Von Eric Weser
Strehla. Manche Dinge ändern sich nie, heißt es gerne mal. Auch in Görzig schien das zuzutreffen. „Es gab früher das Ober- und das Unterdorf. Und der eine wollte vom anderen nichts wissen“, erzählt Christian Ischner. Standen Geburtstage oder Hochzeiten an, gingen die einen nur dahin gratulieren, die anderen nur dorthin. „Das war schon bei meinen Großeltern und noch bis vor Kurzem so“, so der alteingesessene Görziger. Eine unsichtbare Trennlinie schien durch den Strehlaer Ortsteil zu verlaufen.
Das hat sich geändert. Der vereinte Kampf – erst gegen das Hochwasser, dann für den Abwasser-Anschluss – hat die rund 190 Seelen einander näher gebracht in den vergangenen Jahren. Inzwischen gibt es einen gewählten Ortschaftsrat, seit zwei Jahren ein Dorffest. Die Anwohner haben sich über den Nachrichtendienst Whatsapp vernetzt, tauschen Neuigkeiten aus. Und da, wo die lange unsichtbare Trennlinie im Dorf verlief, steht das Symbol der neuen Verbundenheit: das Spritzenhaus.
Bis vor anderthalb Jahren war der einstige Feuerwehr-Schuppen dem Verfall preisgegeben. Als die Görziger ihren Gemeinschaftssinn entdecken, wird die leere Ruine plötzlich interessant. Denn die Remise steht auf öffentlichem Boden – und könnte doch für den Ort genutzt werden, finden die Anwohner. Eine Anfrage bei der Stadt zeigt, dass man im Rathaus gar nicht weiß, dass es den Bau noch gibt. Die Görziger schlagen vor, das ruinöse Häuschen selbst zu sanieren – und bekommen den städtischen Segen.
Im Herbst 2015 ist Baustart. „Jeder hat was gegeben“, erzählt Anwohner René Scheel. Ersatz für morsche Dachbalken kommt herzu, jemand hat noch Dachlatten übrig. Von einer Riesaer Baustelle retten die Görziger intakte Ziegel vorm Abtransport zur Schutthalde. Bei gemeinsamen Arbeitseinsätzen helfen zig Leute aus dem Dorf, darunter versierte Handwerker. Das Dach wird komplett erneuert, ein nagelneues Metalltor und ein Fenster eingebaut. Auch die Kinder werkeln mit und zimmern aus alten Dachbalken eine Sitzbank. Nach getaner Arbeit wird gemütlich gegrillt. – Fertig ist das Häuschen allerdings noch nicht. Wo künftig Biertischgarnituren, Pavillons und andere nützliche Utensilien für Dorffeste eingelagert werden sollen, liegt derzeit noch Baumaterial herum. Der Außenputz muss noch dran, innen vielleicht noch eine Zwischendecke eingezogen werden. Etwa fünf, sechs Arbeitseinsätze braucht es noch, schätzt Ortsvorsteherin Heike Kunze. „Wir haben aber erst mal noch mit unserem Abwasser zu tun“, sagt ihr Vize René Scheel, während auf der benachbarten Straße ein Kettenbagger vorbeirumpelt. Noch mehrere Wochen wird das Dorf eine riesige Baustelle bleiben.
Dass sie für ihr Spritzenhaus-Projekt den mit 500 Euro dotierten Innovationspreis von Strehlas Bürgermeister Jörg Jeromin (FWG) bekommen haben, macht die Görziger stolz. Sie verstehen es auch als Signal an die dörflichen Ortsteile. Die hätten es nicht immer einfach in der Kommune, sagen sie. Das Preisgeld können sie in Görzig gut gebrauchen, denn es gibt noch große Wünsche. Einer ist der 3 000 Euro teure Stromanschluss fürs Spritzenhaus. „Für den Spielplatz hätten wir auch gerne einen“, sagen die Anwohner. Denn der Platz ist der zentrale Dorftreffpunkt. Mit vereinten Kräften dürften die Görziger aber auch noch diese Hürde packen.