Dresden bekommt ein Jüdisches Museum

Dresden. Die Grundsatzentscheidung ist gefallen. Der Dresdner Stadtrat hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass in Dresden ein Jüdisches Museum entstehen soll.
Es geht um Kultur, Geschichte, Leben - das Haus soll zeigen, dass Juden schon immer Teil der Gesellschaft waren. In ihren Reden kamen die Räte dennoch immer wieder auf alten und aktuellen Antisemitismus.
Was ist geplant?
Zuerst seien die Jüdischen Gemeinden in Sachsen mit dem Ansinnen an den Dresdner Stadtrat herangetreten. Dann übernahm die Grünen-Fraktionschefin Agnes Scharnetzky die Initiative. Jetzt hat der Dresdner Stadtrat beschlossen, die Pläne offiziell zu unterstützen, ein Jüdisches Museum in Dresden zu errichten. Das bedeutet, die Stadt soll sich auch einbringen - mit einem Grundstück oder dem Gebäude selbst.
Geplant ist ein öffentlicher, lebendiger Ort, der für alle gut zugänglich ist. Das Museum soll die Geschichte jüdischer Menschen im historischen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen erzählen und auch die Geschichte jüdischer Menschen im heutigen Polen und Tschechien dokumentieren.
Wo soll das Museum entstehen?
Ein konkreter Ort ist noch nicht festgelegt, sondern soll auch anhand eines konkreten Konzeptes gefunden werden, das noch entsteht. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) soll über den genauen Standort mit Bund, Land und den jüdischen Gemeinden verhandeln.
Im Gespräch sind aktuell der Alte Leipziger Bahnhof und das Palais Oppenheim. Vom Alten Leipziger Bahnhof aus wurden Juden in der NS-Zeit mit Güterwaggons in Konzentrationslager deportiert. Deshalb soll dort, unabhängig ob das Museum dort entsteht, ein Erinnerungsort geschaffen werden.
Was spricht dagegen?
Zweifel an den Plänen gibt es zum Teil aus der Dresdner Jüdischen Gemeinde. Ein eigenes Museum bediene die Vorbehalte von Judenfeinden und auch der Leipziger Bahnhof sei ungeeignet, eben weil er ein Ausgangspunkt der Vernichtung von Juden war.
Er kenne die Argumente, so FDP-Stadtrat Holger Hase. "Ein eigenes Museum fördere die Stigmatisierung und die jüdischen Bürger würden wie auf einer Bühne vorgeführt - ich halte ein eigenes Museum trotzdem für richtig. Denn es gibt so viel zu erzählen und es ist die Chance für Dresden, ein modernes Geschichtsmuseum zu bekommen." Kleine Teilbereiche in Ausstellungen anderer Museen reichen einfach nicht, da ist sich der Stadtrat einig.
Wie lief die Debatte?
Jüdische Museen gebe es weltweit, so die Initiatorin aus dem Stadtrat, Agnes Scharnetzky. "Aber in Ostdeutschland gibt es eine relevante Ausstellung, in Halberstadt in Sachsen-Anhalt, sonst nichts." Es sei wichtig, ein offenes Haus zu schaffen, in dem auch andere, bestehende Kultureinrichtungen Platz haben, um das jüdische Leben und Wirken in Dresden, Sachsen und auch Böhmen und Schlesien zu vermitteln.
Dresden sei der geeignete Ort, darin sind sich die Räte ebenfalls einig. "Es ist unsere Verantwortung für das dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit", so Hase. "In Dresden wurde zwischen 1933 und 1945 das jüdische Leben nahezu vollständig ausgelöscht." SPD-Stadtrat Richard Kaniewski sagt, als die NSDAP 1933 die Macht übernahm, hatte sie es hier "besonders einfach", die Menschen "aufzustacheln und zu vereinnahmen". "Besonders in Sachsen haben die Menschen nicht widersprochen."
Es habe in der Geschichte fast immer antisemitische Bestrebungen gegeben, sagt Linke-Stadtrat Tilo Wirtz. "Auch heute noch." Das Jahr 2020 habe dies mit 2.275 antisemitischen Straftaten bundesweit gezeigt, es ist der höchste Wert seit 2001. "Solange Menschen mit Kippa angefeindet, jüdische Friedhöfe geschändet und Synagogen wie in Halle mit schusssicheren Türen gesichert werden müssen, gibt es keine Normalität der Juden in Deutschland. Dieses Museum kann einen Beitrag dazu leisten, dass sich das ändert."
Auch OB-Vertreter und Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) dankte ausdrücklich den Jüdischen Gemeinden, den Grünen und allen Räten. "Das ist ein sehr bedeutsamer Beschluss." Bei allen sonst üblichen Streitereien unter den Räten sei das besonders wichtig. "Es ist ein klares und eindeutiges Grundbekenntnis."
Wie geht es jetzt weiter?
OB Hilbert nimmt nun die Verhandlungen auf. Die Arbeit am Konzept des Museums sei besonders wichtig, sagt Kaniewski. "Das Haus soll zeigen, dass Juden hier nicht fremd sind, sondern schon immer Teil unserer Gesellschaft waren und sind."
Eine konkrete Zeitvorgabe gibt es nicht. Der OB soll dem Stadtrat berichten, sobald sich in der Angelegenheit etwas tut.