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Dürfen Vereine Wahlkampf machen?

Im Meißner OB-Wahlkampf haben manche Vereine klar Stellung bezogen. Das war nicht immer zulässig, sagt ein Anwalt.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Von „Instrumentalisierung“ war am Ende gar die Rede, als der Kampf zwischen Olaf Raschke und Frank Richter, den beiden vielversprechendsten Kandidaten im Meißner OB-Wahlkampf, immer schärfer wurde und zuletzt knapp für den Amtsinhaber ausging. Gemeint waren diverse Vereine, die sich öffentlich für den amtierenden Oberbürgermeister Olaf Raschke ausgesprochen hatten. Genauer gesagt: Deren Vorstände für die Wahl Raschkes geworben hatten. Dazu zählen, der Meißner Sportverein 08 und der Schützenverein.

An dieser Unterstützung wurde schnell Kritik aus dem Richter-Lager laut, weil dadurch die, laut Satzung versprochene, politische Neutralität nicht mehr gegeben sei. Zum Gegenkonter setzte beispielsweise FDP-Stadtrat Martin Bahrmann an, selbst zuvor OB-Kandidat: „In vielen Vereinen steht in den Satzungen politische Neutralität und das aus guten Gründen“, schrieb Bahrmann Anfang Oktober auf Facebook, fragte aber zugleich: „Was ist mit Helge Landmann, der als „Meißner Hahnemannzentrum e. V.“ im Wahlwerbespot von Frank Richter auftritt?“ Als weitere Beispiele für Richter-Unterstützer nannte er unter anderem Carola Mai vom Lebensfahrten e. V. und den Meißner Kulturverein, der sich politische Neutralität auf die Fahnen geschrieben habe, aber mit der SZ die Wahlforen organisierte. „Warum regt sich hier niemand auf, dass sich der Vorstand in Werbespots für Frank Richter ausspricht und der Verein nach den Wahlforen noch ein Benefizkonzert mit „Wenzel“ für Frank Richter organisiert hat?“, fragte Bahrmann.

Die SZ bat den Meißner Rechtsanwalt Dr. jur. Andreas Maier um eine juristische Einschätzung des Verhaltens der beteiligten Vereine. Maier ist von diesem Thema in besonderer Weise betroffen: Er ist Schatzmeister des Meißner Schützenvereins, der sich auf Facebook öffentlich für Olaf Raschke ausgesprochen hatte. Maier drohte den Verantwortlichen daraufhin sogar mit einer Unterlassungsklage, was dazu führte, dass der Beitrag auf Facebook, nach ein paar Tagen wieder gelöscht wurde.

Der Rechtsanwalt hatte guten Grund für dieses Verhalten, wie er im SZ-Gespräch erklärt: „In den Satzungen der Vereine steht der Satzungszweck, beim Schützenverein also beispielsweise, dass der Schießsport gefördert werden soll. Vor diesem Hintergrund ist die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt gewährt worden.“ Wenn ein Verein nun davon abweiche, bestehe die Gefahr, dass die Gemeinnützigkeit verloren gehe. „Grundsätzlich ist es so, dass eine politische Betätigung per se nicht gemeinnützig ist“, erklärt Maier weiter. „Ein Verein, der sich plötzlich politisch äußert – da besteht akut die Gefahr, dass das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennt.“ Und damit auch die Steuervorteile.

Recht auf Unterlassung

Hinzu komme ein weiteres Problem: „Ich bin ja in einen Verein eingetreten, um zum Beispiel den Schießsport zu vertreten“, sagt Maier. „Wenn der Vorstand nun eine politische Meinung kundtut, äußert er sich für den gesamten Verein, auch wenn manche Mitglieder damit gar nicht einverstanden sind.“ Der Schützenverein habe sogar das eigene Wappen und die Schriftkennung dazu benutzt. Dadurch habe aber jedes Mitglied das Recht auf Unterlassung, gegebenenfalls sogar vor Gericht. „Die Mitglieder geben den Vorständen kein Mandat für eine politische Meinungsäußerung.“ Stattdessen müssten sie sich darauf verlassen können, dass der Verein sich gemäß der Satzung verhalte.

Das muss die öffentliche Unterstützung eines Kandidaten aber nicht ausschließen, selbst wenn in der Satzung von „politisch neutral“ die Rede ist wie beim Kulturverein. Maier: „Es gibt kulturpolitische Anliegen, die dürfen verfolgt werden. So wie sich auch Umweltvereine zum Thema Umweltpolitik äußern dürfen.“ Wichtig sei, dass dies im Rahmen des Satzungszwecks geschehe. „Der Verein dürfte also sagen: Frank Richter hat kulturpolitisch diese und jene Ziele, das unterstützen wir“, so Maier. In der Satzung des Kulturvereins steht unter „Zweck des Vereins“ unter anderem „die Förderung der Stadtentwicklung und Landschaftsgestaltung“.

Gar kein Problem sei übrigens, wenn ein Vereinsmitglied für einen politischen Kandidaten werbe und seine Mitgliedschaft dabei nicht verschweige. Sogar eine interne Wahlempfehlung eines Vorstands an seine Mitglieder sei kein Problem, erklärt der Rechtsanwalt: „Das ist freie Meinungsäußerung.“