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Warum die DVB serbische Fahrer brauchen

Dresden wächst, der öffentliche Nahverkehr wird immer wichtiger. Die DVB haben nur ein Problem - ihnen fehlen die Fahrer.

Von Christoph Springer
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Busse suchen Fahrer: Im DVB-Depot in Gruna warten Linienbusse auf ihren Einsatz.
Busse suchen Fahrer: Im DVB-Depot in Gruna warten Linienbusse auf ihren Einsatz. © Archiv: Sven Ellger

Glavna Zeleznicka Stancia heißt Hauptbahnhof. Und Karta ist nicht die Landkarte, sondern der Fahrschein. Das müssen Miroslav, Rados, Ivan, Goran und mit ihnen 15 andere Busfahrer aus Serbien zurzeit lernen. Schnell muss es gehen, denn ab dem 1. Februar sollen sie in Dresden sein und sofort mit ihrer Ausbildung als Linienbus-Fahrer bei den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) anfangen. Bus fahren können sie alle schon. Bis auf einen Reisebusfahrer waren die 19 Serben bisher in serbischen Nahverkehrsunternehmen beschäftigt. Künftig sollen sie das Fahrerteam der Verkehrsbetriebe verstärken. Denn Busfahrer sind rar. Sie werden überall gesucht, sagt Jan Silbermann, Chef des Fahrbetriebs bei den DVB. Er ist in Belgrad fündig geworden.

Knapp 540 Straßenbahnfahrer arbeiten bei den Verkehrsbetrieben, dazu etwas mehr als 240 Busfahrer. Ein Teil davon sind die fast 150 Kombifahrer, die in Bus und Bahn eingesetzt werden können. Dazu kommen noch rund 160 Busfahrer beim DVB-Tochterunternehmen Dresdner Verkehrsservicegesellschaft. Sie müssen an jedem Werktag im Schichtbetrieb rund 570 Dienste absichern. Das bedeutet, mindestens 570 Fahrer braucht das Unternehmen täglich, um alle Linien laut Fahrplan zu bedienen. Andernfalls fallen Busse oder Bahnen aus. Das ist den Kunden nicht zuzumuten, die mittels Aushangfahrplan, Internetauskunft oder Handy genau berechnen können, wie lange sie unterwegs sein werden und wie das Umsteigen funktioniert.

Die Verkehrsbetriebe brauchen mehr Fahrer. Ersatz ist schon deshalb nötig, weil bis 2028 laut Silbermann rund 600 Fahrer das Unternehmen verlassen. Sie gehen in Rente. Außerdem wachsen die DVB. Beispiel Linie 68: Sie soll ab Januar 2021 werktags alle zehn Minuten zwischen der Innenstadt und Cossebaude fahren. Fünf zusätzliche Busse und zwölf neue Fahrer braucht das Unternehmen für das Angebot.

Agentur vermittelt Fahrer

„Der Markt ist leer gefegt“, sagt Silbermann. „Egal wo man in Deutschland hinguckt, ich habe von keinem Unternehmen gehört, wir haben ausreichend Fahrer.“ Bisher reichte es für die DVB, jedes Jahr neue Fahrer auszubilden, Quereinsteiger zu Bus- und Bahnfahrern zu machen und ab und an auch einen Fahrer einzustellen, der aus einem anderen Unternehmen nach Dresden wechselte. Doch das reicht nicht mehr, obwohl die Verkehrsbetriebe ihre Ausbildungskapazitäten aufgestockt haben. „Vor allem nicht, wenn Klimaschutz und Verkehrswende wirklich ernst genommen werden“, sagt Silbermann.

Deshalb ist er froh, dass er von einer Agentur gehört hat, die Busfahrer aus dem Ausland nach Deutschland vermittelt. InJob heißt das Unternehmen und vor dem ersten Kontakt mit Dresden hatte es bereits die potenziellen neuen Fahrer zusammen. Das ist Silbermann wichtig, denn die Verkehrsbetriebe selbst waren nicht angetan, als Anfang der 2000er-Jahre ein Busunternehmen aus Zürich via Zeitungsanzeige Fahrer aus Dresden abwarb. Jetzt ist das anders. Die Fahrer aus Belgrad wollen weg und sind zugleich in Dresden willkommen. Anfang April oder Anfang Mai könnten sie das erste Mal auf Strecke gehen.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Im doppelten Sinne. Zuerst müssen sie nach Dresden kommen. Dafür brauchen die Belgrader Aufenthaltsgenehmigungen für Deutschland. Dann steht die Sprache an erster Stelle. In ihrer Heimat lernen die 19 Neuen gerade Deutsch. Sind sie in Dresden, geht es weiter mit dem Sprachunterricht. Sobald sie genügend Fachbegriffe verstehen, beginnt die Ausbildung bei den DVB. Sie müssen das Streckennetz, die Technik, alle Arbeitsregeln und die Servicestandards der Verkehrsbetriebe kennenlernen.

Jan Silbermann hat sie alle selbst kennengerlernt, als er im Juli mit zwei Kollegen in Belgrad war. Dort haben die Besucher aus Dresden die DVB vorgestellt und dann Bewerbungsgespräche geführt. Mit Dolmetscher. „Dabei kam gar nicht das Geld an erster Stelle“, erinnert sich der Fahrbetriebs-Chef. Die Fahrer hätten als Motivation für den Wechsel vor allem angegeben, dass sie in einem Rechtsstaat leben wollen. Dann kamen die Themen Sicherheit und Bildung, danach erst das Geld.

18 Monate warten auf die Familie

Leicht haben es die Neuen bei den DVB nicht. Ihre Sprachschule in Belgrad müssen sie selbst bezahlen, und auch in Dresden übernehmen die DVB nur einen Teil der Kosten. Die Verkehrsbetriebe wollen WG-Wohnungen für die Fahrer suchen, die Mieten und die Nebenkosten sind Sache der künftigen Mitarbeiter. Und ihre Familien können sie frühestens nach 18 Monaten nachholen. Mithilfe von Paten aus dem Unternehmen werden sie diese Durststrecke gut überstehen, hofft Silbermann. Doch noch sind sie nicht da, und das Arbeitskräfte-Projekt mit Fahrern aus dem Ausland ist für die DVB Neuland. Ein Test, wie der Fahrbetriebs-Chef sagt. Aber einer, von dem er sich viel verspricht.

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