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Ein bisschen Ruhe

Franziska van Almsick steht mit 40 Jahren nicht mehr so oft im Blickpunkt wie mit 14. Sie findet das gut und genießt es.

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© dpa/Lukas Schulze

Von Jörg Soldwisch

Franziska van Almsick lief es vor dem Fernseher „eiskalt den Rücken hinunter“, als der Biathlet Simon Schempp bei den Winterspielen im Fotofinish hauchdünn Gold verlor. Ihr sei „für einen kurzen Moment schlecht“ geworden, berichtete die ehemalige Schwimmerin, denn es kamen Erinnerungen hoch, wie sie „zweimal an diesem Olympiasieg, der mir immer alles bedeutet hat“, vorbeigeschrammt war.

Dieser unerfüllte Goldtraum habe zwar Narben hinterlassen, sagte van Almsick im Welt-Interview, aber „das tut mir jetzt gut in meinem Leben“. Dieses vermeintliche „Scheitern“ am höchstmöglichen Ziel hat aus ihr die Person gemacht, die sie nun ist. Van Almsick, die am Donnerstag ihren 40. Geburtstag feiert, ist ein glücklicher Mensch – auch ohne einen Olympiasieg.

Nach vielen Höhen und Tiefen im Sport und im Privaten genießt sie ihr eher zurückgezogenes Leben in Heidelberg. Seit 13 Jahren lebt die gebürtige Berlinerin mit dem Unternehmer Jürgen B. Harder zusammen. Der 58-Jährige ist auch der Vater ihrer beiden Kinder Don Hugo (elf) und Mo Vito (vier). „Ich habe eine Familie mit zwei Kindern und fühle mich auf dem absolut richtigen Weg. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit und habe nicht das Gefühl, im Leben etwas verpasst zu haben“, sagte sie im Interview mit dem Magazin Bunte.

„Das Wahnsinnige und Übertriebene und Gehypte der jetzigen Welt hatte ich alles schon“, meint van Almsick. Und wie. Als damals 14 Jahre junge „Göre“ ist die Ost-Berlinerin der erste gesamtdeutsche Sportstar nach der Wiedervereinigung. Kess in der Öffentlichkeit und brutal schnell im Wasser – Franzi erobert die Herzen der Fans im Sturm.

Für ihr Olympiasilber 1992 in Barcelona über 200 Meter Freistil wird die junge Athletin gefeiert wie ein Popstar. Vier Jahre später in Atlanta schwimmt sie erneut auf Platz zwei, doch diesmal ist alles anders. Van Almsick wird als Verliererin wahrgenommen – und es kommt noch schlimmer.

2000 in Sydney nimmt die damalige Weltrekordlerin wieder Anlauf auf Gold – und scheitert mit Platz elf. Von Boulevard-Blättern verspottet, muss der einst umjubelte Jungstar erkennen, dass gerade die Hochgelobten tief fallen können. Doch die Kämpferin gibt nicht auf. Bei der Heim-Europameisterschaft 2002 in Berlin glänzt ihr Stern fast wieder so hell wie zu Karrierebeginn. Sie habe damals mehr geholt als nur fünf Titel und einen Weltrekord, sagte van Almsick: „Ich bekam meine Ehre zurück.“ 2004 in Athen gewinnt sie noch zweimal Staffelbronze.

Van Almsick schaut mit Stolz auf ihre Karriere zurück – vor allem, weil sie „nie versucht“ habe, „jemand zu sein, der ich nicht bin“. Auch in ihrer Funktion als ARD-Expertin sprach van Almsick oft aus ihrem Herzen heraus, was durchaus für Wirbel sorgte. Ihr Verhältnis zu Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen ist nach ein paar deftigen Worten („Soll Arschbacken zusammenkneifen“) noch immer angespannt.

Entspannt geht die zweifache Mutter dagegen mit ihrem Alter um. Die Zahl 40 bereite ihr zwar ein „mulmiges Gefühl“, und mittlerweile brauche sie Anti-Faltencreme, aber sie freue sich auch auf die Zeit, die nun komme. Van Almsick will endlich die Abiturprüfungen ablegen und vielleicht mal den Hubschrauberschein machen.

Als ehemalige Leistungssportlerin hält sie sich körperlich fit, ab und zu duelliert van Almsick sich auch im Wasser mit Freunden. „Ich warne jeden davor“, sagt sie, „Wetten gegen mich abzuschließen.“ Viel wichtiger ist van Almsick aber ihr großes Engagement gegen die zunehmende Zahl der Nichtschwimmer in Deutschland. Das Thema liege ihr „sehr am Herzen“ – das verpasste Olympiagold dagegen nur noch sehr selten. (sid)