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Dresdner Galopp trauert um Chefstarter

Egon Würgau ist tot. Er hat die Pferde von 1974 bis 2009 ins Rennen geschickt und ist dabei immer mit seinem Markenzeichen aufgefallen.

Von Maik Schwert
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Er ist bis zuletzt auf deutschen Rennbahnen unterwegs gewesen: Egon Würgau.
Er ist bis zuletzt auf deutschen Rennbahnen unterwegs gewesen: Egon Würgau. © SZ/Thomas Lehmann

Dresden. Der deutsche Turf trauert um Egon Würgau. Er starb am vergangenen Donnerstag im Alter von 88 Jahren. Das gab der Dresdener Rennverein am Dienstag bekannt. Würgau arbeitete von 1976 bis 2009 als Starter beim DRV - und nicht nur da. Er schickte die Pferde anschließend auch auf allen anderen ostdeutschen Anlagen ins Rennen - gut 10.000-mal, eine sicherlich unerreichbare Marke. Auf seiner Heimatbahn war der Dresdner außerdem von 1992 bis 1996 als Rennsekretär tätig und der Hut immer sein Markenzeichen. Anschließend wurde er DRV-Ehrenmitglied.

1938 fing es an, sein Leben für die Galoppbranche. Und Geschichten konnte der Mann mit der Melone erzählen. Seine Erinnerungen reichten bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Seidnitz kam bei den Bombenangriffen am 13. und 14. Februar 1945 auf Dresden glimpflich davon. "Die britischen und US-amerikanischen Piloten dachten wohl, dass es sich nicht lohnen würde, ihre Bomben auf die freie Fläche abzuwerfen", berichtete er. Dennoch verloren die Trainer viele Pferde. "Die Sowjets spannten Vollblüter vor ihre Wagen und verwendeten sie als Zugtiere. Einige Tiere tauchten später in der UdSSR wieder auf", erzählte Würgau.

Die russische Stadtkommandantur genehmigte die Wiederaufnahme des Rennbetriebs. Am 14. Oktober 1945 starteten 35 Pferde in sechs Rennen. "Das Programm wurde mit Bauernrennen aufgefüllt, mit Pferden aus der Landwirtschaft", berichtete der Zschachwitzer. "Zudem gab es Auto-Pferd-Rennen. Die Starter fuhren mit dem Auto zum Pferd, stiegen um und ritten ins Ziel." Er sah im Ausschluss der Öffentlichkeit im letzten Kriegsjahr einen Grund für die Zuschauermassen auf der Bahn in der ersten Nachkriegssaison. "Sie standen dicht an dicht. Die Menschen sehnten sich nach Abwechslung. Pferdenarren warteten darauf, dass es wieder losgeht. Wettfans wollten endlich wieder ihre Tippscheine abgeben, denn es gab ja keine anderen Spiele, bei denen sie ihr Glück versuchen konnten", erzählte Würgau.

Verein organisiert ihm zu Ehren ein Gedächtnisrennen

In den 1960er-Jahren ergriff er erstmals die Initiative. Mit einem Freund veranstaltete Würgau ein Pferdeforum in einem Messeelektronikbetrieb. Er blieb dabei, begann als "Mädchen für alles" im Stall von Trainer Hans Gröschel und arbeitete in den 1970er-Jahren als Antreiber für den damaligen Starter Martin Rudolph. "Bis 1976 gab es noch die australischen Startmaschinen. Da wurde ein Netz vor die Pferde gespannt. Nach hinten gab es keine Absicherung. Da rannten sie manchmal auch in die andere Richtung los", berichtete Würgau. 1974 durfte er das erste Mal ran. "Damals stand der Starter auf der Seite der Zuschauer", erzählte Würgau. "Da wurde man schnell angepöbelt."

Nach 1990 eroberte er den Westen. Vor allem Hamburg tat es ihm an. Seit 1997 war Würgau dort Mitglied, bekannt dafür, dass er den Derbysiegern den Lorbeerkranz und das Blaue Band anhängte sowie die Siegerdecke überwarf und beim 150. Derby im Juli 2019 noch mal auf dem Geläuf. Würgau  feierte den Erfolg von Laccario mit seinem langjährigen Freund Eduardo Pedroza im Sattel. Der Hamburger Renn-Club würdigte ihn auf seiner Internetseite: "Seit 1997 hat Egon Würgau dem HRC zur Seite gestanden, half, wo immer man ihn brauchte, und verströmte gute Stimmung. Er hat Besuchern in etlichen Führungen die Rennbahn und das Drumherum nahegebracht und war zudem mit seinem Fachwissen ein wertvoller Ratgeber.“

Er führte Besucher über die Anlagen in Dresden und Hamburg, beeindruckte mit Fachwissen, sorgte mit vielen Anekdoten für Abwechslung, gute Laune und Spaß. Noch beim vergangenen Seidnitz-Renntag am 25. August gratulierten ihm viele nachträglich zum kurz zuvor begangenen Geburtstag. "Die Nachricht vom Tod Egon Würgaus hat uns geschockt und tief betroffen gemacht", sagte DRV-Boss Michael Becker am Dienstag. "Unser Ehrenmitglied hat sich wie kaum ein anderer für den Rennverein und den Galopp-Rennsport insgesamt engagiert. Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau, seinen Kindern und der gesamten Familie." Der DRV richtet ihm zu Ehren bei seiner letzten Saisonveranstaltung am 20. November ein Egon-Würgau-Gedächtnisrennen aus. Der Mann mit der Mütze wird fehlen, nicht nur in Dresden und Hamburg.