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Ein geplatztes Versprechen

Der Kampf um Talente wird für den VC Dresden immer härter. Der Sportdirektor legt sich mit einem Olympia-Helden an.

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© Arvid Müller

Von Alexander Hiller

Das Problem ist nicht neu – und wird den VC Dresden wohl in irgendeiner Form in jeder Saison heimsuchen. Der kleine Verein, der im Gymnasium an der Bürgerwiese seine neue sportliche Heimat gefunden hat, zählt seit Jahren im Nachwuchsbereich zu den erfolgreichsten Klubs in Deutschland. Die U 14 ist amtierender deutscher Meister.

Die Männer allerdings spielen nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga Süd in der vergangenen Saison nur noch drittklassig – in der 3. Bundesliga Ost. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass zwangsläufig fast ausschließlich Dresdner Eigengewächse im Aufgebot stehen, aber auch den unangenehmen, dass die besten Spieler kaum zu halten sind, wenn sie einmal in den Fokus professioneller Klubs geraten sind. Diese Erfahrung musste Sportdirektor Sven Dörendahl nach dem Abstieg aus der 2. Liga in besonders ausgeprägter Form machen. Gleich fünf Akteure verließen den Verein.

Dem fehlt einerseits der wirtschaftliche Hintergrund, um seine Leistungsträger mit längerfristigen und gut dotierten Verträgen an sich zu binden. Andererseits war die Aussicht auf zumindest eine Saison in der dritthöchsten Spielklasse nicht das attraktivste Lockmittel für entwicklungsfähige Volleyballer. „Man kann die Leute damit halten, dass Dresden eine Studentenstadt ist “, sagt Dörendahl, „aber wir haben eben keinen Einfluss darauf, ob sie einen Studienplatz bekommen oder nicht.“ Der talentierte Paul Schneider konnte jedoch über einen Ausbildungsplatz in Dresden gehalten werden. Der 19-jährige Diagonalspieler lässt sich bei der Aufzugbau Dresden GmbH zum Industriekaufmann ausbilden. Dieser Fall ist jedoch die Ausnahme. „Da müssen wir uns etwas einfallen lassen. Ansonsten stehen wir jedes Jahr wieder an dem gleichen Punkt.“

Allerdings wird beim Buhlen um die besten Talente mit harten Bandagen gekämpft. Auch das musste Dörendahl lernen. Der legt sich deshalb auch öffentlich mit einem deutschen Olympia-Helden an: mit Jörg Ahmann. Der heute 51-Jährige holte mit seinem damaligen Partner Axel Hager die erste Olympiamedaille überhaupt für den deutschen Beachvolleyball: 2000 in Sydney erkämpften Hager/Ahmann sensationell Bronze.

Heute arbeitet Ahmann als Bundesstützpunkt-Trainer Beachvolleyball am Olympiastützpunkt Stuttgart. In dieser Funktion soll er dem damals 18-jährigen Richard Peemüller, Leistungsträger des damaligen Zweitligisten VC Dresden, versichert haben, dass dieser sich in Ahmanns Stuttgarter Trainingsgruppe weiterentwickeln könne. Peemüller, 2015 Vierter bei der deutschen U-18-Meisterschaft im Sand, wollte sich auch dank dieser Aussicht voll und ganz auf eine Beachkarriere konzentrieren. „Der Junge ist mit diesem Versprechen nach Stuttgart gelockt worden. Dort hat man ihm dann erklärt, er könne doch nicht in dieser Gruppe mittrainieren, weil er kein Kader sei. Das war aber weit vorher bekannt“, sagt Dörendahl. „Da bin ich stinksauer auf den Kollegen Ahmann. Das ist für mich eine riesengroße Sauerei“, schimpft der 44-jährige Ex-Profi.

Peemüller bestätigt diese Version. „Das ist alles so abgelaufen. Ich war ja im März 2017 schon zum Probetraining in Stuttgart“, sagt er. Deshalb suchte er sich nach seinem Abitur in Dresden einen Studienplatz. Er studiert nun an der Universität Hohenheim Wirtschaftswissenschaften und organisierte sich eine Wohnung. Kurzum: Peemüller brach alle Zelte in seiner Heimatstadt ab. „Ich wollte im professionellen Beachvolleyball Fuß fassen. Das war der Plan.“ Der zerstob allerdings schnell. „Im September wollte ich den Kraftraum im Olympiastützpunkt Stuttgart nutzen. Da hieß es plötzlich, das geht nicht mehr – mit eben der Begründung, dass mir der Kaderstatus fehlt“, erläutert der Dresdner. Ahmann habe ihm im September am Telefon in drei, vier kurzen Sätzen die Situation erklärt. Seitdem herrscht Funkstille. „Ich fühle mich schon ein bisschen verschaukelt“, sagt Peemüller.

Ahmann erzählt die Geschichte in einer anderen Version. „Richard Peemüller wollte zu uns an den Bundesstützpunkt, ja. Und ich habe ihm gesagt: Falls die Möglichkeit dazu besteht, würde ich ihn mit in die Trainingsgruppe nehmen. Diese Möglichkeit hat sich dann zerschlagen, nachdem klar war, dass er keinen Kaderstatus erhalten würde. Damit war das Thema erledigt“, sagt der 51-Jährige. Von einem Versprechen oder einer definitiven Zusage sei nie die Rede gewesen. Und der ehemalige Weltklasse-Beacher fragt sich: „Weshalb sollte ich einen Athleten nach Stuttgart locken, der in seiner Altersklasse nicht zu den Topleuten in Deutschland gehört?“

Peemüller landete mit Partner Jonas Reinhardt im Sommer 2017 bei der deutschen U-20-Meisterschaft auf Platz 17. Genau das waren auch Dörendahls Argumente, um Peemüller zum Bleiben zu überreden. Offenbar hat es mindestens ein Kommunikationsproblem zwischen dem Olympia-Helden Ahmann und Peemüller gegeben. Denn weshalb sollte ein Nachwuchstalent nur auf eine vage Hoffnung hin sein Leben umkrempeln? Inzwischen hat Peemüller den Traum von einer großen Beachvolleyball-Karriere aufgegeben. „Ich hege keine Ambitionen mehr, da Zeit zu investieren“, betont der Nachwuchsspieler.

In der Halle spielt der Dresdner in der 3. Liga Süd für den SV Fellbach II. Pikanterweise wird auch der seit einigen Tagen von Ahmann betreut. „Ich trainiere fünfmal in der Woche in der Halle und meistens mit den Zweitligaprofis. Dreimal pro Woche gehe ich noch ins Fitnessstudio“, sagt der gelernte Mittelblocker Peemüller. Er will sich jetzt für die nächste Saison für den Profikader der Fellbacher empfehlen. „Ich hoffe, dass ich bald mitspielen werde“, betont er. Eine Rückkehr nach Dresden kann er sich auch wegen dieser Aussicht und wegen seines Studiums in den nächsten drei Jahren nicht vorstellen.