Dresden. André Sarrasani weiß wie es sich anfühlt, finanziell am Boden zu liegen. Er ist vor ein paar Jahren mit seiner Firma insolvent gegangen, befindet sich deshalb zusätzlich in Privatinsolvenz.
Aber er will nicht aufgeben, niemals. Sarrasani versucht alle Situationen zu meistern. Manchmal auch hemdsärmelig, sodass er Rückschläge wie am Standort unterhalb der Marienbrücke erleidet. Auch jetzt hat er einen Plan.
Eigentlich wäre die Saison schon im November gestartet. Bereits im Oktober hatte Sarrasani das Trocadero-Zelt zunächst neben dem Kongresszentrum aufgebaut. Allerdings war der Standort weder genehmigt noch genehmigungsfähig - ein Schwarzbau.
Also musste der Magier und Zeltbauer ihn wieder abbauen und umziehen. Das Trocadero-Lager ist nun am neuen Standort an der Washingtonstraße aufgeschlagen. Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen dürfen allerdings auch hier keine Veranstaltungen wie die Dinner-Shows stattfinden. Das gilt mindestens bis zum 10. Januar, was danach passiert, ist offen.
"Wir wollen auf jeden Fall spielen"
"Wir bleiben dort stehen", so Sarrasani. "Der Mietvertrag für die Fläche wurde gerade verlängert und auch die Genehmigungen für alles." Warum er in diesen unsicheren Zeiten nicht zusammenpackt und sein Material im Lager in Ottendorf-Okrilla verstaut, hat einen einfachen Grund. "Wir stehen Gewehr bei Fuß."
Soll heißen, sobald es Lockerungen in den Corona-Maßnahmen gibt und Kulturveranstaltungen wieder zugelassen werden, will Sarrasani umgehend loslegen. "Das Weihnachtsgeschäft ist gelaufen. Von November bis Januar verdienen wir sonst im Prinzip das Geld fürs ganze Jahr." Außerdem bringe es nichts, jetzt abzubauen. Die Kosten für Aufbau und Miete habe er so oder so, das Zelt erneut ab- und irgendwann wieder aufzubauen, sei noch teurer.
Jetzt plane er eben um. "Wir wollen unbedingt spielen. Dann eben als Frühlings-Varieté und im Notfall eben zu Ostern oder noch später." Zur Not werde er auch weniger Gäste in das Zelt lassen, wenn das erforderlich ist.
"Vakuum an Unterhaltung"
Die Zuschauer würden schon kommen, wenn es wieder geht, ist sich Sarrasani sicher. Er hat bereits rund 1.500 Tickets im Vorverkauf verkauft und nur sehr wenige Stornierungen. "Die Einschränkungen werden irgendwann gelockert und die Leute haben dann - eigentlich schon jetzt - ein gewisses Vakuum an Unterhaltung."
Zudem habe er einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Zirkussen und Dinner-Shows. "Wir haben bis auf die Künstler alles im eigenen Haus, können sehr schnell hochfahren, wenn es wieder geht", so Sarrasani. "Auch wenn es etwas fies ist, aber auch die Künstler werden weiter dabei sein, denn sie können jetzt ja nicht woanders auftreten."
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"Finanziell noch verkraftbar"
Wirtschaftlich sei es natürlich schwierig, ohne die geplanten Ticket-Verkäufe und zusätzlichen Einnahmen während der Shows. "Aber die Lage ist finanziell noch verkraftbar", sagt der Magier. "Wir rechnen mit den Hilfen vom Bund, mal sehen, ob die 75 Prozent wie angekündigt kommen."
Aber er könne die Situation auch nicht ändern, sondern nur annehmen und das Beste daraus machen. "Wir haben einige Aufträge, die unabhängig von der Pandemie sind." Dabei gehe es um die Vermietung von Zelten, etwa wieder für die Landesbühnen Sachsen für die Felsenbühne in Rathen und das Nachwuchsfestival junger Künstler in Wiesbaden. "Zudem hoffe ich auf das Gutscheingeschäft zu Weihnachten", so Sarrasani. An ein erneutes Desaster wie eine Insolvenz wolle er noch nicht denken. "Auch wenn Kultureinrichtungen als erste geschlossen werden und als letzte wieder öffnen dürfen".
Tiger "schnappt" beim Training
Doch Sarrasani hat noch andere Sorgen. Er stellt sich nicht nur die Frage, wann und ob er wieder spielen kann - auch Tigerdame "Kaya" ist zu einem Problem geworden. Die hatte Anfang Oktober einen Bodenleger gebissen und schwer verletzt. Der Mann hatte angetrunken in den Käfig gegriffen, um mal einen Tiger zu "streicheln". Er musste operiert und sein Leben gerettet werden.
Sarrasani fürchtet Veränderungen, die der Vorfall in dem Raubtier ausgelöst haben könnte. "Kaya geht es gut, sagt er. Weil sie nun aber zum ersten Mal in ihrem Leben einen Menschen gebissen habe, wisse sie nun erst, dass sie das kann. "Das ist ein Problem, weil sie es nun weiter ausprobieren wird." Auch für ihn sei es schwierig, damit im Kopf umzugehen - "zu wissen, dass sie schnappen könnte." Er und seine Frau trainieren zwei bis drei Mal pro Woche mit der Tigerdame. "Das läuft eigentlich gut, aber sie hat jetzt auch schon mal geschnappt." Dabei sei zwar nichts passiert, aber die Gefahr bestehe nun dauerhaft. "Deshalb wird sie definitiv kein Leinen-Tier mehr", sagt Sarrasani. Kaya wird also nicht mehr ohne Käfig auf der Bühne stehen, nur an einer Leine gesichert, die Sarrasani hält. "Aber sie wird weiterhin im Käfig auftreten."