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Eigentlich war es unglaublich

John le Carre, Autor von Spionageromanen, hätte die Geschichte nicht besser erfinden können. Die spektakulärste Aktion des US-Geheimdienstes CIA am Ende des Kalten Krieges unter dem Decknamen „Rosewood“ (Rosenholz) passte zur politischen Dramatik der damaligen Zeit.

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Von Friedrich Kuhn

John le Carre, Autor von Spionageromanen, hätte die Geschichte nicht besser erfinden können. Die spektakulärste Aktion des US-Geheimdienstes CIA am Ende des Kalten Krieges unter dem Decknamen „Rosewood“ (Rosenholz) passte zur politischen Dramatik der damaligen Zeit. „Dass wir die komplette Agentendatei der DDR-Auslandsspionage erbeutet haben, war für uns eigentlich unglaublich“, kommentierte gestern in Washington ein CIA-Mann den Coup.

Nach der Wende ließ sich die CIA von den deutschen Geheimdiensten nicht in die Karten schauen. Vergeblich schickte die Bundesregierung immer wieder Abgesandte nach Washington, um Einsicht in die Spionage-Unterlagen zu erhalten. Stets bekamen sie die stereotype Auskunft: „There is no way“ – es ist nicht möglich. Im April 2000 begann die CIA damit, der Stasi-Unterlagenbehörde die Dateien auf 381 CD-Roms zurückzugeben. Seit Anfang Juli stehen der Behörde nun 290 000 Datensätze zur Verfügung.

Lieferung via Moskau

Als Gründe für ihre Haltung gaben die Amerikaner damals „Quellenschutz“ an. Sie behaupteten, bei Übergabe des Materials an die Deutschen bestünde die Gefahr, dass auch CIA-Lieferanten enttarnt würden. Experten hielten dagegen, die CIA verweigere die Herausgabe nur deshalb, weil sie eine nicht geringe Zahl einstiger Ostagenten für sich „umgedreht“ habe und danach gegen Deutschland arbeiten ließ.

Es wurde viel darüber gerätselt, wie die CIA in den Besitz der DDR-Unterlagen gelangte. Nach jetzigen Angaben der Geheimdienstler lief die Operation „Rosenholz“ im Wende-Herbst 1989 so ab: Der Oberstleutnant der DDR-Spionage, Rainer Hemmann, bekam von seinen Oberen den Befehl, die verfilmte Agentendatei in der scharf bewachten KGB-Vertretung in Berlin-Karlshorst dem sowjetischen Geheimdienst zu übergeben. Da die Vertretung schon im Blickfeld westlicher Dienste war, überreichte Hemmann das Material an KGB-Oberst Alexander Prinzipalow in einer nahe gelegenen Villa. Die Datei wurde gleich nach Moskau gebracht. Erst 1992 übergab ein „Überzeugungstäter“ aus den Reihen der Moskauer Geheimdienstleute die Unterlagen an die CIA. Wie viele Dollars dabei flossen, blieb ein Geheimnis.

Dass der Coup gelang, ist dem CIA-Agenten James Atwood zu verdanken. Der hatte, als „Militärhistoriker“ getarnt, bereits 1989 die entscheidenden Kontakte zu KGB-Offizieren aufgebaut. „Jimmy“, bewährt bei verdeckten Operationen unter anderem in Korea und im Iran, reiste oft nach Moskau und knüpfte enge Beziehungen zu nach Moskau zurückgekehrten KGB-Mitarbeitern. Es wurde nicht bekannt, welcher KGB-Offizier „Jimmy“ schließlich eine Kopie der brisanten Datei überließ. Es könnten Geheimdienst-Oberst Alexander Sjubenko, KGB-General Iwan Gromakow oder Oberst Prinzipalow gewesen sein, wie zu erfahren war. Zwei der KGB-Agenten, mit denen es „Jimmy“ zu tun hatte, starben 1995 und 1997 unter mysteriösen Umständen. Nach Darstellung der russischen Polizei erlitten sie – 49 und 52 Jahre alt – während Autofahrten Herzinfarkte. (ddp)