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Droht jetzt ein Apotheken-Sterben?

Der Europäische Gerichtshof kippt die Preisbindung für Medikamente. Hiesige Apotheker sehen das mit Sorge.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Daniela Pfeiffer

Apothekerin war schon immer ihr Traumberuf. Der Patient steht für sie im Vordergrund und nicht maximale Gewinne. Deshalb ärgert sich Stefanie Scheibe-Mimus, die in Görlitz die Fortuna-Apotheke führt, über eine überraschende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg (EuGH). Dieser hatte der Klage der Internetapotheke Doc Morris stattgegeben und erlaubt, dass ausländische Versandapotheken Rabatte auf Medikamente geben dürfen. Und zwar auf verschreibungspflichtige. Deutschen Apotheken ist das nicht gestattet. Sie dürfen Nachlässe nur auf freiverkäufliche Artikel geben. Der EuGH begründet sein Urteil damit, dass die Preisbindung den freien Warenverkehr behindere. Damit könnten Patienten künftig ihre Medikamente auch bei einer billigeren ausländischen Versandapotheke bestellen.

Für Stefanie Scheibe-Mimus ist dieses Urteil „unerwartet und absolut nicht nachvollziehbar“. Gesundheitspolitik sei Ländersache, sie könne nicht verstehen, warum nationales Recht hier ignoriert wird. „Medikamente sind besondere Waren mit einem hohen Beratungsbedarf und haben zu Recht eine Preisbindung“, findet sie.

Anlässlich einer solchen Entscheidung nutzen hiesige Apotheker die Chance, auf die Vorteile der Apotheken vor Ort hinzuweisen. Heiko Neumann von der Zinzendorf-Apotheke in Niesky nennt da etwa die Lieferzeiten. „Zu 90 Prozent haben wir die Medikamente da“, sagt er. Ist das wirklich mal nicht der Fall, bekommt es der Kunde nach wenigen Stunden – notfalls sogar nach Hause geliefert. „Wir sind damit eindeutig schneller als das Internet.“ Von Notdiensten, die die Apotheken leisten, kostenlosen Beratungen, oder vor Ort hergestellten Rezepturen ganz zu schweigen.

Bei akut nötigen Medikamenten wird der Internethandel den Apotheken vor Ort ohnehin nicht den Rang ablaufen können. Bei planbaren Dauermedikamenten aber werde schon der eine oder andere Kunde Preise vergleichen, glaubt Heiko Neumann. „Wir brauchen als Apotheker aber beides: die Patienten, die dauerhaft Medikamente nehmen müssen und die akut Kranken.“

Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale Sachsen differenziert: „Vor allem chronisch Kranke können sparen, wenn sie ihre planbaren Medikamente bei einem preiswerteren Versandhändler bestellen“, sagt sie. Auch Versandhändler bieten Beratung an, indem sie kostenfreie Hotlines schalten. Für Akutfälle werde aber weiterhin die Apotheke vor Ort gebraucht.

Kann die neue Situation vor allem kleinere und ländlich gelegene Apotheken also gar in Existenznöte bringen? In nächster Zeit wird das noch kein so großes Problem sein, glauben die Apotheker vor Ort. Und auch wenn ein Urteil der Luxemburger Richter so etwas schier Unantastbares wie das eines Bundesgerichtshofes ist, will so mancher Politiker es nicht einfach hinnehmen. So plant etwa Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu untersagen. Ein entsprechendes Gesetz lässt er zurzeit vorbereiten – als direkte Reaktion auf die Entscheidung von Luxemburg. Doch er bekommt Gegenwind vom Koalitionspartner SPD und auch von den Krankenkassen.

Auf lange Sicht könnte die Apotheken-Landschaft durchaus durcheinandergewirbelt werden, wenn es bei der EuGH-Entscheidung bleibt. Stefanie Scheibe-Mimus: „Noch haben wir viele treue Stammkunden, aber wie wird das mit den nächsten Generationen, die mit dem Internet aufwachsen? Die langfristigen Folgen dieses Urteils sind noch nicht absehbar.“

Brigitte Westpfahl von der Görlitzer Humboldt-Apotheke sieht sorgenvoll in die Zukunft. „Wenn das durchgesetzt wird, ist das ziemlich schrecklich für uns“, sagt sie. Dann werde es die Kleinen erwischen. Ketten und größeren Apotheken werden sich durchsetzen können. Doch schon jetzt sinken die Zahlen der Apotheken in Deutschland kontinuierlich. Irgendwann werde das auch Görlitz zu spüren bekommen. Noch hat die Stadt allerdings eine der höchsten Apothekendichten in ganz Sachsen, und dazu kommen die Anbieter in Zgorzelec.

Letztlich wird alles an der Treue der Kunden hängen. „Die ganze Diskussion zielt aktuell nur auf Kennzahlen, wirtschaftliche Aspekte, Boni und Rabatte ab“, sagt Stefanie Scheibe-Mimus. „Aber unser Grundsatz ist es doch, Menschen zu helfen, sie umfassend zu beraten. Deshalb hoffe ich, dass die Vernunft der Patienten siegen wird.