auch wenn alles angeschlossen ist, haben wir im Sommer noch Reserven", versichert der Vertriebschef.

Kühlung: Abwärme geht ins Dresdner Grundwasser

In dem architektonisch sensiblen Gebiet gibt es allerdings eine Besonderheit. Die Wärme kann nicht - wie sonst üblich - über sichtbare Einrichtungen auf Dächern abgeleitet werden. Zum Verständnis: Beim nach dem gleichen Prinzip arbeitenden Kühlschrank geschieht dies über die Rückseite. Deshalb wird die Abwärme ans Grundwasser abgegeben.

Es wird aus einem speziellen System zur Fernkältezentrale gepumpt. Erfasst wird Grundwasser in einem 18 Meter tiefen Brunnen am Kulturpalast an der Ecke zur Galeriestraße. Auf etwa 30 Grad erwärmt, fließt das Grundwasser letztlich wieder in die Elbe.

Die Spar-Lösung: Zusätzliches Grundwasser aus Baugruben

Die vergangenen Jahre waren oft sehr trocken. Das hat Konsequenzen im Untergrund. Die Grundwasserstände sind niedrig. Deshalb wird seit Sommer 2018 eine Lösung praktiziert, die sich bewährt hat.

In der Baugrube für den Wohnkomplex "Boulevard Am Wall II" von Baywobau/CTR war damals damit begonnen worden, das knappe Grundwasser nicht wie zuvor üblich über die blauen Hochleitungen nur in die Elbe zu pumpen. Es wurde auch dafür genutzt, um den Tiefbrunnen unter dem Kulturpalast für das Fernkältesystem am Neumarkt mitzuversorgen. Seitdem führen blaue Leitungen auch dorthin.

Zuletzt wurde Grundwasser aus der Baugrube für den Rathaus-Neubau am Ferdinandplatz zum Kulturpalast gepumpt. Im vergangenen Jahr waren es rund 83.000 Kubikmeter. Im Sommer konnte damit der Grundwasserbedarf der Fernkältezentrale fast vollständig gedeckt werden, erklärt Technik-Spezialist Löffler.

Zentrale am Dresdner Hauptbahnhof wird erweitert

Es gibt aber noch zwei weitere Kältezentralen, eine davon im Keller des World Trade Centers (WTC). Da dort weitere Büros gekühlt werden sollen, wurde die Zentrale in den beiden vergangenen Jahren erweitert. Die Leistung wurde um 50 Prozent von 2,4 auf 3,6 MW erhöht, erläutert Vertriebschef Börner.

Zudem gibt es am Wiener Platz eine Kältezentrale im Keller des Kugelhauses. Eine weitere ist im Keller des City-Centers am Hauptbahnhof, das von der Sachsen-Energie derzeit saniert wird. Seit 2016 wird von dort aus auch der Hauptbahnhof mit Fernkälte versorgt. Derzeit wird die Kältezentrale komplett erneuert, sodass künftig das neue Hochhaus der Sachsen-Energie auch mitversorgt werden kann. "Die Leistung wird von 1,6 auf 4,8 Megawatt steigen", sagt Börner.