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"Diese Bude dort stört": Verramscht die Prager Straße in Dresden?

Weniger Ramsch, mehr Freiraum: Dresden will die Einkaufsmeile Prager Straße, eine der ersten Fußgängerzonen in Deutschland, mit strengen Gestaltungsregeln allmählich umbauen. Was geplant ist.

Von Dirk Hein
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Wollen auf der Prager Straße aufräumen (v. l.): Architekt Alexander Poetzsch, Amtsleiterin Anja Heckmann und Stadtplaner Matthias Korntheuer.
Wollen auf der Prager Straße aufräumen (v. l.): Architekt Alexander Poetzsch, Amtsleiterin Anja Heckmann und Stadtplaner Matthias Korntheuer. © Sven Ellger

Dresden. Die Prager Straße als wichtigste Dresdner Einkaufsmeile erholt sich langsam von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Liefen im Januar 2021 gerade einmal 240.800 Menschen über die Einkaufsstraße, waren es im vergangenen Januar wieder über 764.000 Gäste. Doch laut Rathaus geht es auf der "Prager" oft zu bunt und hektisch zu. Die Werbebanner seien "mitunter optisch laut". Eine mit den Händlern abgestimmte Werbesatzung soll helfen.

Welche positiven und negativen Beispiele gibt es?

Die drei Hotelgebäude "Bastei", "Königstein" und "Lilienstein" dominieren große Teile der Prager Straße. An jedem Gebäude angebracht, versinnbildlicht ein Kunstwerk die eigentlichen Gipfel in der Sächsischen Schweiz. Doch der "Königstein" verschwindet hinter einer Bude, die vor dem eigentlichen Hotel steht.

Für Stadtplaner Matthias Korntheuer eines von vielen kleinen Ärgernissen, die aktuell die Prager Straße in Teilen unter Wert erscheinen lassen. "Wir sind der Meinung, dass diese Bude dort stört", sagt Korntheuer mit Blick auf das verstellte Kunstwerk. Kunst am Bau, generell die Kunstwerke der Prager Straße, könnten besser präsentiert werden. Ebenso störend für den Planer: Eine Bierbar versperrt am Pullmann Hotel Dresden Newa den Blick auf ein zentrales Kunstwerk.

Ein weiteres Beispiel: die Werbung am ehemaligen "The Student Hotel", untergebracht im Lilienstein-Gebäude. Der Stadtplaner kritisiert dort das an der Fassade angebrachte Werbeschild als "angeschraubtes Blech und einfach nicht passend". Besser geeignet sind aus Sicht der Planer Werbebotschaften, bestehend aus einzelnen Buchstaben, die sich von der Fassade abheben. Die Centrum Galerie sei dafür ein gutes Beispiel.

Während sich links eine klar gegliederte Fassade mit strukturierter Werbung befindet, besteht rechts aus Sicht der Stadtplaner Handlungsbedarf.
Während sich links eine klar gegliederte Fassade mit strukturierter Werbung befindet, besteht rechts aus Sicht der Stadtplaner Handlungsbedarf. © Symbolfoto: Sven Ellger
Momentan wird Kunst am Bau, zum Beispiel am Hotel "Königstein", durch einen Verkaufswagen verstellt.
Momentan wird Kunst am Bau, zum Beispiel am Hotel "Königstein", durch einen Verkaufswagen verstellt. © Sven Ellger
Die Buden an der Prager Straßen haben Bestandsschutz. Langfristig möchte die Stadt den Platz jedoch freihalten.
Die Buden an der Prager Straßen haben Bestandsschutz. Langfristig möchte die Stadt den Platz jedoch freihalten. © Sven Ellger
Eine Bierbar versperrt den Blick auf das Natursteinmosaik "Newalandschaft" von Franz Tippel.
Eine Bierbar versperrt den Blick auf das Natursteinmosaik "Newalandschaft" von Franz Tippel. © Sven Ellger

Weiter in Richtung Hauptbahnhof benennen Stadtplaner Matthias Korntheuer und Architekt Alexander Poetzsch ein weiteres negatives Beispiel: Über einem Imbiss klebt, verteilt auf mehrere Schaufenster, ein riesiges Sandwich und versperrt den Blick auf die eigentliche Architektur der Prager Zeile. Das Eiscafé daneben überzeugt hingegen. Wenige, aber klare Werbebotschaften lassen den Blick auf die Betonstruktur des Plattenbaus frei. "Das Haus kommt zuerst, Werbung muss sich der Architektur unterordnen."

Stadtplaner Korntheuer will auch die überdachten Kolonnaden der Prager Straße weitestgehend frei von Buden und Warenauslagen sehen. "Die großen freien Flächen der Prager Straße sind extrem besonders. Die Architektur unterstützt dies eigentlich, die vielen kleinen Verkaufsstände stehen dem im Weg."

Was fordert die Werbesatzung?

Seit Jahren arbeitet die Stadt an einer Werbe- und Gestaltungssatzung für die Prager Straße. Noch während der Corona-Pandemie wurde der Dialog mit Händlern und Immobilienbesitzern gesucht. In mehreren Runden wurde laut der Stadt "jeder einzelne Punkt der Satzung" mit den Gewerbetreibenden diskutiert.

Im Ergebnis ist eine Satzung entstanden, wonach Werbung zukünftig nicht mehr "hauptsächlicher Bestandteil der Fassade" sein und dadurch zum Beispiel Architekturgliederungen oder Kunst am Bau überdecken darf. Nur horizontal oder vertikal angebrachte Werbung wäre zulässig. Durch Mechanik oder Elektronik wechselnde Lichteffekte werden verboten. Viele weitere Details, zum Beispiel zu Warenauslagen, sind geregelt.

"Wir wollen die Laufachsen freihalten. Der einzelne Laden befindet sich eher im Gebäude. Der Gesamtraum der Prager Straße soll wahrnehmbar werden. Das gilt auch für die Gastronomie", sagt Architekt Alexander Poetzsch. Diese dürfe zwar auch im Freien sein, aber eben nicht noch "den Grill mit auspacken und eine weitere Bude aufstellen".

Wichtig: Alle vorhandenen Werbungen und Imbissbuden genießen einen Bestandsschutz, vor allem die, welche auf privaten Grundstücken stehen. Nur Stück für Stück können die neuen Pläne umgesetzt werden.

Am Ende muss der Stadtrat diesen Überlegungen der Stadtplaner ohnehin erst noch zustimmen. Aktuell wird in verschiedenen Ausschüssen darüber diskutiert. Das Ziel der Stadt ist es dabei, die vorhandenen Werberegeln mit noch ungeregelten Abschnitten in Übereinstimmung zu bringen. "Wir wollen den Elementen, die da sind, eine Ordnung geben", sagt Alexander Poetzsch.

Ziel der Satzung sei keine Doktrin, die schnell umgesetzt werden kann. Ausnahmen sollen denkbar sein. So sind im Falle eines temporären Leerstandes große Werbeflächen und komplett überklebte Schaufenster zulässig. Stadtplaner Korntheuer: "Wir wollen die Straße nicht von rechts auf links drehen."

Welche Rolle spielt die Prager Straße für Dresden?

Die Prager Straße ist bereits im 19. Jahrhundert als Büro- und Geschäftsstraße entstanden. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile zerstört. "Einige Gebäude sind trotz allem erhalten geblieben, die Prager Straße hätte man wieder aufbauen können, wenn es politischer Wille gewesen wäre", sagt Anja Heckmann, kommissarische Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Mobilität.

Stattdessen sollte ein internationales Stadtbild im Sinne des Sozialismus entstehen. "1962 gab es einen großen Wettbewerb mit 38 teilnehmenden Büros. Die Prager Straße wurde so zu einer der ersten Fußgängerzonen in ganz Deutschland." In der Erinnerung vieler Dresdnerinnen und Dresdner wurde die "Prager" so laut Anja Heckmann "zu einer kleinen Ruhezone, eine städtische Oase umtost von Verkehrsanlagen".

Generell gibt es laut den Dresdner Stadtplanern für die Prager Straße "eine herausragende Wertschätzung, die im internationalen Maßstab zu sehen ist." Weil es jedoch nie einen Denkmalschutz gegeben habe, müsse der Erhalt der anspruchsvollen Gestaltung nun durch eine Werbe- und Gestaltungssatzung unterstützt werden.