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Durch die Zeiten

In Strehlen wird ein Gebäudekomplex von 1938 noch immer genutzt. Geschichte und Architektur sind faszinierend.

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© Sven Ellger

Von Sophie Arlet

Erhaben – aber nicht monumental. Groß – aber nicht einschüchternd. Dass die drei langgezogenen Riegel an der August-Bebel-Straße von 1935 bis 1938 als Luftgaukommando der Wehrmacht gebaut worden sind, sieht man ihnen nicht auf den ersten Blick an. Für den Architekten Wilhelm Kreis war es der erste große Auftrag seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Ende der 1920er-Jahre war das Hygienemuseum nach seinen Entwürfen entstanden, viele Elemente der Strehlener Gebäude erinnern daran. An den Bäumen auf dem Gelände lässt sich erkennen, dass sich dort einst der Park der königlichen Villa befand. „Anstatt die Bäume abzuholzen, hat Kreis sie einbezogen“, sagt Ludwig Jenchen. Der Bauingenieur hat bei einem Schüler von Kreis studiert. Jetzt beschäftigt sich der 82-Jährige mit der Geschichte des ehemaligen Luftgaukommandos.

Zum zehnten Jahrestag der Militärakademie „Friedrich Engels“ 1969 traten die Studenten auf dem Ehrenhof an. Das Gelände sieht heute noch genau so aus. Vor dem Bau 1938 befand sich an der Stelle ein Villenpark.
Zum zehnten Jahrestag der Militärakademie „Friedrich Engels“ 1969 traten die Studenten auf dem Ehrenhof an. Das Gelände sieht heute noch genau so aus. Vor dem Bau 1938 befand sich an der Stelle ein Villenpark. © Hans-DieterOpitz

Die Gebäude sind symmetrisch um einen Ehrenhof angeordnet. Rechts und links stehen jeweils drei Häuser, sie sind durch niedrigere Flügel miteinander verbunden. Am Kopf des Platzes steht der Mittelbau mit dem Eingangsbereich. Der ist ähnlich wie am Hygienemuseum als Säulengang gestaltet. Obwohl die Natursteinfassaden schlicht wirken, sind überall kleine Schmuckelemente wie Sonnenräder oder Tierkreiszeichen angebracht. An den beiden vorderen Gebäudeteilen direkt an der August-Bebel-Straße sind die Reliefköpfe von Otto Lilienthal und dem Kunst- und Jagdflieger Ernst Udet zu sehen. „Nach dem Krieg hat eine Kommission entschieden, welche Symbole entfernt werden müssen“, so Jenchen. Dabei seien auch harmlose Verzierungen verschwunden, andere konnten bleiben – wie die vergoldeten Eichenblätter am Eingangstor oder eben die Köpfe.

Ebenfalls erhalten ist ein riesiges Relief am Mittelbau. Es stammt von dem Bildhauer Karl Albiker, einem Schüler von Auguste Rodin. Mittelpunkt der Figurengruppe „Der fliegende Genius“ ist Ikarus. Er wird von zwei sitzenden Schmieden flankiert. Rechts und links sind je zwei Krieger mit Pfeilen und Schild dargestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte der Figurenfries verschwinden. Doch er hätte nicht unbeschadet von der Fassade entfernt werden können. Studenten der Kunstakademie sprachen sich beim Innenminister für den Erhalt des Kunstwerks aus. Der ließ sich schließlich vom kunsthistorischen Wert überzeugen und so wurde das Relief lediglich zugehängt. Obwohl die Anlage erst seit den 1990er-Jahren denkmalgeschützt ist, sind die Gebäude durch die Zeiten hinweg originalgetreu erhalten worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten einige Bereiche vom Keller ab wieder aufgebaut werden. Bereits 1946 zog die sächsische Staatsregierung in die Räume. Die sind für einen Regierungssitz durchaus angemessen. Der Eingangsbereich und das Treppenhaus könnten auch zu einem Theater gehören, in den Zimmern gibt es Holzvertäfelungen und viel Tageslicht.

Später beschäftigten sich in diesen Zimmern Offiziere mit Themen wie politischer Ökonomie, Militärpsychologie oder Taktik. Denn 1959 wurde die „Militärakademie Friedrich Engels“ in Strehlen gegründet. Dort wurden Offiziere der NVA für höhere Führungsebenen ausgebildet. Im Laufe der Jahre entstanden 30 Lehrstühle. Sie verteilten sich auf die Sektionen Gesellschaftswissenschaften, See-, Luft- und Landstreitkräfte sowie Technik und Bewaffnung.

Die Studenten der Militärakademie waren keine Abiturienten, sondern hatten bereits die Offiziershochschule besucht und Berufserfahrung gesammelt. Die Männer waren Mitte Zwanzig, viele hatten eine Familie gegründet. Ihr Alltag unterschied sich deutlich von dem der Studenten an zivilen Hochschulen. Freie Zeiteinteilung gab es nicht, sogar das Selbststudium fand zu festen Zeiten im Klassenzimmer statt.

„Es war geradezu beengend“, erinnert sich Eberhard Haueis. Er war erst Student und dann Hauptfachlehrer an der Akademie. Wer Bücher von der Sächsischen Landesbibliothek ausleihen wollte, musste das erst beantragen und begründen. Unterrichtet wurde auch am Sonnabend bis zum Nachmittag. Die Freiheit des Studentenlebens habe er erst Anfang der 1980er-Jahre in Leipzig kennengelernt, als er nach der Promotion noch einmal Soziologie studierte, erinnert sich Haueis.

Im letzten Studienjahr 1989/90 wurde an der Akademie noch über die Rolle des Militärs im Atomzeitalter diskutiert. Dann ging alles ganz schnell. Am 2. Oktober 1990 fand der Abschlussappell statt, ab dem dritten Oktober gehörten die verbliebenen Studenten zur Bundeswehr und die Akademie war aufgelöst. Heute sind das Karrierezentrum und das Dienstleistungszentrum der Bundeswehr an der August-Bebel-Straße untergebracht.

An diesem Sonnabend und Sonntag findet in der SLUB der 14. Dresdner Geschichtsmarkt zur Militärgeschichte Dresdens statt. Die Strehlener Anlage wird in zwei Vorträgen behandelt. Infos: www.geschichtsmarkt-dresden.de