Nachhaltig bis unter die Dusche

Dresden. Wer die mit Graffitis und Aufklebern übersäte Hausecke, in der früher eine Backstube war, sieht, käme nicht auf die Idee, dass hinter der Tür eine Kosmetikproduktion steckt.
Doch zwei Straßen hinter dem Bahnhof Neustadt haben vier junge Dresdner ihren Unternehmenssitz - und eine Vision. Ihre Produkte sollen Menschen helfen, sich zu pflegen und Lebensmittel aufzubewahren - ohne dabei Plastikmüll zu produzieren, der die Weltmeere verschmutzt.
Nicht auf die Karriere fixiert
Klingt idealistisch, doch nicht unrealistisch. Denn Umweltschutz ist längst kein Nischenthema mehr. 42 Prozent aller Deutschen legen laut einer aktuellen Studie Wert auf Nachhaltigkeit. Und auch für Unternehmen wird ein "Öko-Image" immer wichtiger, um langfristig Erfolg zu haben.

Für Zeno Kakuschke und seine Freunde sind die plastikfreien Produkte ihres Start-ups Apinima kein Mittel zum Zweck. Kakuschke, der für sein Wirtschaftswissenschafts-Studium von Berlin nach Dresden kam, konnte mit der Karriere-Fixiertheit vieler Kommilitonen wenig anfangen.
"In der Wirtschaftskrise hat man gesehen, dass die Wachstums-Modelle nicht immer funktionieren", sagt Kakuschke. Dass es bei Apinima eher bodenständig zugeht, sieht man schon im Eingangsbereich, der als Büroraum dient.
PC-Monitore auf Pappkartons
Gesprächspartner begrüßt man auf einer Couch ohne Bezug, PC-Monitore stehen behelfsmäßig auf Pappkartons.
Alles beginnt in der Weihnachtszeit 2018. Kakuschke lernt das Geschwisterpaar Jannis und Lucca Hillesmann und ihren Kumpel Leander Hoyer in einem Verein im Dresdner Hechtviertel kennen.
Die heute 25-jährige Lucca interessiert sich für plastikfreie Alternativen zur Lebensmittelaufbewahrung, stellt in ihrer Freizeit Bienenwachstücher her. "Die verhindern zum Beispiel, dass Brot und Käse schnell schlecht werden", sagt Bruder Jannis.
Erfolgsrezept? "Gemächliches Wachstum"
Die zwei anderen Jungs sind schnell überzeugt. Ein Händler auf dem Augustusmarkt nimmt 100 Tücher mit ins Sortiment. "Da haben wir gemerkt, dass das gut ankommt", sagt Kakuschke.
Aus einer Spaßidee wird ein ernstes Projekt, für dass die Nachhaltigkeitsfans immer mehr brennen. Sie gründen mit wenig Eigenkapital ein Unternehmen und tasten sich Stück für Stück an Größeres heran - mit Erfolg.
"Wir hatten Glück, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit steigt", sagt Kakuschke. Dazu komme "gemächliches Wachstum". Schritt für Schritt schließt das Start-up Kooperationen mit Läden, eröffnet einen Online-Shop.
Shampoo wird in der Backstube angerührt
Über das Internet sammeln sie im Dezember 2019 mehrere tausend Euro, um plastikfreie Haarshampoos in eigenen Produktionsräumen herstellen zu können, wieder eine Idee von Lucca. Auch das gelingt den findigen Dresdnern.

In der alten Backstube wird heute kein Teig mehr angerührt, sondern die chemiefreie Masse für Haarwaschmittel. Die wird dann per Hand in Silkonformen gepresst, mit einer Banderole aus Recycling-Papier und gepresstem Gras versehen und verkauft.
"Wir wollen aber nicht nur am Anfang der Konsumkette wirken, sondern auch am Ende", sagt Jannis Hillesheim. Deshalb kooperiert Apinima seit kurzem mit einem Partner namens Cleanhub. Für jedes verkaufte Shampoo entfernt eine Initiative 100 Gramm Plastikmüll an der südindischen Küste.
Eigentlich läuft es gut. Doch Corona sei für das junge Unternehmen eine Achterbahnfahrt, sagt Kakuschke. Für die Weihnachtsmärkte sind die Lager seit Monaten voll.
Das Jahr 2020 hat die Gründer vor allem gelehrt, wie schnell man als Unternehmer umdenken muss. Eine Erkenntnis, die sich, so hofft man im Hechtviertel, auch während dieses Lockdowns bezahlt machen wird.