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Drogengeschäfte mit gestohlenem Kipper

Einbrüche, Erpressung und eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei durch halb Dresden – Dealer Stefan T. gesteht alle Vorwürfe.

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© Roland Halkasch

Von Alexander Schneider

Selten singt ein Angeklagter so, wie Stefan T. gestern in seinem Prozess am Landgericht Dresden. Wie ein Wasserfall sprudelt es aus ihm heraus, auch wenn er nuschelt und kaum zu verstehen ist. Stefan T. ist ein großer, muskulöser Kerl, 35 Jahre alt. Kurzes Haar, blaues T-Shirt, die Haare kurz, die Arme tätowiert.

Den Lkw habe er auf Bestellung gestohlen, sagte Stefan T. im Gericht.
Den Lkw habe er auf Bestellung gestohlen, sagte Stefan T. im Gericht. © Eric Münch

Als die Polizei den drogenabhängigen Autodieb nach einer spektakulären Verfolgungsjagd quer durch Dresden verhaftet hatte, sah der gelernte Steinsetzer anders aus. Das war am 20. September vergangenen Jahres. Er hatte bei seiner Flucht in einem gestohlenen Laster mehrere Unfälle gebaut. Selbst Schüsse aus Polizeipistolen hatten den berauschten Dealer nicht stoppen können. Kurz danach krachte der Amok-Fahrer in der Wiener Straße in den Zaun einer Villa, demolierte zwei Autos und „seinen“ Kipper. Der Mann wurde in einem Gebüsch aufgestöbert und bot den Uniformierten ein Bild des Jammers.

Haft und Verpflegung im Bautzner Gefängnis scheinen Stefan T. jedoch gut zu bekommen. Er ist bei Kräften, nur sein Blick wirkt apathisch. So sitzt er nun neben seinem Verteidiger Jörg Dänzer, fuchtelt mit seinen Händen umher und gesteht, was das Zeug hält. Es kommt einiges zusammen. Die Anklage wirft ihm neben Diebstahl, Fahren ohne Führerschein und Gefährdung des Straßenverkehrs unter anderem auch räuberische Erpressung und bewaffneten Handel mit Drogen vor.

Erst im Dezember 2012 war T. vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Er war unter anderem wegen Raubes zu sechseinhalb Jahren verurteilt worden. Doch schon im Juli 2013 war die Polizei T. auf der Spur. Er sprang aus dem Fenster seiner Wohnung in Pieschen, wo die Beamten mehr als 100 Gramm Crystal und etwas Marihuana fanden. Ende Juli drang T. nachts in die Wohnung einer Bekannten ein, schlug die Frau zusammen und räumte ihre Wohnung aus. Im September, kurz vor der Verfolgungsjagd, brach er nach Angaben der Staatsanwaltschaft erneut in eine Wohnung ein, die von einem anderen Dealer als Depot genutzt wurde. Dort soll er einen Tresor mit zwei Kilogramm Crystal und mehrere Tausend Euro Bargeld entwendet haben. Und schließlich die halsbrecherische Fahrt an jenem Freitagmorgen.

Laut Anklage brach T. kurz nach 5 Uhr einen Baustellencontainer in der Harkotstraße auf, stahl den Schlüssel des Mercedes-Lasters und fuhr damit nach Stolpen. Dort habe er den Lkw verkaufen wollen. Weil der Abnehmer jedoch nicht erschien, sei er zurück nach Dresden gefahren. In Leuben hatte die Polizei den gestohlenen Laster geortet. Hier begann die Verfolgung. Stefan T. raste nach Prohlis, rammte in der Prohliser Allee einen parkenden Toyota (6.800 Euro Schaden), flüchtete weiter über die Georg-Palitzsch-Straße zur Dohnaer, über die Torgauer zur Reicker Straße. Dort überholte er eine Kolonne aus Straßenbahn und Autos. Die Beamten im entgegenkommenden Streifenwagen konnten nur knapp einen Unfall verhindern.

Über Wasaplatz und Oskarstraße raste T. in den Großen Garten. In der Hauptallee ging es nicht weiter. Dort schossen Polizisten auf den Laster – die Reifen verfehlten sie, eine Kugel durchschlug die Frontscheibe direkt vor dem Fahrer. Er hatte großes Glück, dass ihn die Kugel verfehlte. T. wurde nur von Glassplittern verletzt.

Der Raser schaffte es noch bis zur Wiener Straße. Dort versperrten zwei Laster die Weiterfahrt. T. versuchte, über den Fußweg zu entkommen. Doch es war zu eng. Dere Lkw rammte die Sackkarre eines Postzustellers, demolierte zwei parkende Autos (4.200 und 15.400 Euro Schaden), und krachte gegen Zaun und Sandsteinsäulen (mindestens 30.000 Euro Schaden) einer Stadtvilla. Eine Fußgängerin wurde von einem umherfliegenden Paket am Bein verletzt. Weitere 15.000 Euro Schaden entstanden am gestohlenen Kipper.

Der Angeklagte sagt, er habe mit einem tschechischen Dealer ins Geschäft kommen wollen. Seinen Namen kenne er angeblich nicht. T. habe für den Unbekannten den Kipper gestohlen und 100 Gramm Crystal, die aus dem Einbruch bei dem Dealer stammten, mitgenommen. Er habe sich Crystal oder 15.000 Euro für den Kipper versprochen. Doch der Mann sei nicht zum verabredeten Treff in Stolpen erschienen. T. sei daher zurück nach Dresden gefahren – um das Kind seiner Freundin in die Kita zu bringen. An der Kiesgrube in Leuben sei er dann der Polizei begegnet.

Das Gericht hat T. für ein volles Geständnis eine Strafobergrenze von sieben bis acht Jahren in Aussicht gestellt. Nun müssen die Richter seine Angaben überprüfen. Der Prozess wird fortgesetzt.

›››Fotogalerie: Lkw-Dieb flüchtet durch halb Dresden