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Wieder Prozess gegen Drogendealer: Fast 20 Jahre Haft auf dem Prüfstand

Ein altbekannter Intensivtäter beschäftigt noch immer das Landgericht Dresden mit seinen drei Verfahren.

Von Alexander Schneider
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Katja Reichel war zum Prozessauftakt als einzige von drei Anwälten an der Seite von Ammar R. (2.v.r.).
Katja Reichel war zum Prozessauftakt als einzige von drei Anwälten an der Seite von Ammar R. (2.v.r.). © Foto: Alexander Schneider

Dresden. Erst im Juli wurde Ammar R. am Landgericht Dresden zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Innerhalb weniger Wochen hatte er im Jahr 2020 mehr als 50 Kilo Crystal verkauft. Eigentlich hätte er damals längst in Strafhaft sitzen müssen, was der Lage des schwer kriminellen Mannes eine gewisse Tragik verleiht.

Jetzt, keine drei Monate nach dem letzten Urteil, steht er wieder vor dem Landgericht. Es gibt noch offene "Altverfahren". Insgesamt geht es für den 29-Jährigen um knapp 20 Jahre, und genau genommen droht ihm eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

Der Reihe nach: Am 30. April 2018 wurde Ammar R. nach einem neunmonatigen Prozess wegen Drogenhandels, Waffenbesitzes und sexueller Nötigung zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Doch das Urteil gegen den Deutsch-Iraker, er ist der jüngere Bruder des bekannten Rappers "Nash" der KMN-Gang, wurde kassiert. Ein Richter hatte das Urteil nicht unterschrieben.

Der Bundesgerichtshof verwies die Sache Anfang 2019 zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück. Zu allem Unheil wurde R. nach rund zwei Jahren auch noch aus der Untersuchungshaft entlassen – sein Fall war damit weniger dringlich. Das Verfahren war keine Haftsache mehr.

Im Juni 2019 wurde Ammar R. in seinem zweiten Verfahren zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt – wegen Handels mit Marihuana und Heroin und wegen Führens einer Pistole, die er 2015 bei einer Schießerei mit einer rivalisierenden Tschetschenen-Gruppe abgefeuert hatte. Dafür gab es dreieinhalb Jahre Haft. Seit Herbst 2020 verbüßt R. dieses Urteil.

Sicherheitsverwahrung gefordert

Im Juli 2022 folgte das Zehneinhalb-Jahre-Urteil im dritten Verfahren. Auch R. gehörte nach Überzeugung des Gerichts zu den Kriminellen, die den Krypto-Dienst "EncroChat" genutzt hatten. Französischen Behörden war es gelungen, die angeblich abhörsichere Handy-Kommunikation für die Monate April bis Juni 2020 zu entschlüsseln.

Ein Umsatz von gut 50 Kilo Crystal in so kurzer Zeit spricht dafür, dass Ammar R. jegliches Maß verloren hatte. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher in diesem Verfahren für den 29-jährigen Intensivtäter sogar die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Das Gericht lehnte die Unterbringung ab – Staatsanwaltschaft und Angeklagter akzeptierten das Urteil nicht und beantragten Revision.

Seit Ende September geht es wieder um das älteste Verfahren. Doch dem kassierten Urteil von fünfeinhalb Jahren wurde zur Neuverhandlung eine neue Anklage hinzugefügt: Im September 2019 soll R. in einer längst abgerissenen Shisha-Bar am Hauptbahnhof einen 30-Jährigen niedergestochen haben. Wieder stehen neue Tatvorwürfe gegen "Ammar Allmächtig" im Raum.

Ein neues Gesamtpaket?

Das Gericht ist an einer Gesamtlösung interessiert. Formal addiert bedeuten die drei Urteile 19 Jahre und sechs Monate Haft. Denkbar ist, dass Staatsanwaltschaft und R. auf Rechtsmittel im EncroChat-Urteil verzichten. Das Gericht könnte dann aus allen drei Urteilen ein Gesamtpaket schnüren. Der Vorteil wäre für R. eine klare Perspektive.

Doch Ammar R. hat drei Verteidiger, die sich offenbar nicht einig sind. Zum Auftakt war jedoch nur seine Dresdner Wahlverteidigerin Katja Reichel da. Der Prozess wird fortgesetzt. Die Kammer von Jürgen Scheuring hat zunächst 15 Sitzungstage bis Ende März 2023 anberaumt.